Zukunftstag Diabetologie

„Die Nationale Diabetesstrategie ist nicht tot“

Einer steigenden Prävalenz an Diabeteserkrankungen steht ein absehbarerMangel an Diabetologengegenüber. Die Diagnoseist klar – an der Therapie wird noch gefeilt.

Von Anno Fricke Veröffentlicht:
Wie sieht die Diabetestherapie in Zukunft aus? Es wird zumindest immer mehr Patienten geben.

Wie sieht die Diabetestherapie in Zukunft aus? Es wird zumindest immer mehr Patienten geben.

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Berlin. Steigen die Diabeteserkrankungen weiter wie bisher, müssen in 20 Jahren mit 12,3 Millionen Patienten knapp doppelt so viele wie heute versorgt werden. Nehmen die Fachabteilungen für Endokrinologie und Diabetes an den Krankenhäusern weiter ab wie bisher, werden dann nicht mehr genügend Fachärzte da sein, um dies zu tun. Dieses Bild haben Ärzte, Wissenschaftler, Kassenvertreter und Politiker beim Zukunftstag Diabetologie der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) am Donnerstag in Berlin gezeichnet.

6,7 Millionen Typ-2-Diabetiker

Dass Diabetes eine Volkserkrankung mit Zukunft ist, machen Zahlen niedergelassener Diabetologen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung deutlich. 6,7 Millionen Menschen sind nach Erhebungen des Zentralinstituts für die Kassenärztliche Versorgung aus 2018 in Deutschland als Typ 2-Diabetiker identifiziert.

16,1 Mrd. Euro reine Behandlungskosten entstanden in der GKV im Jahr 2018 im Zusammenhang mit Diabetes. Die volkswirtschaftlichen Kosten für Arbeitsausfall und Frühverrentung sind dabei noch nicht eingerechnet.

Dazu kommen 340 000 Erwachsene und 32 000 Kinder und Jugendliche mit Typ 1. Was Typ 2 angeht, sind die Hochrechnungen dramatisch. Im Jahr 2040 werden laut Hochrechnung von Wissenschaftlern zwischen 3,8 und 5,4 Millionen Menschen mehr als 2018 zu behandeln sein. Die Zunahme dürfte also zwischen 54 und 77 Prozent liegen.

Nebendiagnose Diabetes bei über elf Prozent der Klinikfälle

Diese Prognose ist volkswirtschaftlich relevant. Schon heute verursachen Menschen mit Diabetes doppelt so hohe Gesundheitskosten wie die ohne. Jeder zehnte Euro der Gesundheitsausgaben, betonten mehrere Redner, werde im Zusammenhang mit Diabetes ausgegeben. Mehr als elf Prozent der insgesamt rund 20 Millionen Krankenhausfälle im Jahr bekommen die Nebendiagnose Diabetes. Insgesamt kostet die Krankheit die gesetzliche Krankenversicherung mehr als 16 Milliarden Euro im Jahr an reinen Behandlungskosten. Arbeitsausfall und Frühverrentung sind dabei noch nicht eingerechnet.

Während die ambulante Versorgung der Diabetiker noch als gut gilt, sticht die auffällig ausgedünnte stationäre Versorgungslandschaft ins Auge. Von den 34 Universitätskliniken halten nur noch zwischen sechs und acht eine adäquat zertifizierte Diabetesexpertise vor. Dort gibt es selbstständige Lehrstühle für Diabetologie mit unabhängigen, bettenführenden Abteilungen. Lehrstühle sind allerdings Voraussetzung für den Diabetologen-Nachwuchs.

„Die Expertise geht verloren“, warnte Privatdozent Dr. Erhard Siegel, Past President der Deutschen Diabetes Gesellschaft. „Grauenhaft“ sei zudem das Verständnis für die Erkrankung in der diabetologischen Versorgung im Pflegeheim.

„Die Nationale Diabetesstrategie ist nicht tot“

Die Politik kreist derweil um den Punkt, ob sie die Hersteller von Nahrungsmitteln zu einer Reduktion des Zuckeranteils in Limonaden, Müslis und Schokoriegeln bewegen darf – oder ob Ernährungsgewohnheiten sich dem Zugriff der Politik entziehen. CDU-Gesundheitspolitiker Dietrich Monstadt kündigte am Donnerstag politische Entwicklungen an. „Die Nationale Diabetesstrategie ist nicht tot“, sagte Monstadt.

Noch im ersten Halbjahr wolle man im Bundestag an dieser Stelle „entscheidende Schritte“ weiterkommen. Steht also eine Kehrtwende an? Die SPD-Politikerin Bärbel Bas hatte erst kürzlich bezweifelt, ob eine Diabetesstrategie ohne ein Entgegenkommen der Landwirtschaftspolitiker der Fraktionen möglich sei.

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