Strategiepapier

Grüne fordern klare Corona-Regeln – und mehr Kneipe und Kultur

Die Grünen fordern Bund und Länder zu einer für die Allgemeinheit verlässlicheren Corona-Politik auf. In einem Papier fordern sie bundeseinheitliche Regeln und die Einführung eines risikoadaptierten Stufenplans.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Flasche leer: Bars und Kneipen sind nach wie vor zu, den Grünen zufolge sollten sie in wenig von Corona betroffenen Regionen wieder öffnen können.

Flasche leer: Bars und Kneipen sind nach wie vor zu, den Grünen zufolge sollten sie in wenig von Corona betroffenen Regionen wieder öffnen können.

© Britta Pedersen / dpa

Berlin. Die Fraktion der Grünen im Bundestag fordert klareres Regierungshandeln in der Corona-Pandemie. Das Wechselspiel von regional unterschiedlich strengen Kontaktbeschränkungen und Lockerungen in immer schnellerer Abfolge soll einer längerfristigen Perspektive weichen, fordern die Autoren eines am Sonntagvormittag verbreiteten Strategiepapiers.

„Wir brauchen jetzt dringend Verlässlichkeit, Einheitlichkeit und Transparenz in der Corona-Bekämpfung“, begründete Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckhardt den Vorstoß. Dafür werde unter anderem eine langfristige repräsentative Prävalenzstudie des Robert Koch-Instituts (RKI) benötigt.

Kern der Vorschläge sind einheitliche und berechenbare Konsequenzen aus den jeweiligen Inzidenzen. Dabei orientiert sich das Strategiepapier an den Inzidenzen, die auch die aktuell geltenden Bund-Länder-Beschlüsse zugrunde legen.

Ein bundesweit geltender Fünf-Stufen- und Maßnahmenplan soll klar definieren in welcher Risikostufe sich eine Region befindet. Der Plan solle sich nicht alleine an der Sieben-Tage-Inzidenz und dem R-Wert orientieren. Die Rückkehr zu mehr gesellschaftlichem und sozialen Leben könne mit einer Risikofolgenabschätzung einhergehen. Immer gelten sollen nach dem Verständnis der Abgeordneten die AHA-Regeln plus Lüften und das Nutzen der Corona-Warn-App.

Mehr Kneipe und Kultur wagen

In den Überlegungen der grünen Politiker spielen dabei durchaus auch konsequentere Maßnahmen als die gegenwärtig angewandten eine Rolle. Eine stärkere Differenzierung solle aber „mehr Kultur, Begegnung, Gastronomie und Handel“ möglich machen. In Heimen sollten Quarantäneregelungen nicht mehr die gesamte Einrichtung erfassen, sondern individuelle Risiken der Bewohner berücksichtigen.

Die genauen Kriterien der Bekämpfung von SARS-CoV-2 sollen nach den Vorstellungen der grünen Abgeordneten nicht mehr alleine Bund und Länder festsetzen.

Ein interdisziplinärer Pandemierat, besetzt auch mit Virologen, Epidemiologen und Gesundheitswissenschaftlern, soll dazu Empfehlungen aussprechen können. Die politischen Beschlüsse sollen dann im Bundestag und Bundesrat fallen und nicht wie bisher auf der informellen Ebene der Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Regierungsspitzen der Länder.

Die Vorschläge im Einzelnen:

Anders als die geltenden Konzepte sehen die Grünen für die ersten fünf Risikostufen ihres Konzeptes Möglichkeiten vor, Gastronomie, Hotellerie, Kulturbetriebe sowie Sport- und Freizeiteinrichtungen offen zu halten. Mit steigendem Risikograd sollen allerdings die Zahlen der Gäste und Besucher sinken. Auch Schließungen sollen nicht ausgeschlossen sein.

Mit der Risikostufe 2 ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner sollen flächendeckende Schnelltests alle Einwohner einer Region erfassen. Private Treffen sollen dann besser im öffentlichen Raum mit Hygienekonzept als in Privaträumen ohne stattfinden. Die an einen Hot-Spot angrenzenden Landkreise sollen präventiv in die Risikostufe des eigentlichen Infektionsherdes eingestuft werden. Erst wenn fünf Landkreise eine Risikostufe erreichen, soll diese Stufe im ganzen Bundesland gelten.

Ab der Hochrisikostufe 5 bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 200 drohe ein Kontrollverlust mit Überforderung des Gesundheitssystems. Dann sollen Kontaktbeschränkungen für private Haushalte, Home-Office wo möglich und Geschäftsschließungen greifen. Die Grundversorgung durch Apotheken, Drogerien, Optiker, den Lebensmitteleinzelhandel und Buchläden soll davon ausgenommen bleiben.

Schnelltests und Warn-App fördern

Die Autorinnen und Autoren des Papiers betonen die Bedeutung von Schnelltests und der Warn-App als sinnvolle Ergänzungen der Teststrategie. Pflege- und Altenheime, Krankenhäuser und Schulen benötigten allerdings Unterstützung bei der Beschaffung. Anderenfalls drohe ein Wettlauf wie im Frühjahr bei der Beschaffung der Schutzausrüstung.

Zudem fordern sie Weiterentwicklungen der Corona-Warn-App. Alle Labore müssten angeschlossen werden. Auch die Ergebnisse von Antigen-Schnelltests sollten in der App abgebildet werden können.

Da drei Viertel der Infektionsketten nicht mehr nachvollzogen werden könnten, sollte die digitale Clustererkennung stärker in den Blickgenommen werden. Wenn mehrere Menschen zusammenkommen, sollen sie sich über einen QR-Code einloggen können, um im Falle einer Infektion schneller informiert werden zu können. Alle Maßnahmen sollten zudem mit den Nachbarländern koordiniert werden. Das solle auch für die Kapazitäten der Intensivstationen gelten.

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