Kommentar zur VdK-Warnung

Baustelle häusliche Pflege: Ziemlich miese Prognose

Deutschlands größter Pflegedienst geht am Stock. Lässt die Ampel die pflegenden Angehörigen allein, kollabiert womöglich das ganze System. Doch erst einmal muss Geld her.

Thomas HommelEin Kommentar von Thomas Hommel Veröffentlicht:

Etwa 3,3 Millionen der über vier Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland werden von Angehörigen, Bekannten oder Freunden betreut – teilweise mit Unterstützung eines ambulanten Pflegedienstes, teils ohne professionelle Hilfe.

Die Nachricht, dass sich Deutschlands größter Pflegedienst körperlich am Limit bewegt, ist nicht neu. Neu und bedenklich allerdings ist, dass laut einer aktuellen Studie für den Sozialverband VdK inzwischen mehr als jeder dritte Angehörige, der zu Hause pflegt, auf dem Zahnfleisch kriecht.

Brechen diese Menschen morgen oder übermorgen unter der Last der Pflegetätigkeit zusammen, schlägt das gesamte Pflegesystem leck: Das ist für ein Land, in dem inzwischen fast jeder dritte Mensch 60 Jahre und älter ist, eine ziemlich miese Prognose.

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Und was tut die Politik: Sie schaut zu, würdigt in Sonntagsreden das Engagement informell Pflegender und verweist auf zahlreiche „Unterstützungsangebote“, die – bei genauerer Betrachtung – mehr verwirren und belasten als helfen und entlasten.

Welcher Laie – um ein Beispiel zu nennen – mag bei „Verhinderungspflege“ an vorübergehende Unterstützung denken, sollte die private Pflegeperson in den Urlaub fahren oder krankheitsbedingt ausfallen. Dass in etlichen Regionen die Suche nach einem Pflegedienst oder die Möglichkeit der Kurzzeitpflege in einem nahe gelegenen Altenheim inzwischen der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung gleicht, tut ein Übriges.

Herkulesaufgabe

Die Ampel steht bei der häuslichen Pflege vor einer Herkulesaufgabe. Es deshalb sein zu lassen damit, verbietet sich – zumal das Gros der Menschen lieber zu Hause als im Heim alt werden will. Ein erster Schritt wäre die Einführung eines Entlastungsbudgets, das Leistungen zusammenfasst und das jeder einfach und flexibel anzapfen kann, ohne für jedes einzelne Hilfsangebot Antragswege bei den Pflegekassen gehen zu müssen.

Freilich: Auch die große Koalition hatte sich das Entlastungsbudget zur Aufgabe gemacht – herausgekommen ist nichts, auch weil das Vorhaben zu erheblichen Mehrkosten führen dürfte. Somit muss die Ampel zunächst klären, wie sie mehr Geld ins Pflegesystem bringen will. Mit einer simplen Beitragssatzerhöhung ist es nicht getan. Da muss dem Land, in dem bald mehr als jeder dritte Bürger 60 Jahre und älter ist, mehr einfallen.

Schreiben Sie dem Autor: thomas.hommel@springer.com

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