Sicherstellung

Alpenrepublik setzt auf Primärversorgung im Team

Die Nachwuchsprobleme bei Ärzten liegen in Österreich ähnlich wie in Deutschland. Um die Versorgung auf dem Land aufrechtzuerhalten, setzen die Österreicher auf interdisziplinäre Primärversorgungseinheiten.

Hauke GerlofVon Hauke Gerlof Veröffentlicht:
Eine Chance auch für Ärzte aus Deutschland? In den kommenden Jahren gehen viele österreichische Kollegen in Pension.

Eine Chance auch für Ärzte aus Deutschland? In den kommenden Jahren gehen viele österreichische Kollegen in Pension.

© niyazz / stock.adobe.com

BERLIN. Viele Ärzte, aber nur leider nicht an der richtigen Stelle: Auch in Österreich gibt es ein Arzt-Verteilungsproblem zwischen Stadt und Land und bei den Fachgruppen. Zwar hat die Anzahl der Ärzte mit Kassenvertrag von 1970 bis 2015 um 254 Prozent auf 44.000 zugenommen. Dennoch hat sich das Durchschnittsalter der Allgemeinmediziner in Österreich allein von 2007 bis 2014 von 52,8 auf 55,1 Jahre erhöht.

In den kommenden Jahren werde eine große Pensionierungswelle erwartet, aber es sei schwierig, junge Ärzte in die Praxen aufs Land zu bringen, berichtete Bernhard Wurzer vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger beim BMC-Kongress 2018 in Berlin. Und diejenigen Ärzte, die sich niederlassen wollten, seien auch nicht mehr bereit, so viel zu arbeiten wie ihre Vorgänger.

Genügend Stellen in den Städten

"Früher war das kein Problem, weil eine attraktive Stelle in der Stadt meist erst nach 10 bis 15 Jahren frei wurde – da gingen die jungen Ärzte eben aufs Land", so Wurzer. Heute gebe es auch in Ballungsräumen genügend Stellen. "Wir haben keinen Ärztemangel, wir haben einen Mangel an Ärzteschwemme", konstatierte Wurzer.

Der Kassenvertrag sei für Ärzte durchaus "nicht out", sagte der Vertreter der Sozialversicherungsträger. 81 Prozent der Kassenärzte seien mit diesem Status zufrieden. Aber von den jungen Ärzten wollten 86 Prozent nach Abschluss der Ausbildung unselbstständig ins Berufsleben starten, nur 14 Prozent als Selbstständige.

Dabei helfe auch die Versorgungsstruktur in Österreich, die, ähnlich wie in Deutschland, zu krankenhauslastig sei. 7,6 Krankenhausbetten je 1000 Einwohner (2014) würden in der EU nur noch von Deutschland getoppt (8,2). In der Schweiz beispielsweise seien es nur 4,6 Betten. Das habe sicher auch mit der Finanzierungsstruktur der Krankenhäuser in Österreich zu tun: Sie würden mit 5,2 Milliarden Euro im Jahr pauschal finanziert.

Um die Versorgung auf dem Land zu sichern, sei Ende 2017 das Primärversorgungsgesetz als Teil eines ganzen Gesetzespaketes beschlossen worden. Österreich setze nun auf einen multiprofessionellen und interdisziplinären Ansatz – Ärzte sollten auch auf dem Land nicht mehr als Einzelkämpfer agieren, sondern in einem Primärversorgungsteam, zu dem mehrere Ärzte, aber auch andere Heilberufe gehören sollen, zum Beispiel Hebammen, Diätologen, Psychologen, mobile Dienste, Physiotherapeuten, Sozialarbeiter und Pfleger. Partner könnten Apotheken, Fachärzte und Zahnärzte, aber auch Telefon- und Webdienste sein.

Gesamtvertrag kommt 2018

Da die Anstellung von Ärzten in Praxen bislang nicht möglich sei, könnten sich die Primärversorgungseinheiten (PVE) in Vereinen organisieren. Die Finanzierung soll von diesem Jahr an über den neuen Primärversorgungs-Gesamtvertrag mit der Ärztekammer erfolgen.

Die Honorierung soll aus mehreren Säulen bestehen: eine Grundpauschale, zwei Fallpauschalen (Grundversorgung und Versorgung Chroniker), Einzelleistungen und einem ergebnisorientierten Zusatzhonorar (pay for performance).

Die Zentren sollen durch lange Öffnungszeiten, die koordinierte Betreuung chronisch Kranker und eine umfassende Gesundheitsberatung punkten. Die Ärzte könnten im Team arbeiten, hätten ein attraktives Tätigkeitsfeld und dennoch geregelte Arbeitszeiten.

75 solche Zentren sollen in den nächsten Jahren entstehen und dann auch in ihren Leistungen evaluiert werden. Die Sozialversicherung habe es sich zur Aufgabe gemacht, Ärzten Beratung und Gründerservice anzubieten, damit sie den Sprung ins Unternehmertum wagen.

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