Debatte um Flatrate-Mentalität

KBV: Wir wollen Patienten nicht bestrafen

Sanktionen gegen die Flatrate-Mentalität von Patienten? So will KBV-Chef Gassen seine Idee der Wahltarife nicht verstanden wissen. Es geht nicht um Strafzahlungen, stellt die KBV klar.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
In wiefern sollen sich Patienten künftig an Gesundheitsleistungen beteiligen? Darüber ist aktuell eine Debatte entbrannt.

In wiefern sollen sich Patienten künftig an Gesundheitsleistungen beteiligen? Darüber ist aktuell eine Debatte entbrannt.

© Stauke / Fotolia

BERLIN. Für seinen Vorstoß, dass es „dauerhaft kaum jedem Patienten sanktionsfrei gestattet bleiben“ könne, jeden Arzt jeder Fachrichtung beliebig oft aufzusuchen, hat KBV-Chef Dr. Andreas Gassen scharfe Kritik geerntet. Nun stellt die KBV klar: „Es geht nicht um Strafzahlungen!“ Mündige Patienten sollten vielmehr das Recht auf Wahloptionen erhalten, erklärt die Standesvertretung auf Nachfrage der „Ärzte Zeitung“.

Um der Flatrate-Mentalität, die die Leistung auf Versichertenkarte vermittle, Herr zu werden, hatte Gassen am Wochenende im Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ Wahltarife vorgeschlagen. Damit könne verantwortungsvolles Handeln belohnt werden, erklärt die KBV nun. „Es geht darum, begrenzte Ressourcen optimal zu nutzen und damit Versorgung für alle zu sichern“, heißt es. Laut KBV wird damit die Patientenposition nicht geschwächt, sondern gestärkt.

Eine Idee, die gar nicht so neu ist: Bereits in ihrem Konzept „KBV 2020“ aus dem Jahr 2016 hatte die Körperschaft solche Wahltarife ins Spiel gebracht.

Erst im vergangenen Jahr hatte KBV-Chef Gassen im Interview mit der „Ärzte Zeitung“ klargestellt, dass die KBV damit nicht den Leistungskatalog der GKV in Frage stelle. Es sei aber unbestritten, „dass wir bei abnehmender Arztzeit viele Doppeluntersuchungen und Mehrfachkonsultationen von Patienten sehen“, sagte er im Dezember 2018.

Auch KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister unterstrich damals: „Das Versprechen, jeder kann jederzeit immer alles bekommen, ist nicht durchzuhalten.“ Hier könne man von den Selektivverträgen – gemeint ist vor allem die Hausarztzentrierte Versorgung – lernen.

Die KBV kann sich innerhalb des Wahltarif- und Primärarztmodells auch Zusatztarife für Leistungen wie etwa die Homöopathie vorstellen.

Konträre Meinungen in der Koalition

In den Reihen der großen Koalition scheint es konträre Meinungen zu den GKV-Wahltarifen zu geben. SPD-Gesundheitsexperte Professor Kar Lauterbach twitterte etwa: „Ärztefunktionäre wollen Kassenpatienten zur Kasse bitten für vermeintlich unnötige Termine. Für Privatpatienten würde das natürlich nicht gelten.“

Scharfe Kritik kam auch von der gesundheitspolitischen Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Sabine Dittmar. Sie halte den Vorschlag „für respektlos gegenüber Patienten“ und für „falsch in der Sache“, sagte Dittmar am Montag in Berlin. „Strafzahlungen“ und „Eintrittsgelder“ für die Arztpraxis seien ein Irrweg. „Wir setzen auf positive Anreize.“

So habe die SPD im Zuge des Terminservice- und Versorgungsgesetzes durchgesetzt, dass Versicherte einen Bonus erhalten, wenn sie zuerst ihren Hausarzt konsultierten. „Das ist ein wirkungsvoller Baustein, um Patientinnen und Patienten durch das System zu lenken“, betonte Dittmar.

Währenddessen sagte der CDU-Gesundheitspolitiker Alexander Krauß: „Die Diskussion, die Andreas Gassen angestoßen hat, müssen wir dringend führen.“ In der Analyse habe der KBV-Chef recht: Es gebe in Deutschland deutlich mehr Arztbesuche als im Ausland. Und das liege nicht daran, dass die Deutschen kränker seien. Krauß: „Wenn wir unser sehr gutes System erhalten wollen, dann müssen wir unnötige Arztbesuche reduzieren.“

Die KV Rheinland-Pfalz würde sogar noch weiter gehen: Sie schlägt eine sozial abgefederte, prozentuale Selbstbeteiligung auf alle Gesundheitsleistungen vor. Das würde für die Patienten Transparenz über die von ihnen ausgelösten Kosten schaffen und sie in die Mitverantwortung nehmen. Sanktionen lehnt die regionale KV aber ab. (Mitarbeit vdb, hom)

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Gesundheitssystem: Wer soll steuern?

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