Testosteron-Therapie bei älteren Patienten mit Androgenmangel

Berichten ältere Patienten im Gespräch mit ihrem Arzt über nachlassende Leistungsfähigkeit, Kraftlosigkeit, chronische Müdigkeit und nachlassende Libido, könnte die Ursache für die Symptomatik ein Androgendefizit sein. Eine Therapie mit Testosteron ist hier indiziert, wenn die Testosteron-Konzentration im Serum erniedrigt ist und zudem klinische Zeichen eines Androgendefizits vorliegen.

Veröffentlicht:

Friedrich Jockenhövel

Viele ältere Männer leiden unter Testosteronmangel. Zwischen dem 40. und 70. Lebensjahr sinkt das biologisch aktive freie Testosteron im Serum um etwa 1,2 Prozent pro Jahr. Parallel dazu steigt das Sexualhormon-bindende Globulin (SHBG) etwa gleich stark an.

In der longitudinalen Baltimore-Altersstudie wiesen 20 Prozent der Männer über 60 Jahre, 30 Prozent der Männer über 70 Jahre und 50 Prozent der über 80jährigen Männer ein erniedrigtes Gesamt-Testosteron auf. Da Testosteron das Prohormon für Östradiol ist, sinkt bei älteren Männern zudem der Östradiol-Serumspiegel.

Viele der mit dem Altern verbundenen Veränderungen sind den Symptomen des Androgenmangels bei klassischen Formen des Hypogonadismus junger Männer sehr ähnlich. Daher ist die Vermutung eines Zusammenhangs zwischen dem Androgenmangel bei älteren Männern und den Zeichen des Alterns naheliegend, aber bisher nicht bewiesen.

Therapieüberwachung und Erfolgskontrolle

Bei Patienten mit Testosterontherapie sollten regelmäßig Verlaufskontrollen erfolgen - auch um unerwünschte Effekte, etwa auf die Prostata, rechtzeitig erkennen zu können.

Die Ursache für den altersassoziierten Hypogonadismus ist eine verminderte hypothalamische Sekretion des GnRH (Gonadotropin-freisetzendes Hormon), die mit einer reduzierten testikulären Testosteron-Produktion verbunden ist. Dies führt oft zu einer Kombination aus einem primären, direkt die Testes betreffenden, und einem sekundären, durch Hypothalamus oder Hypophyse bedingten, Hypogonadismus. Entsprechend findet sich typischerweise die Laborkombination eines erniedrigten Testosterons bei normalen Werten von LH und FSH.

Die Ergebnisse aus Studien zur Therapie älterer Männer mit altersassoziiertem Hypogonadismus, auch Andropenie, umfassen Therapiephasen von bis zu drei Jahren und zeigen positive Effekte ohne wesentliche unerwünschte Wirkungen. Dennoch ist die Testosteron-Therapie derzeit noch als experimentell und in der langfristigen Dauertherapie als noch nicht abgesichert anzusehen. Daher ist besondere Sorgfalt bei der Indikationsstellung, dem Ausschluß von Kontraindikationen und bei der Dokumentation erforderlich.

Testosteron kann intramuskulär oder transdermal appliziert werden

Die Indikation zur Therapie mit Testosteron in der Andropenie ist dann gegeben, wenn die Kombination einer nachgewiesenen erniedrigten Testosteron-Konzentration im Serum mit klinischen Zeichen eines Androgendefizits vorliegt und Kontraindikationen ausgeschlossen wurden.

Ist nur das Serum-Testosteron erniedrigt, ohne daß klinische Charakteristika eines Androgendefizits zu finden sind, besteht kein Anlaß zur Testosteron-Therapie, da mangels Symptomen der Patient keinen Nutzen von der Therapie hat. Gleiches gilt für die umgekehrte Situation, dem Vorliegen klinischer Zeichen eines Androgenmangels bei normalen Testosteron-Werten. Es gibt keine Hinweise, daß bei normwertigem Testosteron die zusätzliche Applikation von Androgenen einen Nutzen bringt.

In vielen Studien zur Testosteron-Therapie bei älteren Männern wurde Testosteronenantat (etwa Testoviron®-Depot) in der Dosierung von 250 mg intramuskulär alle zwei bis drei Wochen verwendet. Allerdings führt die Injektion zu stark schwankenden Spiegeln, die von vielen Patienten als unangenehm empfunden werden.

Seit November letzten Jahres gibt es ein langwirksames Testosteron-Undecanoat-Depotpräparat (Nebido®, 1000 mg), das nach einer Aufsättigungsphase, in der die Patienten zwei Spritzen im Abstand von sechs Wochen bekommen, nur alle zwölf Wochen intramuskulär verabreicht wird.

Die orale Substitution von Testosteronundecanoat (Andriol®, 40 mg) erfolgt zwei- bis dreimal täglich. Sie führt allerdings wegen der sehr variablen Bioverfügbarkeit oft nicht zum gewünschten Testosteron-Anstieg. Um dies zu umgehen, eignen sich transdermal applizierbare Testosteronpflaster (Androderm®), mit denen sich zirkadiane Hormonschwankungen nachahmen lassen.

Besonders praktikabel ist auch die Anwendung von Testosteron-Gel (Androtop®, Testogel®), das einmal täglich aufgetragen wird und die Patienten unabhängig von den intramuskulären Injektionen macht. Das Testosteron-Gel ist sehr gut hautverträglich und führt zu Testosteron-Serumspiegeln, die schon nach der ersten Applikation im Normbereich liegen und bei täglicher Anwendung keine Schwankungen aufweisen. In Studien hat sich das Testosteron-Gel als sehr effizient erwiesen.

Keinesfalls sind Östrogene indiziert - etliche Studien wiesen für die hochdosierte Östrogen-Therapie bei Männern eine erhöhte Mortalität auf. Ob niedrigdosierte Östrogene keinen Schaden anrichten, ist nicht untersucht.

Prostata- und Mamma-Ca müssen ausgeschlossen sein

Das Prostatakarzinom ist eine absolute Kontraindikation für eine Testosteron-Therapie. Daher müssen vor Therapiebeginn immer eine Ultraschall- oder digitale rektale Prostatauntersuchung und die PSA-Bestimmung erfolgen. Ein suspekter Befund muß abgeklärt werden, gegebenenfalls mit der Stanzbiopsie. Bei Männern mit benigner Prostatahyperplasie und deutlichen Symptomen sollte Testosteron nur vorsichtig angewendet werden. Auch eine Polyglobulie ist ebenso wie das Mammakarzinom eine Kontraindikation.

Von der Testosteron-Substitution bei älteren Männern mit Andropenie sind günstige Effekte auf den Knochenstoffwechsel, die Muskulatur, die Erythropoese, die Libido sowie die Zufriedenheit mit der Sexualität und der allgemeinen Stimmung zu erwarten. Studien belegen eine Zunahme der Knochenmasse durch Testosteron.

Allerdings steht der Beweis für eine Minderung der Frakturrate durch eine Testosteron-Substitution noch aus. Muskelmasse und -kraft nehmen zu, gleichzeitig nimmt die Fettmasse ab. Ferner wirkt sich Testosteron in der Andropenie günstig auf das Lipidprofil aus, das heißt die Werte für Gesamt- und LDL-Cholesterin sinken.

Endpunktstudien bezüglich des kardiovaskulären Risikos unter einer Testosteron-Substitution liegen nicht vor. Andererseits sind erniedrigte Konzentrationen von Testosteron mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes mellitus assoziiert, und Diabetiker weisen erniedrigte Testosteronwerte auf. Ferner ergab die Rotterdam-Studie einen Zusammenhang zwischen niedrigen Testosteron-Spiegeln älterer Männer und einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Atherosklerose.

Unter einer Substitution mit Testosteron tritt eine Stimulation der Erythropoese mit einem Anstieg des Hämatokrits um drei bis sieben Prozent ein. Eventuell ist mit der gesteigerten Sauerstofftransportkapazität eine Verbesserung der allgemeinen körperlichen Leistungsfähigkeit wie auch der Funktion einzelner Organe verbunden, bewiesen ist dies jedoch nicht. Die sexuelle Zufriedenheit älterer Männer unter Testosteron-Therapie nimmt zu, so daß besonders bei nachlassender sexueller Appetenz ein Therapieversuch unternommen werden kann.

Den positiven Wirkungen stehen potentiell nachteilige Effekte auf die Prostata gegenüber. Es erscheint allerdings unwahrscheinlich, daß die Applikation von Testosteron bei älteren Männern mit Andropenie die de-novo-Entstehung maligner Zellen fördert. Das Risiko ist eher darin zu sehen, daß vorhandene maligne Zellen in ihrer Progression gefördert werden. Etwa 50 Prozent der Männer jenseits des 70sten Lebensjahres weisen präklinische, mikroskopische Foci maligner Zellen in der Prostata auf.

Studien, die mögliche Veränderungen der Prostata unter einer Testosteron-Therapie bei älteren Männern untersuchten, ergaben in drei von sechs Untersuchungen einen signifikanten, jedoch nicht klinisch relevanten Anstieg des PSA. Bei Studien mit zwei- und dreijähriger Dauer fanden sich jedoch keine Hinweise auf eine höhere Inzidenz von Prostata-Karzinomen, einer BPH oder anderen Prostata-Erkrankungen im Vergleich zu unbehandelten Männern.

PD Dr. Friedrich Jockenhövel, Ev. Krankenhaus Herne, Wiescherstr. 24, 44623 Herne, Tel.: 02323 / 498-2051, Fax: 498-2485, E-Mail: f.jockenhoevel@evk-herne.de

 



Andropenie - ein Strauß ganz unterschiedlicher Symptome

Die klinischen Symptome einer Andropenie umfassen somatische, objektivierbare Veränderungen ebenso wie subjektive Beschwerden bis hin zu Befindlichkeitsstörungen ohne Krankheitswert. Ob tatsächlich immer ein kausaler Zusammenhang zu einem Androgenmangel besteht, ist unklar, da es kein pathognomisches Symptom für ein Testosteron-Defizit gibt. Anhand des Beschwerdebildes kann aber oft schon auf einen Androgenmangel geschlossen werden.

Nachlassende Muskelmasse und -kraft, Leistungsfähigkeit, Sexualfunktionen und eine Osteopenie führen oft zu einer teilweise erheblichen Morbidität und Minderung der Lebensqualität. Betagte Männer können sich aufgrund der Muskelatrophie schlechter selbst versorgen und werden so pflegebedürftig. Infolge einer zeitgleichen Zunahme der Fettmasse steigt das Körpergewicht trotz der Sarkopenie an.

Der Androgenmangel verursacht eine verminderte Mineralisation des Knochens mit konsekutiver Osteopenie oder Osteoporose, erkennbar an Schmerzen (Rückenschmerzen) und Myogelosen, einer erniedrigten Knochendichte oder sogar osteoporotischen Frakturen. Etwa ein Fünftel aller Oberschenkelhalsfrakturen betreffen Männer.

Nachlassende Leistungsfähigkeit durch verminderte Erythropoese

Im Alter nimmt auch die Erythropoese ab, so daß die Erythrozytenzahl und die Hämoglobin-Konzentration im Serum sinken. Die niedrigen Hämoglobin-Konzentrationen gehen mit einer reduzierten Sauerstofftransportkapazität einher. Dies kann zu chronischer Müdigkeit führen und die Minderung der Leistungsfähigkeit infolge der Muskelatrophie noch verstärken.

Für viele Männer sind die nachlassende Sexualfunktion und -aktivität besonders belastend. Heute werden überwiegend organische Störungen als Ursache einer Erektionsstörung angesehen, wobei oft eine Kombination verschiedener internistischer Erkrankungen vorliegt (etwa Diabetes mellitus, atherosklerotische Gefäßveränderungen, chronische Niereninsuffizienz, Herzerkrankungen, Hypertonie). Entsprechend ist ein Androgenmangel nur selten alleinige Ursache einer erektilen Dysfunktion.

Daher verbessert die Testosteron-Therapie eine Erektionsschwäche nur selten. Andererseits erhöhen sich bei manchen älteren Männern durch einen Ausgleich des Androgendefizits sexuelle Aktivität, Libido und Zufriedenheit mit der Sexualität. Immer mehr Studien belegen eine bessere Ansprechrate von PDE-5-Hemmern durch eine zusätzliche Testosteron-Therapie. (Jockenhövel)

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