DKV-Report

Deutschland ist auf dem Weg zur Vielsitzer-Nation

Der Krankenversicherer DKV hat das Wohlbefinden der Bundesbürger untersucht. Die Ergebnisse zeigen: Gefühlte und tatsächliche Gesundheit liegen teils weit auseinander.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Homeoffice in Corona-Zeiten verstärkt den Trend zum Zuviel-Sitzen.

Homeoffice in Corona-Zeiten verstärkt den Trend zum Zuviel-Sitzen.

© Finn Winkler/dpa

Köln. Deutschland braucht eine gesamtgesellschaftliche Debatte über das Thema Gesundheit, findet Professor Ingo Froböse, Leiter des Instituts für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation an der Deutschen Sporthochschule Köln. Im Fokus sollten dabei Strategien zur Bewegungsförderung und zum besseren Umgang mit Stress gehen, sagte Froböse bei der Vorstellung des DKV-Reports 2021 „Wie gesund lebt Deutschland?“

Für den Bericht haben die Deutsche Krankenversicherung AG (DKV) und die Deutsche Sporthochschule zum sechsten Mal seit 2010 das Gesundheits- und Bewegungsverhalten der Deutschen untersucht. Basis war eine Telefonbefragung von 2800 Personen ab 18 Jahren in der Zeit vom 23. März bis zum 7. Mai 2021.

„Deutschland ist auf dem Weg zur Vielsitzer-Nation“, nannte Froböse als wissenschaftlicher Leiter der Studie ein zentrales Ergebnis der Befragung. Die Menschen sitzen pro Werktag im Schnitt 8,5 Stunden. Zum Vergleich: 2018 war es noch eine Stunde weniger. Bei den jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 29 Jahren sind es sogar 10,5 Stunden pro Tag.

19 Prozent bewegen sich unzureichend

Sorgen macht Froböse, dass 19 Prozent aller Befragten zu den Inaktiven gehören, sich also nur unzureichend bewegen. Für die Studie wird die Bewegung in MET-Minuten gemessen (für metabolisches Äquivalent), und zwar bei der Arbeit, beim Transport und in der Freizeit. Ein Beispiel: Eine Minute moderate Bewegung wie beim Spazierengehen entspricht vier MET-Minuten.

Bei den Inaktiven liegen die MET-Minuten bei unter 600 pro Woche, das sind weniger als 150 Minuten Bewegung in der Woche. „Das ist eine Gruppe, mit der wir uns auseinandersetzen müssen, sie ist schwierig zu erreichen“, sagte Froböse.

70 Prozent bewegen sich nach eigenen Angaben so viel, dass sie einen gesundheitlichen Nutzen daraus ziehen, elf Prozent erfüllen die Mindestanforderungen. Für Froböse ist Bewegungsarmut das größte Gesundheitsrisiko. „Das wird noch viel zu wenig beachtet.“ Das Sitzen bezeichnete er als einen der „Kardinalfaktoren gegen ein gesundes Leben“.

Sachsen leben besonders ungesund

Für die Untersuchung wurden die Menschen nicht nur zur körperlichen Aktivität, sondern auch zu den Themen Ernährung, Rauchen, Alkoholkonsum und Stressempfinden befragt. Nur elf Prozent der Befragten leben demnach in allen fünf Bereichen gesund. „Das ist ein Tiefpunkt.“ 2018 waren es 16 Prozent, 2010 noch 18 Prozent. Den geringsten Wert erzielen in der diesjährigen Befragung die 30- bis 45-Jährigen mit nur sieben Prozent.

Der Gesundheitsreport nimmt die Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern in den Blick. In Sachsen gibt es demnach mit 18 Prozent den höchsten Anteil von Menschen mit einem gesunden Lebensstil, in Nordrhein-Westfalen mit 7 Prozent den niedrigsten.

„Die Deutschen fühlen sich mehrheitlich gesund, leben aber im Trend betrachtet so ungesund wie noch nie seit 2010“, sagte Froböse. Zum Teil schlagen sich hier auch die besonderen Bedingungen durch die Corona-Pandemie nieder, vor allem bei der Stressbelastung.

Keine Chance mehr, den Akku aufzuladen

Nur 40 Prozent empfinden ihre Stressbelastung zurzeit als niedrig, verglichen mit 57 Prozent im Jahr 2018. Die wirtschaftliche Lage und fehlende soziale Kontakte bereiten den Befragten die meisten Sorgen. „Die Menschen schaffen es nicht mehr, ihren Akku aufzuladen“ skizzierte Froböse die Lage. Oft fehle es nach der Arbeit an der notwendigen Regeneration. Sie könne in körperlicher Aktivität liegen, aber auch in der Entspannung durch Lesen oder Musik hören.

Der Trend zu einem ungesunderen Lebenswandel beschäftige Krankenversicherer wie die DKV, sagte Vorstandsvorsitzender Dr. Clemens Muth. Er hält mehr Aufklärung für notwendig, und zwar durch die Versicherer, aber auch allgemein. Krankenversicherer können nach seinen Angaben über gezielte Programme zu einem gesundheitsbewussteren Verhalten beitragen. „Da tun wir schon einiges“, sagte Muth.

Besonderen Handlungsbedarf sieht er bei den jungen Erwachsenen, die überdurchschnittlich viel Zeit im Sitzen und vor dem Computer verbringen. „Das ist ein Thema, an dem wir als Gesamtgesellschaft arbeiten müssen“, betonte der DKV-Chef.

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