Basta-Politik wird die GKV-Reform besiegeln

Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) hat die für diesen Donnerstag geplante Vorstellung seiner Reformpläne vertagt. Wie geht es nun weiter?

Florian StaeckVon Florian Staeck und Thomas HommelThomas Hommel Veröffentlicht:
GKV-Reformpaket für 2011: Wann lüften Union und FDP das Geheimnis, was drin steckt? © bonn-sequenz / imago

GKV-Reformpaket für 2011: Wann lüften Union und FDP das Geheimnis, was drin steckt? © bonn-sequenz / imago

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Wann legt Rösler Eckpunkte für eine Reform vor?

Ursprünglich wollte Rösler das auf der vierten Sitzung der GKV-Reformkommission an diesem Donnerstag tun. Die Sitzung wurde aber abgesagt. Begründung: Die Eckpunkte zur Reform seien so ausgereift, dass Rösler zunächst mit den Partei- und Fraktionschefs von Union und FDP darüber sprechen wolle, bevor er sie den Mitgliedern der Regierungskommission vorstelle.

Warum nimmt Rösler den Umweg über die Fraktionen, bevor er seine Pläne der Kommission vorstellt?

Rösler verfügt bislang nur über eine geringe Hausmacht in den Fraktionen, da er als junger Shooting-Star und obendrein aus der Landespolitik in die Bundespolitik kommt. Ohne die Fraktionen kann er sein PrämienKonzept aber nicht umsetzen. Daher gilt die Devise: Erst die Abgeordneten hinter sich bringen, dann die Kommission. Im Juni soll das Gremium die Umsetzung ausarbeiten.

Was wird aus den Reformplänen der FDP, die einen kompletten Systemwechsel in der GKV vorsehen?

Rösler wird seine Pläne eindampfen müssen - wegen fehlender Akzeptanz und weil das Geld für den Sozialausgleich fehlt. Unterschiedlichen Modellrechnungen zufolge könnten sich die Kosten dafür auf bis zu 35 Milliarden Euro im Jahr summieren. Das ist angesichts der Haushaltsnöte nicht finanzierbar. Vermutlich wird der Gesundheitsminister eine Teil-Pauschale vorstellen. Er will den Einstieg in den Umstieg schaffen. Früh hat Rösler sein politisches Schicksal daran geknüpft.

Hat die Prämie noch eine Chance, nachdem Schwarz-Gelb die Mehrheit im Bundesrat verloren hat?

Beobachter gehen davon aus, dass die Koalition versuchen wird, den Prämieneinstieg gesetzgeberisch am Bundesrat vorbei zu organisieren - etwa per Einspruchsgesetz. Die Länder hätten dann nur ein aufschiebendes Veto. Dass aber bei Einführung einer Prämie Länderinteressen nicht tangiert würden, muss bezweifelt werden. Ein Sozialausgleich setzt eine Einkommensprüfung voraus. Das müsste entweder über die Finanzämter geschehen. Für die zeichnen die Länder verantwortlich. Oder über die Kassen. Die Aufsicht über große Kassen wie etwa AOKen oder IKKen liegt aber ebenfalls bei den Ländern.

Wie könnte ein Kompromiss aussehen, der die Vorstellungen der bürgerlichen Koalition sowie die von SPD und Grünen vereint?

Bislang ist ein solches Modell noch nicht einmal in Umrissen erkennbar, weil die Modelle Bürgerversicherung und Gesundheitsprämie Lichtjahre voneinander entfernt liegen. Gesucht wird eine Friedensformel. 2006 hieß diese Formel "Gesundheitsfonds".

Welche konkreten Alternativen zum Modell Gesundheitsprämie hat die Opposition bisher entwickelt?

Das Modell von SPD, Grünen und Linke heißt Bürgerversicherung. Einen durchgerechneten Vorschlag für die konkrete Umsetzung gibt es trotz vieler Ankündigungen der SPD bislang nicht. Doch auch beim SPD-Modell stellen sich viele Verteilungsfragen. Wenn beispielsweise Kapitaleinkommen bei der Beitragsbemessung berücksichtigt werden sollen, dann würden sehr schnell Gruppen ins Visier geraten, die man eigentlich schonen will - zum Beispiel Rentner. Außerdem ist ungeklärt, was aus der PKV wird. Abschaffen kann man sie aber nicht. Die PKV hat erst kürzlich vom Bundesverfassungsgericht Bestandsschutz erhalten.

Was passiert, wenn sich Regierung und Opposition nicht einigen und der Bundesrat blockiert?

Wegen der krisenbedingten Einnahmeausfälle würden immer mehr Kassen Zusatzbeiträge erheben müssen. Einige Kassen könnten 2011 so tief in die roten Zahlen rutschen, dass es selbst bei maximalem Zusatzbeitrag (ein Prozent des monatlichen Bruttoeinkommens) nicht mehr gelingt, die Bilanzen zu glätten. Der Handlungsdruck für die Politik steigt. 2011 drohen bis zu 15 Milliarden Euro Defizit.

Was könnte die Koalition tun, um das Finanzloch zu stopfen?

Es gibt mehrere Optionen: Anhebung des allgemeinen GKV-Beitragssatzes, Aufhebung der Ein-Prozent-Regelung bei den Zusatzbeiträgen oder Ausdünnung des GKV-Leistungskatalogs. Alle drei Varianten sind politisch wenig attraktiv. Am Ende werden wohl die Parteichefs entscheiden: Merkel, Seehofer, Westerwelle.

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