IGeL-Polizei

CDU und Ärzte gegen SPD-Gedankenspiele

Ein "Marktwächter Gesundheit" soll nach SPD-Plänen für Ordnung im IGeLGeschehen in deutschen Vertragsarztpraxen sorgen. CDU und Ärzte sehen indes ein neues Bürokratiemonster auf IGeL-Praxen zukommen.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:

BERLIN. . Der Wirtschaftsrat der CDU kritisiert massiv die SPD-Pläne zur Etablierung eines "Marktwächters Gesundheit". Dieser soll die Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) systematisch beobachten und gegebenenfalls eingreifen, wenn Benachteiligungen von Verbrauchern oder andere Wettbewerbsverstöße festgestellt werden. Darüber berichtete die Tageszeitung "FAZ" in ihrer Montagausgabe unter Berufung auf ein internes Arbeitspapier der SPD-Arbeitsgruppe Umwelt-, Klima- und Verbraucherschutz.

"Patienten können sich auch heute schon umfassend informieren und beraten lassen. Neben dem Arzt des Vertrauens stehen hierfür die Beratungsstellen der Krankenkassen und die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) bereit. Eine Bewertung der individuellen Angebote durch einen ‚Marktwächter Gesundheit‘ läuft auf die Bevormundung und Entmündigung der Patienten hinaus", ließ sich Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates, zitieren. "Zudem steigt der Bürokratie-Aufwand der Arzt-Praxen, die die Meldungen der IGeL vornehmen müssten, ohne ersichtlichen Mehrwert für die Patienten", mahnte Steiger ergänzend.

IGeL-Evaluationen liegen vor

Wenig Verständnis für die Forderungen aus den Reihen der SPD zeigt auch Dr. Norbert Panitz, Vorstand der Ärztlichen Gesellschaft für Gesundheit und Prävention (ÄGGP). Wie der ehemalige Qualitätsbeauftragte der KV Berlin im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung" hinweist, habe die ÄGGP auf ihrem Portal free-med.net bereits für 420 Selbstzahlerleistungen Bewertungen vorgenommen - inklusive ausführlicher patientengerechter Beschreibung, Indikation, Kostenrahmen und Alternativen im GKV-System sowie Risiken und Nebenwirkungen.

Panitz, in Berlin niedergelassener Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sowie für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, hat im Dezember das Ärztenetz in der Selbstzahlermedizin (ÄNEIS) ins Leben gerufen und versteht sich als berufspolitisches Sprachrohr für IGeL-Ärzte.

Keine neue Idee der SPD

Wichtig für Patienten sei, dass sich alle Mitglieder des IGeL-Ärztenetzes einem Kodex anschließen, der bei groben Verstößen gegen die IGeL-Regeln des Ärztetages von Magdeburg von 2006 sowie den Vorgaben von Berufsordnung, KBV und BÄK den sofortigen Ausschluss vorsieht. Insofern sei also eine innerärztliche Marktüberwachung gewährleistet, die keiner zusätzlichen bürokratischen Ergänzung mehr bedürfe.

Eine Pressesprecherin der zuständigen Arbeitsgruppe verwies auf Nachfrage der "Ärzte Zeitung" auf den sich im Gang befindlichen Abstimmungsprozess innerhalb der SPD. Daher könne das Konzeptpapier für die Etablierung des Marktwächters Gesundheit noch nicht zugänglich gemacht werden.

Die Idee, einen Marktwächter neben dem Finanzbereich auch im Gesundheitssektor einzuführen ist indes kein Novum in der Gedankenwelt der Genossen. Wie aus einer im Internet frei zugänglichen Dokumentation einer Konferenz der SPD-Bundestagsfraktion vom 5. November 2012 in Berlin hervorgeht.

"Explizit soll der Marktwächter die Individuellen Gesundheitsleistungen beobachten, über Nahrungsergänzungsmittel aufklären und beraten, sowie z.B. Transparenz bei den privaten Zusatzversicherungen herstellen. Aber auch die Themen Apotheken und Pflege müssen einen Stellenwert bekommen", hieß es damals unter dem Titel "Verbraucherinteressen stärken - Marktwächter einführen" in den Ausführungen der Bundestagsabgeordneten Kerstin Tack von der SPD-Arbeitsgruppe Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.

Marktwächter sollten den Markt aus der Perspektive der Verbraucher beobachten, um Missstände aufzudecken, so Tack weiter. Marktwächter charakterisierte sie als staatlich beauftragte, aber unabhängige zivilgesellschaftliche Verbraucherschutzorganisationen. Bereits am Markt aktiv ist die Verbraucherzentrale Hamburg, die als Marktwächter Finanzen agiert. Im Juni hatte sie zum Beispiel vor Rückabwicklern von Versicherungsverträgen gewarnt.

Die aktuelle SPD-Forderung könnte durchaus Rückenwind aus der Gesundheitspolitik bekommen, da von Seiten zum Beispiel der Verbraucherzentrale NRW immer wieder - mit Verweis auf Einträge im Portal IGeL-Ärger - angebliche Missstände in IGeL-Praxen angeprangert werden. Jüngst forderte sie die Einrichtung einer IGeL-Schlichtungsstelle.

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Kommentare
Thomas Georg Schätzler 16.08.201616:24 Uhr

Drehen die SPD-"Genossen" jetzt durch?

Sollen sie sich doch von Ihrer Essener Ex-SPD-Bundestagsabgeordneten Petra Hinz juristisch erklären lassen, wie das mit dem für die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) verbindlichen 5. Sozialgesetzbuch (SGB V) funktioniert. Das geht zur Not auch ohne Abitur und mit fiktiven juristischen Abschlussprüfungen.

Das derzeitige "Wirtschaftlichkeitsgebot" (Stand 30.5.2016) lautet:
"§ 12 SGB V Wirtschaftlichkeitsgebot

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.
(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.
(3) Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied hiervon gewusst oder hätte es hiervon wissen müssen, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat."

Unkontrollierte Luxus- und Wunschmedizin, Privilegien und Wahlleistungen, tägliche Mehrfach-Inanspruchnahmen, unsinnige Labor-"Latten", Doppel- und Dreifach-Untersuchungen, Schönheits- und Wellness-Medizin, aber auch Tauglichkeits- oder Reisemedizin-Untersuchungen bzw. Beratungen gehören dazu ebenso wenig wie anamnestische, diagnostische, kurative und palliative Leistungen a u ß e r h a l b von G-BA-Richtlinien, Vorschriften und sonstigen einschränkenden Regularien.

Die GKV-Kassen versprechen wider besseres Wissen, Alles sei im Überfluss vorhanden, jammern zugleich über steigende Ausgaben und sparen an den falschen Stellen: Sie bezahlen z. B. bei der Gesundheits-Vorsorgeuntersuchung "Check-up 35" nur Gesamt-Cholesterin, Nüchtern-Glucose und Urin-Status: Herz-, Lungen-, Leber-, Nieren-, Blut- und andere Organ- bzw. System-Krankheiten sollen übersehen werden, damit man genau dies den Vertragsärzten später vorwerfen kann, sie hätten doch viel mehr machen müssen.

Beim Stuhl-Brief in der Krebsvorsorge die gleiche Masche: Vom 50. bis 55. Lebensjahr einmal (!) jährlich. Aber in der alles entscheidenden Lebensphase mit dem statistisch höchsten Darmkrebs-Risiko überhaupt wird diese Untersuchung, vom G-BA höchst selbst abgesegnet, auf alle z w e i Jahre ausgedünnt!

Beim Ovarial-Karzinom dieselbe Leier: Präventiv-Ultraschall als IGeL-Leistung wird vom Medizinischen Dienst beim Spitzenverband der Krankenkassen (MDS) in seinem offiziellen IGeL-Monitor verteufelt, dieselbe Untersuchung bereits bei vagem Verdacht als alternativlos in den Himmel gehoben.

Bei so viel Scheinheiligkeit mussten sich die SPD-Genossen ja einreihen, oder?

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund (z. Zt. Bergen aan Zee/NL)

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