Finanzielles Risiko

Diagnose Krebs kann arm machen

Dramatische Einkommenseinbußen auf der einen, höhere krankheitsbedingte Ausgaben auf der anderen Seite: eine Krebserkrankung ist im Einzelfall ein erhebliches Armutsrisiko.

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HEIDELBERG. Eine länger dauernde Krebserkrankung mit der Folge unabsehbar langer Arbeitsunfähigkeit ist für die Betroffenen und deren Familien ein Risiko, ins wirtschaftliche Prekariat abzustürzen.

Zwar gibt es darüber keine bundesweit systematisch erhobenen Daten - aber Fallsammlungen des Sozialdienstes am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen in Heidelberg (NCT) deuten auf die Brisanz.

Einige Kasuistiken präsentierte Jürgen Walther, Leiter des Sozialdienstes, bei einem Presseworkshop des Deutschen Krebsforschungszentrums jüngst in Heidelberg.

Ökonomische Folgen

Zum Beispiel der Facharbeiter, 35 Jahre alt, verheiratet, drei Kinder, Nettoeinkommen 2600 Euro mit der Diagnose metastasiertes Magenkarzinom Ende März 2015; die Chemotherapie dauert bis heute an.

Die ökonomischen Folgen: Nach sechs Wochen endet die Lohnfortzahlung, das Krankengeld beträgt 68 Prozent des Nettoeinkommens - rund 1800 Euro.

Knapp drei Monate nach Krankheitsbeginn, am 15. Juni 2015, fordert die Krankenkasse ihren Versicherten auf, bis spätestens zum 3. Juli eine Reha, ersatzweise eine Rente, zu beantragen - ansonsten werde die Krankengeldzahlung eingestellt. Rechtsgrundlage: Paragraf 51 SGB V.

Im konkreten Fall missachtete die Kasse jedoch die gesetzliche Frist von zehn Wochen und versäumte eine Rechtsbehelfsbelehrung.

Der Reha-Antrag wurde am 27. August von der Rentenversicherung abgelehnt, aufgrund des Gesundheitszustandes gelte der Reha-Antrag als Antrag auf Rente: "Ihre Rente beginnt am 1.10.2015."

Dauer der Erwerbsminderung vorläufig bis Ende Oktober 2017. Folge: Das Nettoeinkommen sinkt um mehr als 1500 Euro auf nur noch 1060 Euro.

Walther: "In einer solchen Situation öffnen viele Betroffene gar nicht mehr ihre Post."

Zuzahlungen und Eigenleistungen kommen noch hinzu

Hinzu treten neue krankheitsbedingte Belastungen wie Zuzahlungen oder Eigenleistungen, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden. Das sind etwa Fahrtkosten zur ambulanten Behandlung im Tumorzentrum mit nicht selten weiten Anfahrtswegen.

Solche Konstellationen, so Walther, seien keine exotischen Einzelfälle. Typischerweise betroffen seien Bürger aus der Mittelschicht, denen mit ihren Familien aufgrund ihrer schweren Erkrankung der Absturz in die Armut drohe. (HL)

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