Oberärztin mit Kopftuch
"Viele denken, ich sei Putzhilfe"
Canan Azak ist Oberärztin im St. Elisabeth-Krankenhaus in Wittlich in der Eifel. Aus religiösen Gründen trägt sie seit ihrer Zeit als Assistenzärztin eine Kopfbedeckung.
Veröffentlicht:Ärzte Zeitung: Frauen haben es in Kliniken schwerer, in eine Leitungsposition zu kommen als Männer. Können Sie sich vorstellen, dass eine Medizinerin mit Kopftuch Chefärztin in Deutschland wird?
Canan Azak: Ja, das kann ich mir vorstellen. Aber es kommt auf die Klinik an. Es gibt wenige Krankenhäuser, in denen das möglich wäre. Ich bin auf Vorschlag meiner Klinik Oberärztin geworden.
Es ist sehr ungewöhnlich, dass in einem Krankenhaus eine so offene und vorurteilsfreie Atmosphäre herrscht. Die Wertvorstellungen dort lassen sich nicht von Äußerlichkeiten leiten, vielmehr stehen Menschlichkeit und Kompetenz im Vordergrund. Dort wäre es möglich.
Wäre Ihre Karriere ohne Kopftuch anders verlaufen?
Azak: Wahrscheinlich nicht. Ich selbst habe kaum negative Erfahrungen gemacht. Aber andere Ärztinnen mit Kopftuch bekommen keine Stelle, auch wenn sie sich bundesweit bewerben.
Einige werden gemobbt und kommen nicht weiter. Sie werden bei bestimmten Operationen nicht eingeteilt oder dürfen interessante Ambulanz-Dienste nicht übernehmen.
Ich selbst habe wenig negative Erfahrungen. Eine Freundin war Assistenzärztin in der Gynäkologie. Sie hatte sich mit Kopftuch beworben und sollte dann das Kopftuch im Kreißsaal abnehmen. Ihr wurde vorgeworfen, sie würde die gebärende Frau diskriminieren, denn die müsste sich öffnen.
Sie haben nicht immer ein Kopftuch getragen. Wie haben Ihre Kolleginnen und Kollegen reagiert, als Sie sich dafür entschieden haben?
Azak: Als Assistenzärztin habe ich zuerst kein Kopftuch getragen, weil ich negative Reaktionen meines Umfelds vermeiden wollte. Nach einiger Zeit habe ich meinen ganzen Mut zusammengenommen, und mich für die Kopfbedeckung entschieden.
In den ersten zwei Wochen war es eine Umstellung, aber dann war alles wie immer. Mit den Krankenschwestern musste ich häufiger darüber reden. Sie haben es dann aber auch angenommen.
Ich weiß natürlich nicht, was sie hinter meinem Rücken über mich gesprochen haben. Aber meine Arztkollegen und -kolleginnen haben mich akzeptiert wie ich bin, da bin ich ganz sicher.
Nur mein Chef sagte, wenn ich mich mit Kopftuch beworben hätte, hätte er mich definitiv nicht eingestellt. Egal, wie gut ich gewesen wäre. Mein damaliger Chef war absolut dagegen.
Welche Erfahrungen haben Sie gemacht, als Sie sich mit Kopftuch beworben haben?
Azak: Als ich aufgrund der beruflichen Situation meines Mannes nach Rheinland-Pfalz umgezogen bin, habe ich mich bei mehreren Kliniken beworben. Trier wäre für mich sehr günstig gewesen, dort habe ich mich auch beworben.
Es ist schwer, in dieser Region Ärzte zu finden. Viele kommen aus dem Ausland, sie sprechen kaum deutsch. Ich habe eine Absage bekommen mit der Begründung, dass zurzeit keine Ärzte gesucht würden. Aber wie ich im Nachhinein vom Chefarzt erfahren habe, lag es am Kopftuch. Weil die Verwaltung es nicht wollte.
In der Klinik sind viele Nonnen. Sie sind genauso bedeckt wie ich. Ich dachte: Wie paradox, obwohl ich gut deutsch spreche, werde ich wegen meines Kopftuchs nicht genommen. Dafür wird jemand eingestellt, der die Sprache nicht beherrscht. Das hat mich wütend gemacht und traurig.
Wie reagieren Patienten auf Ihr Kopftuch?
Azak: Viele denken, man ist eine Putzhilfe, man wird direkt in diese Schublade gesteckt. Manche fragen, ob man deutsch sprechen kann. Bei der Visite denken sie, ich bin eine Krankenschwester. In der Notaufnahme verraten die Blicke, dass sie schockiert sind, weil ich ein Kopftuch trage.
Aber wenn sie mich kennenlernen, ändert sich das. Wenn ich positiv bleibe, ist dieses negative Denken innerhalb von Minuten weg.
Weil sie mich dann kennenlernen und sehen: Ich bin ganz normal, ich kann deutsch, ich bin fachlich kompetent. Ich trage eben nur ein Tuch auf dem Kopf.