Oberärztin mit Kopftuch

"Viele denken, ich sei Putzhilfe"

Canan Azak ist Oberärztin im St. Elisabeth-Krankenhaus in Wittlich in der Eifel. Aus religiösen Gründen trägt sie seit ihrer Zeit als Assistenzärztin eine Kopfbedeckung.

Von Anja Krüger Veröffentlicht:
Canan Azak ist Frauenärztin und 1975 in Hagen geboren.

Canan Azak ist Frauenärztin und 1975 in Hagen geboren.

© Anja Krüger

Ärzte Zeitung: Frauen haben es in Kliniken schwerer, in eine Leitungsposition zu kommen als Männer. Können Sie sich vorstellen, dass eine Medizinerin mit Kopftuch Chefärztin in Deutschland wird?

Canan Azak: Ja, das kann ich mir vorstellen. Aber es kommt auf die Klinik an. Es gibt wenige Krankenhäuser, in denen das möglich wäre. Ich bin auf Vorschlag meiner Klinik Oberärztin geworden.

Es ist sehr ungewöhnlich, dass in einem Krankenhaus eine so offene und vorurteilsfreie Atmosphäre herrscht. Die Wertvorstellungen dort lassen sich nicht von Äußerlichkeiten leiten, vielmehr stehen Menschlichkeit und Kompetenz im Vordergrund. Dort wäre es möglich.

Wäre Ihre Karriere ohne Kopftuch anders verlaufen?

Azak: Wahrscheinlich nicht. Ich selbst habe kaum negative Erfahrungen gemacht. Aber andere Ärztinnen mit Kopftuch bekommen keine Stelle, auch wenn sie sich bundesweit bewerben.

Einige werden gemobbt und kommen nicht weiter. Sie werden bei bestimmten Operationen nicht eingeteilt oder dürfen interessante Ambulanz-Dienste nicht übernehmen.

Ich selbst habe wenig negative Erfahrungen. Eine Freundin war Assistenzärztin in der Gynäkologie. Sie hatte sich mit Kopftuch beworben und sollte dann das Kopftuch im Kreißsaal abnehmen. Ihr wurde vorgeworfen, sie würde die gebärende Frau diskriminieren, denn die müsste sich öffnen.

Sie haben nicht immer ein Kopftuch getragen. Wie haben Ihre Kolleginnen und Kollegen reagiert, als Sie sich dafür entschieden haben?

Azak: Als Assistenzärztin habe ich zuerst kein Kopftuch getragen, weil ich negative Reaktionen meines Umfelds vermeiden wollte. Nach einiger Zeit habe ich meinen ganzen Mut zusammengenommen, und mich für die Kopfbedeckung entschieden.

In den ersten zwei Wochen war es eine Umstellung, aber dann war alles wie immer. Mit den Krankenschwestern musste ich häufiger darüber reden. Sie haben es dann aber auch angenommen.

Ich weiß natürlich nicht, was sie hinter meinem Rücken über mich gesprochen haben. Aber meine Arztkollegen und -kolleginnen haben mich akzeptiert wie ich bin, da bin ich ganz sicher.

Nur mein Chef sagte, wenn ich mich mit Kopftuch beworben hätte, hätte er mich definitiv nicht eingestellt. Egal, wie gut ich gewesen wäre. Mein damaliger Chef war absolut dagegen.

Welche Erfahrungen haben Sie gemacht, als Sie sich mit Kopftuch beworben haben?

Azak: Als ich aufgrund der beruflichen Situation meines Mannes nach Rheinland-Pfalz umgezogen bin, habe ich mich bei mehreren Kliniken beworben. Trier wäre für mich sehr günstig gewesen, dort habe ich mich auch beworben.

Es ist schwer, in dieser Region Ärzte zu finden. Viele kommen aus dem Ausland, sie sprechen kaum deutsch. Ich habe eine Absage bekommen mit der Begründung, dass zurzeit keine Ärzte gesucht würden. Aber wie ich im Nachhinein vom Chefarzt erfahren habe, lag es am Kopftuch. Weil die Verwaltung es nicht wollte.

In der Klinik sind viele Nonnen. Sie sind genauso bedeckt wie ich. Ich dachte: Wie paradox, obwohl ich gut deutsch spreche, werde ich wegen meines Kopftuchs nicht genommen. Dafür wird jemand eingestellt, der die Sprache nicht beherrscht. Das hat mich wütend gemacht und traurig.

Wie reagieren Patienten auf Ihr Kopftuch?

Azak: Viele denken, man ist eine Putzhilfe, man wird direkt in diese Schublade gesteckt. Manche fragen, ob man deutsch sprechen kann. Bei der Visite denken sie, ich bin eine Krankenschwester. In der Notaufnahme verraten die Blicke, dass sie schockiert sind, weil ich ein Kopftuch trage.

Aber wenn sie mich kennenlernen, ändert sich das. Wenn ich positiv bleibe, ist dieses negative Denken innerhalb von Minuten weg.

Weil sie mich dann kennenlernen und sehen: Ich bin ganz normal, ich kann deutsch, ich bin fachlich kompetent. Ich trage eben nur ein Tuch auf dem Kopf.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Gelistet als Best-Practice-Intervention

Psychische Gesundheit: OECD lobt deutsches Online-Programm iFightDepression

Wie sich Fehlinfos geraderücken lassen

Das Faktensandwich hilft im Umgang mit falsch vorinformierten Patienten

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Alter für Indikationsimpfung herabgesetzt

STIKO ändert Empfehlung zur Herpes zoster-Impfung

Lesetipps
Ein Traum für jeden Patienten mit insulinpflichtigem Diabetes: Eine vollständig automatisierte Insulingabe mit Full-Closed-Loop (FCL)-Systemen dank künstlicher Intelligenz (KI).

© Iryna / stock.adobe.com

KI in AID-Systemen

Diabetes: Vollautomatisierte Insulinpumpen sind im Kommen

Patient mit Hypoglykämie, der seinen Blutzuckerspiegel mit einem kontinuierlichen Blutzuckermesssensor und einer Smartphone-App überwacht.

© martenaba / stock.adobe.com

Trotz Schulung

Die wenigsten Diabetes-Patienten reagieren adäquat auf Hypoglykämie

Mammografie-Screening bei einer Patientin

© pixelfit / Getty Images / iStock

Prävention

Mammografie-Screening: Das sind Hindernisse und Motivatoren