HINTERGRUND

Viel zu viele Asthmatiker im Kampf ums Gelbe Trikot?

Von Pete Smith Veröffentlicht:

Viele der weltbesten Radsportler leiden unter Asthma. Der Spanier Oscar Pereiro gehört dazu, der bei der Tour de France im vergangenen Jahr hinter dem des Dopings überführten US-Amerikaner Floyd Landis Zweiter wurde. Pereiros Landsmann Igor Gonzales de Galdeano, einer der schnellsten Zeitrennfahrer, der seine Karriere 2005 beendete, ist Asthmatiker.

Und auch der ehemalige deutsche Radprofi und Toursieger Jan Ullrich konnte in seiner aktiven Zeit ein Attest vorweisen, das ihm erlaubte Asthmapräparate zu nehmen. Die Tatsache, dass etwa jeder zweite Radprofi ein ärztlich attestiertes Asthma hat, gibt immer wieder Anlass zu Dopingspekulationen. Allerdings ist unter Experten auch unumstritten, dass Hochleistungssportler, vor allem solche in Ausdauersportarten, generell ein höheres Risiko haben, Asthma bronchiale zu entwickeln.

Klare Regeln für die Einnahme von Arzneien

Für die Einnahme von Asthma-Präparaten hat die Welt-Anti-DopingAgentur (WADA) klare Regeln geschaffen. In der aktuellen Dopingliste sind zunächst alle Beta-2-Agonisten verboten. Mit einer so genanntenMedizinischen Ausnahmegenehmigung (abbreviated Therapeutic Use Exemption - ATUE) dürfen Sportler jedoch die Wirkstoffe Formoterol, Salbutamol, Salmeterol und Terbutalin, einsetzen. Allerdings nur wenn sie durch Inhalation angewendet werden, eine orale Applikation ist nicht erlaubt.

Trotz der Erteilung einer ATUE gilt eine Salbutamol-Konzentration von mehr als 1000 Nanogramm pro Milliliter als positives Analyseergebnis und führt zu einer Sperre. Es sei denn, der betroffene Athlet kann den Nachweis erbringen, dass das abnorme Ergebnis die Folge des therapeutischen Gebrauchs von inhaliertem Salbutamol war. Es gilt in hoher Dosierung als leistungssteigernd, da es anabol wirksam ist.

Beim diesjährigen Giro d‘Italia sind die beiden italienischen Weltklasse-Fahrer Alessandro Petacchi und Leonardo Piepoli positiv auf Salbutamol getestet worden. Der bei Petacchi festgestellte Wert lag bei 1320 Nannogramm pro Milliliter. "Vielleicht habe ich einmal zu oft gesprüht", erklärte Petacchi den überhöhten Wert. Ganz bestimmt habe er sich jedoch nicht dopen wollen. Auch Piepoli wies jede Schuld von sich. "Ich habe Salbutamol zur Behandlung meiner Allergie benutzt. Das stimmt. Ich weiß nicht, wie viel Salbutamol ich inhaliert habe. Ich nehme es so oft ich es brauche. Das hängt immer von der Jahreszeit ab", sagt der Kletterspezialist.

Sprühflasche explodiert?

Auch die deutsche Mountainbike-Fahrerin Ivonne Kraft fiel in diesem Jahr mit einem positiven Befund auf, der auf den Konsum eines Asthmapräparats, in diesem Fall Fenoterol, zurückging. Die Erklärung der Nationalfahrerin: Ihre Mutter habe den Inhaler nicht geöffnet bekommen und daher damit heftig auf den Tisch geklopft. Die Sprühflasche sei explodiert, dadurch sei eine hohe Dosis entwichen, von der sie selbst etwas eingeatmet habe. Das Bundessportgericht des Bundes Deutscher Radfahrer erteilte der Dettenheimerin daraufhin einen Verweis.

Bei internationalen Radsportveranstaltungen weisen zwischen 50 und 75 Prozent der Radprofis eine ärztliche Ausnahmegenehmigung zur Einnahme von Asthma-Mitteln vor. Das Problem konzentriert sich jedoch nicht nur auf den Radsport. Betroffen sind unter anderen auch Sportarten wie Langstreckenlauf, Schwimmen und Skilanglauf. Bei Olympischen Sommerspielen können in der Regel etwa 20 Prozent der teilnehmenden Athleten ein Asthma bronchiale nachweisen, bei Winterspielen legen bis zu 70 Prozent Bescheinigungen vor, um entsprechende Präparate einnehmen zu dürfen, ohne nachteilige Konsequenzen fürchten zu müssen. Zum Vergleich: In der Normalbevölkerung leiden etwa fünf Prozent der Erwachsenen an Asthma bronchiale.

Eine Studie, die im Jahr 2000 bei der Jahrestagung der European Respiratory Society vorgelegt wurde, belegt, dass die Asthma-Raten in manchen Sportarten tatsächlich erhöht sind. Intensives Training könne die Entwicklung eines überempfindlichen Bronchialsystems begünstigen, heißt es darin.

Bei Schwimmern etwa gilt das ständige Einatmen chloridhaltigen Wassers als asthmafördernd, bei Skilangläufern das Einatmen trockener und kalter Luft, die die Bronchialschleimhaut abkühlt und austrocknet. Auch Radfahrer und Marathonläufer sind danach gefährdet. Für medizinische Ausnahmegenehmigungen zur Einnahme eines Asthmapräparats sind das Attest eines Pneumologen sowie entsprechende Untersuchungsergebnisse vorzulegen. Der Antrag des Athleten wird dann von einem unabhängigen Ärztekomitee geprüft.



FAZIT

Es gibt Radrennen, bei denen bis zu 75 Prozent der beteiligten Profis Ausnahmegenehmigungen für die Einnahme von Asthmamedikamenten vorlegen. Manche Experten bezweifeln jedoch, ob alle Athleten, die über ein ärztliches Attest verfügen, wirklich Asthmatiker sind. Als bei der Tour de France 2006 etwa 60 Prozent der 105 getesteten Fahrer Ausnahmegenehmigungen vorlegen konnten, sagte Pierre Bordry, Leiter der französischen Anti-Doping-Agentur: "Diese Zahl lässt einen glauben, dass dahinter mitunter Doping versteckt wird."

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