Versorgung in der Pandemie
Corona: Allgemeinärzte beklagen bei der practica fehlenden Rückhalt von der Politik

Corona-Impfung: Hausärzte seien in die Impfkampagne zu spät mit einbezogen worden, wurde jetzt bei der practica wieder moniert.
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Bad Orb. Bei der Bewältigung der Corona-Pandemie hat sich die Mehrheit der Allgemeinärzte von der Politik im Stich gelassen gefühlt. Obwohl die Hausärzte zusammen mit ihren MFA einen Großteil der COVID 19-Patienten behandelt hätten, ist dies „im öffentlichen Diskurs nicht sichtbar geworden“.
Diese Kritik hat Professor Martin Scherer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), bei der practica 2021 in Bad Orb im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“ artikuliert. Im practica-Seminar „Die Rolle der Hausarztpraxis bei COVID-19“ hätten sich Allgemeinärzte sogar darüber beklagt, für die Praxis elementare Informationen erst aus der Presse erfahren zu haben. Dies habe zu einer erheblichen Verunsicherung der Ärzte selbst, aber auch der Patienten geführt. Das daraus resultierende Kommunikations-Wirrwarr ist für Scherer daher auch mit dafür verantwortlich, dass eine solch breit verankerte Impfskepsis vorhanden ist.
Auch die DEGAM hatte während der Pandemie immer wieder den Spagat zu meistern, sich zwischen „Wissenschaftspopulisten und einer politisierten Wissenschaft“ zu behaupten. Dabei sei die Debatte „polarisiert und personalisiert“ geführt worden. Hier habe die DEGAM mit ihren Stellungnahmen versucht, die „Schwarz-Weiß“-Sichtweise aufzubrechen und der Komplexität der Thematik gerecht zu werden, die schließlich in die „S1-Handlungsempfehlung zu SARS-CoV-2/Covid-19“ gemündet sei. Um dies zu bewerkstelligen, waren seit Vorlage einer ersten Version rund 30 Upgrades erforderlich, um stets den aktuellen Stand wiederzugeben.
Der Hausärzteverband habe seinerseits mit einer „starken medialen Präsenz“ versucht, die Hausärzte auf dem Laufenden zu halten, erläuterte Verbandspräsident Ulrich Weigeldt beim berufspolitischen Oktoberfest auf der practica. Stellvertretend hierfür würdigte er mehrfach die enge Kooperation mit dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) zum Beispiel bei einer gemeinsamen öffentlichen Stellungnahme zu den STIKO-Empfehlungen zur Corona-Schutzimpfung bei Kindern und Jugendlichen ab 12 Jahren.
Diese gute Kooperation mit dem BVKJ und der DEGAM sei aber dringend notwendig gewesen, weil die Hausarztpraxen während der Pandemie auf sich allein gestellt gewesen waren und sich selbst organisieren mussten. Zudem mussten sie mit ansehen, dass die Impfzentren viel zu lange – strukturell wie finanziell – bevorzugt wurden. Der Vorsitzende des Hausärzteverbandes in Hessen, Armin Beck, nannte in Bad Orb diese Zahlen: 110 Euro Kosten für eine COVID-Impfung im Impfzentrum, 20 Euro in der Hausarztpraxis. Zudem wies Weigeldt in Bad Orb darauf hin, dass der Impfzug erst dann richtig angefahren sei, seitdem die Hausärzte von der Politik verstärkt – aber zu spät - mit einbezogen worden sind.
Allerdings wurden beim berufspolitischen Oktoberfest auch kritische Stimmen aus den eigenen Reihen laut, die auch den Hausärzten bei der Bewältigung der Corona-Pandemie kein gutes Zeugnis ausstellten. So beklagten einige Allgemeinärzte die fehlende Impfbereitschaft ihrer eigenen Kolleginnen und Kollegen. Eine solche Impfzurückhaltung konnte auch Günter Egidi, Arzt für Allgemeinmedizin in Bremen und stellvertretender Sektionssprecher Fortbildung bei der DEGAM, bestätigen. Egidi: „Wir haben hier auch Probleme in den eigenen Reihen.“