Regierungsprogramm

Hamburger Senat erwägt Umverteilung von Arztpraxen

Die Koalitionsverhandlungen in Hamburg offenbaren Pläne zur künftigen Gesundheitspolitik. So will Rot-Grün die aus ihrer Sicht ungleichmäßige Verteilung der niedergelassenen Ärzte ändern – die KV kündigt Widerstand an.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Zwei Monate nach der Bürgschaftswahl in Hamburg haben SPD und Grüne am 23. Mai Koalitionsverhandlungen aufgenommen. Im Bild: Der Erste Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD, M) und Melanie Leonhard (3.v.r), SPD-Landesvorsitzende und Senatorin für Arbeit, Soziales, Familie und Integration.

Zwei Monate nach der Bürgschaftswahl in Hamburg haben SPD und Grüne am 23. Mai Koalitionsverhandlungen aufgenommen. Im Bild: Der Erste Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD, M) und Melanie Leonhard (3.v.r), SPD-Landesvorsitzende und Senatorin für Arbeit, Soziales, Familie und Integration.

© Christian Charisius / dpa

Hamburg. Die rot-grünen Koalitionsverhandlungen in Hamburg sind abgeschlossen. Die künftige Gesundheitspolitik trägt die Handschrift der scheidenden Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD). Neu ist, dass es künftig keine eigene Gesundheitsbehörde mehr geben wird. Das Amt für Gesundheit mit seinen mehr als 200 Mitarbeitern wird mit einer eigenen Staatsrätin in die Sozialbehörde von Hamburgs SPD-Chefin Melanie Leonhard integriert. Nicht jedes Detail aus dem rund 200-seitigen Koalitionsvertrag stößt bei der KV Hamburg auf Zustimmung.

Bei der Vorstellung der Ergebnisse betonte Prüfer-Storcks die „soziale Handschrift“, die die Partner verankert hätten. Die Gesundheitspolitik werde danach ausgerichtet, dass benachteiligten Menschen geholfen werde. Ein wichtiger Punkt: Die aus ihrer Sicht ungleichmäßige Verteilung von niedergelassenen Ärzten.

Die künftige Regierung will dies ändern – „mit allen uns zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten“, wie Prüfer-Storcks ankündigte. Sie sagte: „Wir haben eine gute Ausstattung mit Ärzten, aber nicht immer an der richtigen Stelle“.

KV-Chef verwahrt sich gegen Bevormundung

Damit berührt sie bei der KV einen wunden Punkt. In den vergangenen Jahren waren die unterschiedlichen Meinungen zu dieser Frage mehrfach deutlich geworden. Die KV hatte in Untersuchungen gezeigt, wie schnell Patienten in Hamburg Arztpraxen erreichen können, auch wenn nicht jede Fachrichtung in jedem Stadtteil vertreten ist. Die künftigen Regierungspartner sehen in der nicht gleichmäßigen Verteilung dennoch einen Nachteil für Bewohner der Bezirke, in denen es weniger Arztpraxen gibt.

Hamburgs KV-Chef Walter Plassmann reagierte mit Sarkasmus: „Wenn solche Untoten wieder ans Licht kommen, ist dies ein untrügliches Zeichen für das Ende der Pandemie-Gefahr.“ Er kündigte Gegenwehr gegen die „staatliche Bevormundung“ an und verwies darauf, dass Ärzte sich bei ihrer Standortwahl oft an der Erreichbarkeit für die Patienten orientieren und sich deshalb etwa in Einkaufszentren oder an Verkehrsknotenpunkten niederlassen. „Statistische Planspiele von Behörden oder Bezirkspolitikern sind nur kontraproduktiv“, so Plassmann.

Gegen Finanzinvestoren vorgehen

Er erinnerte die Politik außerdem an die Rahmenbedingungen, mit denen sie die Entstehung größerer Ärztezentren begünstigt – was zwangsläufig zu einer Konzentration der Standorte führe. Der KV-Chef forderte deshalb, das Vordringen von Finanzinvestoren im Gesundheitswesen zu stoppen und die Freiberuflichkeit der Ärzte zu respektieren.

Weitere Punkte aus den Verhandlungen zur Gesundheitspolitik:

  • In Stadtteil-Gesundheitszentren sollen sich Fallmanager um eine bessere Abstimmung zwischen Pädiatern, Hausärzten mit der Sozialberatung und anderen Gesundheitsberufen kümmern.
  • Der Öffentliche Gesundheitsdienst soll personell und strukturell deutlich gestärkt werden. Für Prüfer-Storcks hat sich die Bedeutung des ÖGD in der Pandemie erneut gezeigt. Ein weiterer Ausbau des ÖGD soll nun an die Bevölkerungsentwicklung gekoppelt werden.
  • Zu den künftigen Klinikinvestitionen in der Hansestadt nannte Prüfer-Storcks zwar keine Zahlen, kündigte aber eine deutliche Aufstockung an. Dafür wird schon der geplante Neubau des Krankenhauses Altona sorgen, unter dem, wie die Senatorin betonte, die Investitionen an anderen Kliniken nicht leiden sollen: „Das wird zusätzlich investiert.“
  • Zur Medikationssicherheit sollen in den Krankenhäusern künftig Stationsapotheker vorgeschrieben werden.
  • Eine Kurzzeitpflege an den Krankenhäusern soll verhindern, dass ältere Patienten nach einem Klinikaufenthalt in ein Betreuungsloch fallen.
  • Medizinstudium: An der Universität sollen künftig wie in einigen anderen Ländern zehn Prozent der Medizinstudienplätze für Bewerber vorgehalten werden, die künftig als Hausarzt oder im ÖGD arbeiten werden.
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