Palliativversorgung

Ärger an der Saar

Hilferuf aus dem Saarland: Die Kassen würden bei ambulanter Palliativversorgung abschreckend hohe Ansprüche stellen, kritisiert die KV. Das bremse die Ärzte.

Andreas KindelVon Andreas Kindel Veröffentlicht:
Sterben zu Hause - für Betroffene ein Herzenswunsch.

Sterben zu Hause - für Betroffene ein Herzenswunsch.

© Candybox Images / fotolia.com

SAARBRÜCKEN. Hilferuf aus dem Saarland: Während KBV und Krankenkassen derzeit über die Bedingungen für die künftige ambulante Palliativversorgung verhandeln, wächst an der Basis die Sorge, dass dabei immer mehr Vertragsärzte abspringen.

"Die Kassen stellen extrem hohe Anforderungen", sagte jetzt der stellvertretende Vorsitzende der KV Saarland, Dr. Joachim Meiser, der "Ärzte Zeitung". "Das wird viele niedergelassene Kollegen davon abhalten, sich an der Palliativversorgung zu beteiligen".

Die Kassen bauten dafür einfach zu hohe Hürden auf. Als Beispiel nannte Meiser, dass eine 40-Stunden-Pflicht-Fortbildung im Gespräch sei. "Das ist uns nicht unbedingt zu viel, aber zu theoretisch", klagte Meiser, der an den Verhandlungen mit den Kassen auf KBV-Seite als Experte beteiligt ist.

Ärzten, die zum Beispiel Patienten im Hospiz oder im Altenheim versorgen, müsse diese Erfahrung angerechnet werden. Falls dann auch noch ein mehrwöchiges Pflichtpraktikum hinzukomme, werde es noch schwieriger. Kein Hausarzt werde dafür seine Praxis verlassen.

"Wollen keine Sterbepraxen"

Eine Sorge des KV-Vize an der Saar: Wenn am Ende nur noch wenige Vertragsärzte bei der Versorgung von Palliativpatienten mitmachen, könne das zur Bildung von Spezialpraxen führen.

"Wir wollen aber keine Sterbepraxen", so Meiser. Schließlich wollten die Menschen auch in ihrer letzten Lebensphase von dem Arzt versorgt werden, den sie schon jahrelang kennen und dem sie vertrauen.

Im Saarland geht die KV schon seit einem halben Jahr einen anderen Weg: Im Landkreis St. Wendel hat sie ein Modellprojekt gestartet, an dem sich über 30 Vertragsärzte - fast die Hälfte aller Hausärzte in der Region - beteiligen.

Die Grundidee: Hausärzte, Palliativmediziner, Pflegdienste und Hospizkräfte rücken bei der Patientenversorgung enger zusammen. Das Projekt sieht eine gemeinsame Behandlung des Patienten vor, regelmäßige Fallbesprechungen bis hin zu einem Notfallplan, der zum Beispiel regelt, was passiert, wenn der Patient sein Bewusstsein verliert.

"Diese Zusammenarbeit ist für die Hausärzte eine enorme Entlastung", so die bisherige Bilanz von Meiser. Sie hätten jetzt einen kurzen Draht zu den Hospizkräften, könnten gemeinsame Hausbesuche mit den Pflegediensten verabreden und könnten auf Palliativmediziner zur Beratung im Hintergrund zurückgreifen.

Das Projekt biete für die Hausärzte ein Netzwerk, das die Versorgung der Palliativpatienten erleichtere.

Nur ein Drittel stirbt zu Hause

Erste erfolgversprechende Ergebnisse kann die KV Saarland bei ihrem Modellprojekt auch schon vorweisen. Nach den Statistiken sterben die Menschen in Deutschland rund in zwei Drittel der Fälle in stationären Einrichtungen, nur ein Drittel zu Hause.

In St. Wendel hat man dieses Verhältnis umdrehen können: Von 32 bisher gestorbenen Patienten konnten 23 bis zum Schluss daheim bleiben. "Das ist doch", so Joachim Meiser, "ein Riesenfortschritt in der ambulanten Palliativversorgung".

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Kommentare
Dr. Wolfgang P. Bayerl 08.05.201617:36 Uhr

@Thomas Sitte, schwer zu ertragen, Ihr "Spezialisten"-gelabere,

erinnert mich an manchen "Schmerztherapeuten", der allen anderen Ärzten, die Befähigung abspricht, noch ein Schmerzmittel zu verabreichen, wobei heute nicht ganz selten die Schmerzursache ignoriert wird, früher ein Kunstfehler.
Palliative Maßnahmen gibt es in JEDEM klinischen Fachbereich, dazu gehört auch die kurzfristig durchaus wirksame Kortison-Injektion des Orthopäden in ein arthrotisches Gelenk. Auch nicht ganz ohne Risiko nebenbei bemerkt. Dazu gehört auch seit über 100 Jahren der künstliche Darmausgang bei Tumorverschluss, damit die S... nicht oben rauskommt oder die Magenernährungsfistel, die heute in der Regel die gastroenterologischen Internisten legen.
Ihr Ruf nach "Spezialisten"-Qualifikation birgt die Gefahr, dass demnächst der Hausarzt nein sagt mit dem Verweis er sei kein Spezialist, wie es ja heute schon Hausärzte gibt, die es ablehnen einen Totenschein auszufüllen und hierfür nach einem Spezialisten rufen.
Laien und Politiker sind natürlich darüber entzückt und fragen ja heute schon bei jeder Maßnahme, ob man auch Spezialist sei, wobei die Angehörigen eines Sterbenden oft ganz andere Wünsche an den Arzt haben als der Sterbende selbst, auch das ist nicht ganz neu.

Thomas Sitte 06.05.201623:28 Uhr

Toller Erfolg

pro teilnehmenden Hausarzt gelang es immerhin 0,74 Patienten zuhause das Sterben zu ermöglichen. Und natürlich ist diesen Hausärzten eine minimale Weiterbildung von 40mal 45 min Palliativversorgung nicht zuzumuten. Da heißt es wahrscheinlich, "das haben wir doch schon immer gemacht", "bei mir muss kein Patient am Lebensende ins Krankenhaus" und vielleicht auch "das kann man ja nicht mehr mit ansehen, wie der Patient leidet".

Spezialisierte Ambulante PalliativVersorgung scheint in dieser Struktur keine nennenswerte Rolle zu spielen, zumindest ist sie für den genannten "Erfolg" nicht erwähnenswert …

Thomas Sitte
Palliativmediziner (in Haupttätigkeit)

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