Verbindliche Schritte gefordert

Ärzte und Kassen: Deutschland stärker entzuckern!

Ein Bündnis aus Ärzten und Kassen wirft der Bundesregierung lasches Vorgehen im Kampf gegen den hohen Zuckerkonsum vor. Nötig seien massive Eingriffe wie Zuckersteuer und Werbeverbot.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Besser nicht zugreifen, Wasser schmeckt auch und ist gesünder.

Besser nicht zugreifen, Wasser schmeckt auch und ist gesünder.

© urbans78 / stock.adobe.com

Berlin. Kinder- und Jugendärzte lassen beim Thema Zuckersteuer nicht locker. Vor allem bei zuckerhaltigen Softdrinks mache eine solche Abgabe Sinn, sagte die Vizepräsidentin des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Dr. Sigrid Peter, anlässlich des 3. Deutschen Zuckerreduktionsgipfels am Dienstag.

„Kinder und Jugendliche trinken im Durchschnitt bis zu einem halben Liter zuckergesüßte Erfrischungsgetränke am Tag“, sagte Peter. Im europaweiten Vergleich liege Deutschland damit auf Platz drei. „Das ist erschreckend – vor allem, wenn man die gesundheitlichen Folgen sieht, mit denen wir Pädiater tagtäglich in unseren Praxen konfrontiert sind.“

Die aus einer Zuckersteuer gewonnenen Einnahmen ließen sich für den Schulsport oder gesunde Gemeinschaftsverpflegung in Kitas und Schulen einsetzen.

Veranstalter des Zuckerreduktionsgipfels ist der AOK-Bundesverband. Wegen der Corona-Pandemie fand der Kongress dieses Jahr virtuell statt.

Milliardenschwere Folgekosten

Die Politik müsse mehr Verbindlichkeit im Kampf gegen den zu hohen Zuckerkonsum in Deutschland an den Tag legen, forderte AOK-Vorstandschef Martin Litsch. Gut gemeinte Appelle allein reichten nicht.

Die WHO empfehle maximal 50 Gramm Zucker pro Tag. Die Deutschen lägen „nahezu beim Doppelten“, sagte Litsch. Die Folgen seien gravierend. Drei von fünf Deutschen litten an Übergewicht. Falsche Ernährung und Übergewicht führten zu krankheitsbedingten Folgekosten gut 60 Milliarden Euro pro Jahr.

Neben einer Zuckersteuer brauche es auch ein Werbeverbot für ungesunde Kinderlebensmittel. „Wir wollen sie nicht mehr sehen“, so Litsch. „Freiwillige Vereinbarungen zeigen bei Softdrinks eine zu geringe Wirkung“, zeigte sich auch die Sprecherin der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK), Barbara Bitzer, überzeugt. Es braucht daher eine Abgabe, um Hersteller zur Zuckerreduktion zu motivieren.

Regierung setzt auf Freiwilligkeit

Mit der 2018 verabschiedeten nationalen Reduktionsstrategie will die Bundesregierung über freiwillige Vereinbarungen der Lebensmittelindustrie eine Senkung des Gehaltes an Zucker, Fetten und Salz in vielen Fertiggerichten bis 2025 erreichen.

Ziel sei es, die „gesunde Wahl zu einer einfachen Wahl zu machen“, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Ernährungsministerium, Hans-Joachim Fuchtel (CDU). Verbraucher müssten bei Konsumentscheidungen unterstützt und ihre Ernährungskompetenz gestärkt werden. Wo nötig, greife die Politik regulierend ein.

Die Präsidentin der Deutschen Diabetes Gesellschaft, Professor Monika Kellerer, nannte die freiwilligen Verpflichtungen dagegen „unzureichend, um eine messbare und zielführende Zuckerreduktion zu erreichen“. Diese Befürchtung habe man bereits zum Start der Reduktionsstrategie geäußert. „Leider wurden unsere Kritik seinerzeit nicht ernst genommen.“

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