Wie läßt sich Atemnot bei Tumorpatienten effizient lindern?

Dyspnoe ist bei Palliativpatienten häufig. Im Endstadium einer Tumorerkrankung (Terminalphase) tritt sie bei 40 bis 60 Prozent der Patienten auf, in den letzten 24 Lebensstunden (Finalphase) bei fast 80 Prozent. Für die Therapie stehen außer Allgemeinmaßnahmen wie Entspannungsverfahren und Hochlagerung des Oberkörpers auch Medikamente wie Bronchodilatatoren, Glukokortikoide, Opioide und Anxiolytika zur Verfügung.

Veröffentlicht:

Katri Elina Clemens und Eberhard Klaschik

Die Dyspnoe ist das unangenehme subjektive Symptom der Atemnot, dessen Ausmaß nur der Patient selbst beurteilen kann. Sie wird jedoch wie kaum ein anderes Symptom vom Patienten als lebensbedrohlich empfunden. Angst, Unruhe und Panik sind häufig die Folgen.

Eine Dyspnoe kann verschiedene Ursachen haben: pulmonale, extrapulmonale, kardiale, neuromuskuläre, psychogene oder hämatogene. Bei Palliativpatienten sind obstruktive und restriktive Ventilationsstörungen die häufigsten Ursachen einer Dyspnoe; beide führen zu einer vermehrten Atemarbeit, z. B. einer erhöhten Atemfrequenz (Tachypnoe) und / oder vermehrten (Atem-)Muskelarbeit.

Nur wenn das respiratorische System diesem Ventilationsbedarf gerecht werden kann, ist eine Eupnoe (normale Ruheatmung) möglich. Wird dieser erhöhte Ventilationsbedarf nicht gestillt, tritt Dyspnoe auf, ebenso wie in der Situation, wenn die erhöhte Atemarbeit mechanisch nicht geleistet werden kann.

Sauerstoffmangel ist erst bei ausgeprägter Hypoxie (Abfall des arteriellen Sauerstoffpartialdruckes, paO2 < 50 mmHg) oder bei Hypoxigenation (erniedrigte Sauerstoffsättigung, SaO2 < 90 Prozent) Ursache einer Atemnot. Im Gegensatz dazu führt ein Anstieg des arteriellen Kohlendioxidpartialdruckes (paCO2 > 42 mmHg) sehr frühzeitig zur Steigerung des Atemminutenvolumens.

Die Abklärung einer obstruktiven oder restriktiven Ventilationsstörung erfolgt bei Palliativpatienten durch klinische, den Patienten nicht belastende Maßnahmen (z. B. Röntgen-Thorax oder Ultraschall). In der Regel reicht es aus, die Diagnose aufgrund von Anamnese und sorgfältiger klinischer Untersuchung zu stellen.

Diagnostische Maßnahmen sind - wie grundsätzlich bei allen Patienten - auch bei Palliativpatienten nur dann indiziert, wenn daraus therapeutische Konsequenzen gezogen werden können und diese für den Patienten zumutbar sind. Röntgen-Thorax-Aufnahmen oder Ultraschalluntersuchungen sind relativ häufige, den Patienten wenig belastende diagnostische Maßnahmen. Blutgasanalysen sind extrem selten notwendig; Lungenfunktionsprüfungen sind in der Regel einem Palliativpatienten nicht zuzumuten.

In der Rehabilitationsphase können außer medikamentösen Maßnahmen auch Strahlentherapie, interventionelle Radiologie, Laser- und Kryotherapie, Punktionen von Pleuraergüssen oder Aszites therapeutisch sinnvolle Optionen sein. In der Finalphase (Sterbephase) sind diese interventionellen Therapien nicht mehr indiziert. Hier zielen die palliativmedizinischen Strategien bei Patienten mit Dyspnoe auf eine Abnahme der Atemarbeit sowie auf deren Wahrnehmung der Atemnot und die Reaktion auf diese Wahrnehmung.

Grundsätze der Behandlung bei Dyspnoe sind:

  • Der Nutzen einer therapeutischen Maßnahme muß für den Patienten größer sein als die möglichen Risiken und Belastungen; die Therapie muß sinnvoll und zumutbar sein.
  • Neue Probleme wie Zunahme der Dyspnoe oder andere belastende Symptome durch therapeutische Maßnahmen (z. B. Strahlenfibrose, Lungenödem) müssen vermieden werden.
  • Der Patient sollte über Vor- und Nachteile aufgeklärt werden, und die Entscheidung des Patienten muß respektiert werden.

Zu den wichtigen Allgemeinmaßnahmen gehören Entspannungsverfahren, Tragen nicht beengender Kleidung, Hochlagerung des Oberkörpers, ruhige Umgebung, Einsatz eines (Hand-) Ventilators und frische Luft.

Sekretolytika sind nur indiziert, wenn der Patient abhusten kann

Für die medikamentöse Therapie von Patienten mit Atemnot stehen Bronchodilatatoren, Glukokortikoide, Opioide und Anxiolytika zur Verfügung. Bronchodilatatoren sind bei obstruktiven Ventilationsstörungen von großem Wert, Sekretolytika dagegen sind nur dann indiziert, wenn der Patient in der Lage ist, abzuhusten. Dies ist bei Patienten in der Finalphase selten der Fall. Deswegen ist bei sterbenden Menschen primär eine Sekrethemmung durch Applikation von Parasympatholytika indiziert.

Morphin ist das Opioid, das am häufigsten zur Reduktion einer Atemnot verwendet wird. Hat der Patient bisher keine starken Opioide bekommen, sollten Morphin-Tropfen 2,5 bis 10 mg alle vier Stunden verabreicht werden, sofern keine unerwünschten Wirkungen auftreten.

Alternativ kann Morphin 2,5 bis 5 mg subkutan im Abstand von vier Stunden oder 1 bis 2 mg intravenös in Abständen von 5 bis 10 min gegeben werden, bis eine Atemfrequenz von 15 - 20 / min erreicht ist. Zusätzlich ist zu beachten, daß zu Beginn einer Opioidtherapie bei bekannten Nebenwirkungen (Übelkeit / Erbrechen, Obstipation) antizipatorisch behandelt werden muß. Bei Patienten, die über Atemnot klagen und bereits Morphin erhalten, sollte die aktuelle Morphintagesdosis um 30 bis 50 Prozent erhöht werden.

Wenn die Dyspnoe mit Angst oder Panik verbunden ist, die durch Morphin alleine nicht genügend gelindert werden können, erhält der Patient zunächst Lorazepam 1 bis 2,5 mg sublingual und dann zusätzlich Morphin 1 bis 2 mg intravenös.

Die positive Wirkung von Morphin bei Dyspnoe hat mehrere Ursachen: Es kommt zu einer

  • Erhöhung der Toleranz von erhöhten CO2-Werten. Unruhe oder Angst werden reduziert, und die gesteigerte Atemarbeit nimmt ab;
  • Senkung der Atemfrequenz und Erhöhung des Atemzugvolumens, hierdurch wird die Atmung ökonomisiert. Als Folge bessert sich die CO2-Elimination;
  • Dämpfung der emotionalen Reaktion am limbischen System.

Die therapeutischen Strategien zielen darauf ab, die Atemarbeit dadurch zu beeinflussen, daß der Ventilationsbedarf und Atemwegswiderstand so gering wie möglich gehalten werden. Zugleich wird versucht, durch Beeinflussung des Atemzentrums die emotionale Reaktion auf die Wahrnehmung der Luftnot zu minimieren.

Die Sauerstoff-Insufflation über Sonde hat keinen Einfluß auf den Ventilationsbedarf, beseitigt keine Obstruktion und hat deswegen nur einen Placeboeffekt. Die Sauerstoffapplikation zur Symptomkontrolle der Dyspnoe ist nur dann indiziert, wenn eine Hypoxie oder Hypoxigenation Ursache der Dyspnoe ist.

Dr. Katri Elina Clemens, Prof. Dr. Eberhard Klaschik, Zentrum für Palliativmedizin, Universität Bonn, Abt. für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Palliativmedizin und Schmerztherapie, Malteser Krankenhaus Bonn-Hardtberg, Von-Hompesch-Str. 1, 53123 Bonn-Hardtberg, Tel.: 0228 / 6481-13169, Fax: 6481-851, E-Mail: katri-elina.clemens@malteser.de

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