Phytos made in Germany

Eine Erfolgsgeschichte

Phytopharmaka in Deutschland: Das ist eine Erfolgsgeschichte. Auf den ersten Blick lässt das die Marktentwicklung der vergangenen Jahre zwar nicht erkennen. Auf den zweiten wird deutlich, dass die Branche eine komfortable Nische besetzt, in der sie weitgehend immun gegen politische Gängelung ist.

Christoph WinnatVon Christoph Winnat Veröffentlicht:
Tropfen aus der Pflanze: Die Phyto-Branche hierzulande blüht.

Tropfen aus der Pflanze: Die Phyto-Branche hierzulande blüht.

© Schlierner / fotolia.com

FRANKFURT/MAIN. 3,5 Milliarden Euro werden nach Angaben des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH) jedes Jahr europaweit mit pflanzlichen Arzneimitteln erwirtschaftet. Etwas mehr als ein Drittel - und damit der Löwenanteil - fällt in Deutschland an.

Die große Zäsur im OTC-Geschäft der zurückliegenden Dekade, den Ausschluss nicht rezeptpflichtiger Präparate aus der GKV-Erstattung 2004, haben die Phyto-Anbieter aus heutiger Sicht gut weggesteckt. Zwar waren ihre Produkte anfänglich besonders stark betroffen.

Mehr zum Thema

Pflanzliche Arzneien werden für die Forschung immer interessanter. Warum, das lesen Sie im Dossier Phytotherapie der "Ärzte Zeitung" ...

So brach der Umsatz der verordneten rezeptfreien Phytopharmaka 2004 um rund 50 Prozent ein. Auf der anderen Seite trug eine wachsende Nachfrage nach pflanzlichen Präparaten in der Selbstmedikation dazu bei, dass sich der Markt schnell wieder erholte.

Rund 1,5 Milliarden Euro wurden im Jahr vor dem Erstattungsausschluss mit Phytos erlöst - und dieses Volumen bereits 2006 wieder erreicht. Sowohl nach Absatzmenge als auch nach Umsatz zeigt sich der Markt seither mit relativ geringer Schwankungsbreite stabil.

Satzungsleistung OTC bringt nichts

Warum aber entgegen der großen Akzeptanz in der Bevölkerung und der medialen Dauerkonjunktur in Sachen sanfter Medizin die Umsatz- und Absatzkurven nicht nach oben zeigen, ist auch Branchenkennern ein Rätsel.

"Schwer zu sagen", meint etwa Dr. Elmar Kroth, Geschäftsführer Wissenschaft des BAH. Vermutlich halte dem starken Trend pro Naturmedizin eine volatile Zahlungsbereitschaft und kritische Stimmen zum Wirkversprechen pflanzlicher und homöopathischer Mittel die Waage.

Ein weiterer Grund könnte die Konkurrenz durch pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel sein, die zunehmend Einzug in Lebensmittelmärkte und Drogerien finden. Auch die wenigen politischen Bestrebungen, dem Absatz Impulse zu geben, haben bisher nicht gefruchtet.

2007 wurde mit dem Wettbewerbsstärkungsgesetz den gesetzlichen Krankenkassen die Möglichkeit eröffnet, Arzneimittel der so genannten "besonderen Therapierichtungen" per Wahltarif zu erstatten - dazu zählen auch Phytos. Kaum eine Handvoll anfänglicher Versuche verlief im Sande.

Seit 2012 gibt es die Option, rezeptfreie Medikamente als Satzungsleistung in die GKV-Erstattung zu nehmen. Rund ein Drittel der bundesweit 130 Kassen machten davon Gebrauch, meldete zu Beginn dieses Jahres der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie.

Den Umsätzen der Phytobranche ist davon - jedenfalls herstellerübergreifend - bislang nichts anzumerken. Zu aufwendig sei die Abwicklung für die Patienten, die bei ihren Kassen Rechnungen einreichen müssten.

Außerdem gebe es je nach Kasse unterschiedlich hohe Erstattungsdeckel, erklärt BAH-Geschäftsführer Kroth. Man werte die Aufnahme der Satzungsleistung "OTC-Kostenübernahme" ins SGB V erst einmal nur als eine prinzipielle Anerkennung des therapeutischen Potenzials der Rezeptfreien.

Nach dem Imageschaden für OTC-Präparate durch den einstigen Erstattungsausschluss, so Kroth, sei das schon ein Erfolg.

Ein Fünftel des Umsatzes rezeptiert

2012 war für die Phyto-Industrie eher eines der schwächeren Jahre. Nach Angaben des Marktforschers IMS Health gingen die Umsätze mit pflanzlichen Arzneimitteln in öffentlichen Apotheken um ein halbes Prozent auf 1,49 Milliarden Euro (zu Apothekenverkaufspreisen) zurück.

96 Prozent des Umsatzes entfielen auf Selbstzahler, vier Prozent auf Präparate, die rezeptpflichtig sind.

Freilich wurden weit mehr zu Lasten der GKV verordnet - etwa bestimmte Phytos für Kinder oder Präparate, die als Therapiestandard zur Behandlung schwerwiegender Erkrankungen gelten; beispielsweise Ginkgo-biloba-Extrakte gegen Demenz oder Mistel-Präparate zur palliativen Krebstherapie.

Mit 283 Millionen Euro waren immerhin noch knapp ein Fünftel (19 Prozent) des Gesamtumsatzes ärztlicherseits rezeptiert: 18,3 Millionen mal verordneten Ärzte Phytopharmaka. Davon entfielen jeweils ein Drittel auf GKV-Rezepte (33,8 Prozent), auf Privat-Rezepte (32,4 Prozent) und auf Grüne Rezepte (33,7 Prozent).

Nur Letztere konnten laut IMS zulegen. Auf 6,2 Millionen Grünen Rezepten stand 2012 ein pflanzliches Produkt; das ist ein Plus von 12 Prozent.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Der Gesundheitsdialog

© Janssen-Cilag GmbH

J&J Open House

Der Gesundheitsdialog

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

© Springer Medizin

Johnson & Johnson Open House-Veranstaltung am 26. Juni 2025 beim Hauptstadtkongress

Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
J&J Open House beim Hauptstadtkongress

© [M] Springer Medizin Verlag

Video zur Veranstaltung

J&J Open House beim Hauptstadtkongress

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Kommentare
Sonderberichte zum Thema

Ist das AMNOG bereit für HIV-Innovationen?

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Gilead Sciences GmbH, Martinsried
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Manchmal kommt Künstliche Intelligenz ziemlich abstrakt daher. Doch es gibt zunehmend auch konkrete Anwendungen, sogar für Arztpraxen.

© 3dkombinat - stock.adobe.com

Praxisorganisation

Mit KI zu mehr Entlastung fürs Praxisteam

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Doctolib GmbH
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Risikofaktoren identifiziert

Für wen könnten Harnwegsinfekte gefährlich werden?

Laterale Ellbogenschmerzen

Diese sechs Kriterien sprechen gegen einen „Tennisarm“

Metaanalyse

Subjektive Krankheitsbelastung bei Krebs prognostisch relevant

Lesetipps
Übersichtsarbeit: Wie wirken Hochdosis-, rekombinante und mRNA-Vakzinen verglichen mit dem Standardimpfstoff?

© Sasa Visual / stock.adobe.com

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Serotoninkristalle, die ein Muster ergeben.

© Michael W. Davidson / Science Photo Library

Für wen passt was?

Therapie mit Antidepressiva: Auf die Nebenwirkungen kommt es an