Vierjährige stopft sich mit Haaren und Fasern voll

WIESBADEN (ner). Magensteine, also Konvolute aus verschluckten Haaren oder Pflanzenfasern, galten im Mittelalter als Glücksbringer - wohl wegen ihrer Seltenheit. Selten sind diese Gastrolithen oder Bezoare im Gastrointestinaltrakt noch immer, besonders bei Kleinkindern. Von glücksbringenden Effekten kann dagegen keine Rede sein.

Veröffentlicht:

Viszeralchirurgen aus Wiesbaden haben einer Vierjährigen, die wegen eines deutlich reduzierten Allgemein- und Ernährungszustandes vorgestellt worden war, operativ ein riesiges Trichobezoar entfernt. Das steinharte Gebilde hatte bereits den ganzen Magen wie ein Ausgußpräparat verlegt mit einem etwa 30 cm langen zopfartigen Anteil, der weit in den Dünndarm hineinreichte, so Dr. Ines Gockel und ihre Kollegen (Der Chirurg 74, 2003, 753). Wegen dieser Morphologie wird in solchen Fällen auch vom Rapunzel-Syndrom gesprochen.

Das Mädchen hatte fünf Kilo Körpergewicht verloren

Gockel macht auf die typischen Symptome aufmerksam, die zu der Verdachtsdiagnose führen können. So hatte das Mädchen immer wieder abdominelle Schmerzen und wenig Appetit. Zugleich fiel eine starke Alopecia areata auf. Das Gewicht hatte in den vergangenen Monaten um fünf Kilogramm abgenommen. Bei der klinischen Untersuchung war ein gut verschieblicher Tumor im Oberbauch tastbar. Sonographie und radiologische Kontrastmitteldarstellung des oberen Gastrointestinaltraktes bestätigten die Diagnose.

Versuch der endoskopischen Entfernung scheiterte

Außer der Alopezie sollte auch auf Hautveränderungen an Kopf, Augenlidern und Augenbrauen geachtet werden, meinen die Wiesbadener Chirurgen und Kinderärzte.

Wegen der großen Ausdehnung des Bezoars scheiterten Versuche, die harte Masse endoskopisch zu zerkleinern und zu entfernen. Es mußte offen operiert werden. Die Magenmukosa des Mädchens sei weder ulzeriert noch anderweitig verändert gewesen, so Gockel. Prinzipiell kann es jedoch zu Blutungen, Perforationen mit Peritonitis, Ulzera, Pankreatitis oder einer Appendizitis kommen.

Ursache von Trichobezoaren sind oft schwere psychische Krankheiten, Psychiater sprechen auch vom Pica-Syndrom, einem Begriff, der sich von der lateinischen Bezeichnung der Elster (Pica pica) herleitet, die bekanntlich mit dem Schnabel alle möglichen Objekte packt, um sie für den Nestbau zu nutzen. So war auch den Eltern des Mädchens schon ein Jahr zuvor aufgefallen, daß es Fasern von Wolldecken, Kuscheltieren oder vom Teppich verspeist hatte, wenn es sich unbeobachtet fühlte. Zur Prophylaxe von Rezidiven ist daher eine psychiatrische Therapie nötig.

Mehr Infos: http://www.psychosoziale-gesundheit.net/psychiatrie/pica.html

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Schwierige Therapiesituation

Kopfschmerzen bei Kindern: Diese Optionen gibt es

Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Maximale Vitamin-C-Blutspiegel nach oraler (blau) und parenteraler (orange) Tagesdosis-Gabe.

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Infusion

Parenterale Gabe erzielt hohe Plasmakonzentrationen an Vitamin C

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
7-Jahres-Daten belegen günstiges Nutzen-Risiko-Profil von Ofatumumab

© Vink Fan / stock.adobe.com

Aktive schubförmige Multiple Sklerose

7-Jahres-Daten belegen günstiges Nutzen-Risiko-Profil von Ofatumumab

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novartis Pharma GmbH, Nürnberg
Porträts: [M] Feldkamp; Luster | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

© Portraits: [M] Feldkamp; Luster | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

„ÄrzteTag extra“-Podcast

Die Schilddrüse tickt in jedem Lebensalter anders

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Frankfurt am Main
Abb. 1: Studie DECLARE-TIMI 58: primärer Endpunkt „kardiovaskulärer Tod oder Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz“ in der Gesamtkohorte

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [4]

Diabetes mellitus Typ 2

Diabetes mellitus Typ 2 Präventiv statt reaktiv: Bei Typ-2-Diabetes mit Risikokonstellation Folgeerkrankungen verhindern

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Neuer Verschlüsselungsalgorithmus in der TI

gematik verlängert Frist für Austausch der E-Arztausweise

Lesetipps
Mit einer eher seltenen Diagnose wurde ein Mann in die Notaufnahme eingeliefert. Die Ursache der Hypoglykämie kam erst durch einen Ultraschall ans Licht.

© Sameer / stock.adobe.com

Kasuistik

Hypoglykämie mit ungewöhnlicher Ursache

Die Glaskuppel zur Notfallreform: Zustimmung und Zweifel

© undrey / stock.adobe.com

Kolumne aus Berlin

Die Glaskuppel zur Notfallreform: Zustimmung und Zweifel