Pharma-Politik in Europa

Industrie präsentiert Katalog von Vorschlägen

Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft diskutiert darüber, wie die Herstellung von Arzneien nach Europa zurückgeholt werden kann. Die Pharmaindustrie hat Vorschläge parat.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:

Berlin. Vor dem Hintergrund der Verhandlungen in der Europäischen Union über eine neue stärker unionsweit ausgerichteten Pharmapolitik haben die forschenden Unternehmen vor weltweit zunehmendem Protektionismus gewarnt.

Deutschland verliere gegenüber den USA und Pharmastandorten in China und Indien an Boden, heißt es in einem am Freitag verbreiteten Papier des Verbands forschender Pharmaunternehmen (vfa). Klinische Forschung und Biotech-Produktion fänden zunehmend dort statt.

Gleichzeitig sei die Zahl der Biotech-Neugründungen in Deutschland rückläufig. Investitionen in Gen- und Zelltherapien flössen fast ausschließlich in USA und Asien. Die schleichende Verlagerung von Forschung an und Produktion von Arzneimitteln werde begleitet von wachsendem Protektionismus. Der gefährde die weltweiten Lieferketten.

Lieferketten sichern steht oben

Die Lieferketten stehen in einem Katalog von sieben Forderungen des vfa ganz oben. Adressaten sind die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union, die derzeit im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft über einen 750 Milliarden Euro schweren Wiederaufbaufonds zur Bekämpfung der Corona-Folgen und den EU-Haushalt von 2021 bis 2027 verhandeln.

Forschung und Produktion von Wirkstoffen, so der vfa, sollten in den Ländern aufgebaut werde, die als verlässliche Handelspartner gälten und in denen europäische Qualitätsstandards überprüfbar eingehalten würden. Für mehr Versorgungssicherheit sollten die Arzneimittelbehörden gestärkt und über stabile Handelsabkomme die Lieferketten gesichert werden.

Zudem sollten staatliche Subventionen für den Parallelhandel abgeschafft werden. Die führten jeweils zu Versorgungsproblemen in den exportierenden Ländern.

Alles einfacher mit Euro-HTA

Der vfa, aber auch das französische Pendant Les entreprises du médicament en France (Leem), haben sich für ein europaweit einheitliches Bewertungsverfahren der Studienlage zu Arzneimitteln ausgesprochen. So ließen sich Verwaltungsverfahren vereinfachen, Doppelarbeit vermeiden und effiziente Grundlagen für nationale Finanzierungsentscheidungen. Zudem fordern die Hersteller europaweit einheitliche Grundlagen für eine „gute Herstellungspraxis“ in Pharmabetrieben.

Ein weiteres Anliegen der Industrie speziell an die deutsche Politik sind neue Finanzierungsregeln einschließlich der Aufstockung steuerlicher Forschungsförderung, um die Chancen zu erhöhen, Pharmaindustrie nach Deutschland zurückzuholen. Gleichzeitig sollte sich die europäische Universitätsmedizin stärker mit privaten Forschungsinitiativen vernetzen können, was Änderungen an der finanziellen und strukturellen Förderung ebenso erfordere wie eine Flexibilisierung öffentlich-rechtlicher Arbeitsregelungen. Die private Forschung müsse zudem Zugang zu den realen Versorgungsdaten bekommen, die mit der elektronischen Patientenakte ab 2021 aufgebaut würden.

Bakterien komplizierter als Viren

Über intelligente Erinnerungssysteme könnten die Impfquoten erhöht und die Kosten künftiger Pandemien gesenktwerden, schlagen die Pharmaunternehmen vor. Nicht nur die Entwicklung von Impfstoffen, sondern auch die von neuen Antibiotika solle gefördert werden. Bakterien seien als Forschungsobjekte sogar noch komplizierter als Viren.

Die Industrie fordert zudem den Fortbestand des Schutzes von geistigem Eigentum. Als siebten Punkt führen die Autoren des Papiers die Sicherung der Vielfalt an Therapieoptionen. In Deutschland würden Innovationen „aufgrund kurzfristiger Sparansätze“ zu wenig eingesetzt.

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