„Life-Talk“ der Ärztekammer Niedersachsen

Vor der Landtagswahl: Blick auf Baustellen im niedersächsischen Gesundheitssystem

Kammer-Vize Renneberg diskutierte vor der Niedersachsen-Wahl mit Landtagsabgeordneten über Ärztemangel, Studienplätze, Krankenhäuser, Hitze – und aggressive Patienten.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Welche Partei hat das beste Rezept für die gesundheitspolitischen Herausforderungen im Flächenland? In Niedersachsen wird am 9. Oktober der neue Landtag gewählt.

Welche Partei hat das beste Rezept für die gesundheitspolitischen Herausforderungen im Flächenland? In Niedersachsen wird am 9. Oktober der neue Landtag gewählt.

© Julian Stratenschulte/dpa

Hannover. Mehr Studienplätze, mehr Geld für Krankenhäuser und Hitzeschutzpläne in jeder Kommune. Am Montagabend diskutierten in Hannover im „Life-Talk“ der Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN) die Landtagsabgordenten Meta-Janssen-Kucz (Grüne), Dr. Stefan Birkner (FDP) und die stellvertretende ÄKN-Präsidentin Dr. Marion Charlotte Renneberg die aktuelle Fragen der niedersächsischen Gesundheitspolitik. Hintergrund: Am 9. Oktober ist Landtagswahl.

Das große Thema im Flächenland Niedersachsen ist der Ärztemangel. Alle Talk-Gäste begrüßten die 200 zusätzlichen Studienplätze, die an den drei medizinischen Fakultäten in Oldenburg, Göttingen und Hannover eingerichtet werden sollen. Aber Janssen-Kucz mahnte zugleich angesichts von Platzproblemen bei den medizinischen Fakultäten, die neuen Studienplätze den Universitäten „nicht überzustülpen“.

Keine Zustimmung zur Landarztquote

Einig waren sich die Diskutierenden in der Ablehnung der Landarztquote. Man müsse den Beruf für die jungen Leute attraktiver machen, sagte Renneberg, „und dazu gehört vor allem der Abbau der Bürokratie in den Praxen.“ Derzeit bleibe immer weniger Raum für die Patientenversorgung. „Haben dazu junge Ärztinnen und Ärzte noch Lust?“, fragte die Vizepräsidentin.

Den Hilferuf der niedersächsischen Krankenhäuser dürften die beiden Abgeordneten gehört haben. Erst im Juni hat der Krankenhaus-Planungsausschuss das Volumen des Investitionsprogramms von bislang 120 auf erstmalig 150 Millionen Euro aufgestockt. Trotzdem schlagen die Häuser jetzt Alarm. Die Krankenhäuser stünden angesichts steigender Preise für Energie, Lebensmittel Medikamente und medizinsicher Versorgung derzeit vor einer Zerreißprobe. Drei Vierteln der Kliniken drohe womöglich die Insolvenz.

„Hier muss gegebenenfalls das Land in die Pflicht genommen werden“, sagte Birkner. „Die öffentlichen Investitionen sind ein zentraler Bereich in der kommenden Legislaturperiode. Sie betragen 4,3 Milliarden Euro – ohne Medizinstudiengänge. Wenn wir die Krankenhausinvestitionen noch dazu nehmen sind wir locker in einem zweistelligen Milliardenbereich“, sagte Birkner.

Schleppender Ausbau der digitalen Infrastruktur

Problematisch auch der schleppende Ausbau digitalen Infrastruktur, vor allem in ländlichen Gebieten. Hier bestehe dringender Nachholbedarf, waren sich die Talk-Gäste einig. „Der digitale Ausbau gehört zur Daseinsvorsorge“, sagte Janssen-Kucz. Ohne digitale Anbindung sei Telemedizin auf dem Land unmöglich, mahnte Birkner. „Den Ausbau der Breitbandanschlüsse treiben wir derzeit voran.“ Viele chronisch kranke Patienten brauchen die digitale Anbindung, betonte ÄKN-Vize Renneberg. „und zwar bis zur letzten Milchkanne. „Wir können sonst die Gesundheitsstrukturen nicht aufrechterhalten.

Wie umgehen mit aggressiven Patientinnen und Patienten? Das Problem habe in den vergangenen Jahren sehr zugenommen, sagten unisono Janssen-Kucz und Renneberg. „Solche Straftaten müssen konsequenter und eventuell über Schwerpunktstaatsanwaltschaften verfolgt werden“, sagte Grünenpolitikerin Jannsen-Kucz.

Hitzeschutzpläne für jede Kommune

Tatsächlich würden hier viele Verfahren eingestellt, sagte Birkner, der selber Staatsanwalt und Richter gewesen ist. Allerdingst hält der Jurist in diesem Fall nichts von Schwerpunktstaatsanwaltschaften. „Die Fälle sind nicht so kompliziert, sagte Birkner. „Wir benötigen vor allem Ressourcen.“ Renneberg sprach sich sogar für ein Meldesystem aus, um die Konflikte in den Griff zu bekommen.

Auch ein anderes Problem zeigt sich besonders auf dem Land: der mangelnde Schutz vor Hitze. „In vielen Pflegeheimen sind wir inzwischen gewappnet“, sagte Renneberg. „Aber alte Menschen und chronisch Kranke auf dem Land können sich nicht selber helfen“ und litten unter den Hitzeperioden besonders. Janssen-Kucz forderte Hitzeschutzpläne in jeder Kommune. FDP-Mann Birkner sprach sich für eine „Klimafolgenanpassungsstrategie“ aus, in der die Gesundheitsversorgung eine zentrale Rolle spielen müsse. „Die inhaltlichen Vorschläge hierzu müssten aus dem Gesundheitssystem kommen – dazu müsste die Finanzierung sichergestellt werden.“

Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Der Gesundheitsdialog

© Janssen-Cilag GmbH

J&J Open House

Der Gesundheitsdialog

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

© Springer Medizin

Johnson & Johnson Open House-Veranstaltung am 26. Juni 2025 beim Hauptstadtkongress

Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
J&J Open House beim Hauptstadtkongress

© [M] Springer Medizin Verlag

Video zur Veranstaltung

J&J Open House beim Hauptstadtkongress

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Leitliniengerechte Therapie mit DiGA

© Paolese / stock.adobe.com (Model mit Symbolcharakter)

Neuer Therapieansatz bei erektiler Dysfunktion

Leitliniengerechte Therapie mit DiGA

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Kranus Health GmbH, München

Weniger Bürokratie

Wie nützt Digitalisierung?

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Verband forschender Pharma-Unternehmen (vfa)
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Hidradenitis suppurativa

Wie Acne inversa erkannt und behandelt wird

Abklärung von Ursachen

Eisenmangelanämie: Höhere Ferritin-Untergrenze für mehr Sicherheit?

Lesetipps
Hausärztin Claudia Kreuzer

© Josie Farquharson (Jfqphotos)

Praxisübernahme

Wie es einer Kollegin nach dem ersten Jahr der Niederlassung geht

Viele Diabetes-Patienten haben eine begleitende Depression, die wiederum die Prognose des Diabetes verschlechtern kann. Patienten mit Diabetes auf Depressionen zu screenen und gegebenenfalls zu therapieren, kann diesen Teufelskreis durchbrechen. (Symbolbild)

© AlexanderNovikov / stock.adobe.com

Eine gefährliche Kombination

Diabetes und Depressionen gehen oft Hand in Hand