DGK-Jahrestagung

Warum gerade Kardiologen zur Influenza-Impfung raten sollten

Eine Influenza-Impfung schützt Herzpatienten offenbar ähnlich gut vor kardiovaskulären Ereignissen wie Statine oder Blutdrucksenker. Was Kardiologen vor der Impfung mit Patienten besprechen sollten.

Veronika Schlimpert Veröffentlicht:
Grippe-Impfung: Der saisonale Schutz beugt offenbar auch kardiovaskulären Ereignissen vor.

Grippe-Impfung: Der saisonale Schutz beugt offenbar auch kardiovaskulären Ereignissen vor (Symbolbild mit Fotomodellen).

© Maya Kruchancova/stock.adobe.com

Neu-Isenburg. „Zur erfolgreichen Sekundärprävention bei KHK-Patienten gehört die Influenza-Impfung“, betont Professor Ralf Dechend. „Bitte reden Sie mit Ihren Patienten über den Schutz und empfehlen Sie diesen im Arztbrief an den Hausarzt“, riet der in Berlin tätige Kardiologe bei einem Vortrag während der „DGK-Jahrestagung/Herztage“.

In diesem Jahr sei der Impfschutz wegen der COVID-19-Pandemie besonders wichtig, und zwar, um die Patienten vor einer Doppelinfektion zu schützen, zum anderen auch, um das Gesundheitssystem zu entlasten. Nach einer Influenza-Infektion kann es zudem zu einer Exazerbation der chronischen Grunderkrankung kommen, das gilt zum Beispiel auch für Diabetes, COPD und Asthma, so Dechend.

Impfquoten bisher zu niedrig

Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Grippeimpfung ausdrücklich für Patienten mit kardiovaskulären Vorerkrankungen. Standard ist der quadrivalente Impfstoff. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fordert bei chronisch Kranken allgemein eine Impfquote von 75 Prozent. Je nach Bundesland liegen die Raten aber hierzulande nur zwischen 20 (in Baden-Württemberg) und 54 Prozent (in den neueren Bundesländern).

In Umfragen gaben 2018 mehr als die Hälfte der befragten chronisch kranken Patienten an, dass sie eine Grippeimpfung „für weniger wichtig“ erachten. Die Auswirkungen einer Influenza-Infektion werden offenbar häufig unterschätzt, Dechend. Viele hielten die Infektion nur für ein vorübergehendes Ärgernis.

Hohe kardiovaskuläre Sterblichkeit

Während der Spanischen Grippe von 1918 sei die Übersterblichkeit vor allem auf die Zunahme kardiovaskulärer Ereignisse zurückzuführen gewesen, so Dechend. Sieben bis zehn Tage nach der Infektion stieg das Risiko deutlich an. Schon 1932 sei berichtet worden, dass bis zu 46 Prozent der Übersterblichkeit bei Influenza-Epidemien auf das Konto „organischer Herzerkrankungen“ geht.

Ähnlich wie bei COVID-19 treten auch bei Influenza Komplikationen vor allem bei älteren Menschen auf. Ursache sind unter anderen auch die häufigen kardiovaskulären Erkrankungen im Seniorenalter. Ein Teufelskreis: Menschen mit kardiovaskulären Erkrankungen haben ein erhöhtes Risiko für eine Influenzainfektion. Diese geht wiederum mit einem erhöhten Herzinfarkt-Risiko einher. So war in Metaanalysen das Infarkt-Risiko in den ersten drei Tagen nach der Influenza im Vergleich zu anderen Zeiträumen 5,8-fach erhöht.

Kausaler Zusammenhang?

Diese Befunde aus Beobachtungsstudien können allerdings nicht beweisen, dass die Impfung auch das Herz schützt. Nach Ansicht von Dechend ist aber eine Cochrane-Metanalyse von Beobachtungsstudie „sehr überzeugend“ dafür: Die Grippeimpfung war bei geimpften Risikopatienten im Vergleich zu ungeimpften mit einer um 55 Prozent geringeren kardiovaskulären Sterblichkeit verbunden. Bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz ergab sich bei Geimpften in einer Metaanalyse im Vergleich zu Ungeimpften eine 17 Prozent geringere Gesamtsterberate.

Um die Kausalität zu klären, laufen zurzeit drei randomisierte kontrollierte Studien mit herzkranken Patienten, berichtete Dechend. Die Teilnehmer enthalten entweder den Impfstoff oder ein Placebo. Die Ergebnisse seien in zwei bis drei Jahren zu erwarten.

Was ist zu besprechen?

Vor einer Impfung sollte dem Patienten vermittelt werden:

  • Aufgrund der Wandelbarkeit der Influenzaviren ist die Grippeimpfung niemals optimal, und bietet deshalb keinen 100-prozentigen Schutz,
  • die Impfung verhindert aufgrund der Häufigkeit der Influenza trotzdem viele Erkrankungen oder sie mildert den Verlauf ab,
  • viele „grippe-ähnliche“ Erkrankungen im Winter werden nicht durch Influenzaviren, sondern andere Erreger verursacht,
  • die Impfung ist gut verträglich, der Totimpfstoff kann weder eine Erkrankung auslösen noch können Impfviren an Dritte weitergegeben werden, leichte fieberhafte Impfreaktionen sind möglich, sie sind Teil der gewünschten Immunantwort,
  • für eine Impfung ist es selbst bei bereits anlaufender Grippewelle nicht zu spät.

Auch Ärzte und Pflegepersonal sollten sich impfen lassen, zum Eigenschutz und Schutz ihrer Patienten, betont Dechend. Wichtig ist der Arzt als Vorbild: Speziell für Herzpatienten ist die Empfehlung ihres Kardiologen sehr wichtig.

Alle Vorträge von der DGK-Jahrestagung/Herztagen sind „on demand“ abrufbar: https://dgk.meta-dcr.com/jtht2020/

Mehr Informationen zur Kardiologie: www.springermedizin.de

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