DEGAM-Kongress

Arzneimitteltherapiesicherheit: Welche Datenbanken in der Hausarztpraxis helfen

Die Medikation ist für bestimmte Patientengruppen eine Herausforderung. Wie sich Hausärztinnen und Hausärzte über die Sicherheit der Arzneimittel für diese Gruppen informieren können, wurde im Symposium „Doctor’s little helpers“ deutlich.

Veröffentlicht:
Darstellung eines Arztes von hinten, der auf einen Monitor schaut.

Datenbanken zur Arzneimitteltherapiesicherheit sind beliebt und verzeichnen mitunter Millionen Aufrufe im Jahr.

© afif / stock.adobe.com / Generated by AI

Hannover. Unabhängige Datenbanken zum Einsatz von Medikamenten sowie zum Off-Label-Use erfreuen sich in der Allgemeinmedizin, aber auch unter Laien zunehmender Beliebtheit. Drei dieser Datenbanken wurden auf dem 59. DEGAM-Kongress in Hannover vorgestellt.

Wie populär die Datenbanken werden können, zeigt das Beispiel embryotox.de vom Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie an der Charité Berlin. Das ursprünglich für Fachpersonal konzipierte Internetportal zur hausärztlichen Behandlung schwangerer und stillender Patientinnen verzeichnete im vergangenen Jahr 5,1 Millionen Aufrufe.

Aufgabe des Portals ist die Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit in Schwangerschaft und Stillzeit, dafür bietet es Informationen zur Sicherheit und Verträglichkeit von rund 400 gebräuchlichen Medikamenten. Es unterstützt bei einer individuellen Risiko-Nutzen-Abwägung und bearbeitet rund 15.000 Anfragen im Jahr durch Fachpersonal und Laien.

Nach Angaben von Dr. Stephanie Padberg aus dem embryotox-Team stammen fast 11.000 dieser Anfragen von Patientinnen und rund 1.700 von Ärztinnen und Ärzten, der Rest von anderen Gesundheitsberufen oder Angehörigen.

Fast 40 Prozent der Laien werden durch ärztliche Empfehlung auf das Portal aufmerksam, weitere 20 Prozent durch Hebammen und sieben Prozent durch Apotheker. Von den ärztlichen Anfragen kommen die meisten aus der Geburtshilfe und Gynäkologie (27 Prozent), gefolgt vom hausärztlichen Bereich (rund 23 Prozent).

Hausärzte nutzen embryotox vor allem zu folgenden Zwecken, die in einer Umfrage abgefragt wurden:

  • Als gemeinsame Basis für eine gemeinsame Entscheidungsfindung (96 Prozent)
  • Zur Vereinfachung der Entscheidungsfindung (96 Prozent)
  • Zur Vermittlung von Sicherheit beim Entscheidungsprozess (100 Prozent)
  • Zur Beruhigung von Patientinnen (95 Prozent)
  • Zur Verbesserung der Compliance und Adhärenz (96 Prozent)

Am häufigsten recherchieren Hausärztinnen und Hausärzte auf dem Portal zu Antibiotika und zu Nicht-Opioid-Analgetika. Die Recherche auf dem Portal hat durchaus Konsequenzen für die Hausärzte: Wie Padberg berichtete, ändern 54 Prozent ihre Risikoeinschätzung nach Lesen der Arzneimittelinformation. 27 Prozent der befragten Hausärztinnen und Hausärzte gaben an, dass die medikamentöse Behandlung nach Lesen der Arzneimittelinformationen geändert werden sollte.

Zwei weitere Beispiele, die in Hannover vorgestellt wurden:

  • Das Kinderformularium: 2021 freigeschaltet, nutzen inzwischen rund 1.800 Nutzerinnen und Nutzer das Portal, um sich über die Off-Label-Anwendung in der Pädiatrie zu informieren. Wie relevant der Off-Label-Use in der Kinder- und Jugendmedizin ist, zeigte die KIGGS-Studie, wonach 40 Prozent des mit Medikamenten behandelten Nachwuchses damit versorgt werden. Nach Überzeugung von Prof. Wolfgang Rascher aus Erlangen sind dafür verlässliche Informationen wie über das Kinderformularium unerlässlich.
  • Das pall-OLU soll mehr Sicherheit für den Off-Label-Use in der Palliativmedizin bieten. Das noch im Aufbau befindliche Portal umfasst derzeit 145 Therapieempfehlungen, 57 Wirkstoffe und 22 Anwendungen und stützt sich auf die Beteiligung von über 60 palliativmedizinisch tätigen Expertinnen und Experten. Bis 2028, gab Fachapothekerin Stefanie Pügge in Hannover als Ziel aus, sollen es möglichst 400 Empfehlungen sein, die über pall-OLU ausgesprochen werden.

Ein Problem für die meisten dieser Portale: Sie sind nicht dauerfinanziert und zum Teil auf Spenden angewiesen. Um die Datenbanken langfristig und unabhängig zu erhalten, hält Rascher eine dauerhafte Förderung für erforderlich. (di)

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