Aktion „PraxenKollaps“

KVen warnen: Keine Nachfolger – und Arztpraxis-Stellen können nicht besetzt werden

KVen warnen erneut vor wachsenden Problemen in der ambulanten Versorgung. Unter anderem können Praxen in Brandenburg trotz eingeführter Pauschale von 500 Euro die offenen MFA-Stellen nicht besetzen, so eine KVBB-Umfrage. Und nicht nur Brandenburg kämpft mit unbesetzten Stellen und der Suche nach Praxisnachfolgern.

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Ein MFA-Mangel könne unter anderem zu längeren Wartezeiten führen, so die Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg. (Symbolbild mit Fotomodellen)

Ein MFA-Mangel könne unter anderem zu längeren Wartezeiten führen, warnen viele Kassenärztliche Vereinigungen. (Symbolbild mit Fotomodellen)

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Neu-Isenburg. Im Vorfeld der Krisensitzung am kommenden Freitag (18. August) schlugen die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) erneut Alarm: Unter anderem in Hessen, Berlin, Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein, Westfalen-Lippe, Schleswig-Holstein, Bayern, Niedersachsen, Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt machten am Montag die KVen erneut auf die ihrer Ansicht nach unzureichende Finanzierung der ambulanten Versorgung aufmerksam und forderten die Politik zu sofortigem Handeln auf.

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Die Suche nach Praxisnachfolgerinnen und -nachfolgern gestalte sich für die Ärztinnen und Ärzte immer schwieriger, teilte etwa die KV Nordrhein mit. Auch sei es ein enormes Problem, offene Stellen zu besetzen.

Freie Stellen in Brandenburg

Über 56 Prozent der Brandenburger Vertragsärzte, die in den vergangenen zwölf Monaten Medizinische Fachangestellte (MFA) für ihre Praxen suchten, konnten offene Stellen nicht besetzen. Das ist das Ergebnis einer Umfrage der KV Brandenburg (KVBB), die im Mai durchgeführt wurde und an der sich 150 Praxen beteiligten.

Um den Fachkräftemangel zu beseitigen, setzt Brandenburgs KV verstärkt auf Ausbildung: Seit diesem Sommer können Praxen eine einmalige Unterstützungspauschale von 500 Euro pro neu geschlossenem Ausbildungsvertrag von der KVBB erhalten.

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„Auch wenn die Umfrageergebnisse nicht repräsentativ sind, machen sie doch eins klar: Der Fachkräftemangel ist auch in unseren Praxen längst angekommen“, sagte Dr. Stefan Roßbach-Kurschat, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KVBB. Eine Praxis lasse sich nur im Team betreiben. „Der MFA-Mangel führt zu einem eingeschränkten Praxisangebot, längeren Wartezeiten für Patienten und gefährdet die ambulante Versorgung.“

Abnehmendes Interesse an der Niederlassung

Und auch der KV Mecklenburg-Vorpommern bereiten der MFA-Mangel und fehlender ärztlicher Nachwuchs Kopfzerbrechen. Der Vorstand beschreibt ein abnehmendes Interesse an der Niederlassung, insbesondere die hausärztliche Versorgung sei hiervon betroffen. Schon heute herrsche Ärztemangel: 60 Hausarztstellen und 24 Stellen der fachärztlichen Grundversorgung seien aktuell nicht besetzt.

„Dieser Mangel wird sich noch weiter verschärfen: Ein Drittel der Vertragsärzte in Mecklenburg-Vorpommern ist 60 Jahre oder älter und wird in absehbarer Zeit in den Ruhestand gehen“, teilte die KVMV mit.

Die KVen haben eine bundesweite Aktion unter dem Namen „#PraxenKollaps – Praxis weg, Gesundheit weg“ gestartet. Sie soll auf die Situation der ambulanten Versorgung aufmerksam machen.

Klinik statt Arztpraxis

Die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen (KVT) hat kritisiert, dass Medizinische Fachangestellte nach ihrer Ausbildung oft in Kliniken statt in Arztpraxen landen. Immer wieder suchten Ärztinnen und Ärzte vergeblich nach solchen Fachkräften, die unter anderem den Praxisbetrieb organisieren, berichtete KVT-Chefin Annette Rommel am Montag. Es brauche eine Aufwertung der Arbeit, um einen flächendeckenden Mangel an Medizinischen Fachangestellten abzuwenden.

Der KVT zufolge schließen jährlich rund 150 Medizinische Fachangestellte ihre Ausbildung ab – die Zahlen seien stabil. Allerdings wechselten viele von ihnen in Kliniken ab, weil es dort bessere Gehälter gebe. Grund sei das ungleiche Vergütungssystem innerhalb des Gesundheitssektors. Die Gehälter der Medizinischen Fachangestellten bezahlten die Ärzte mit ihren Honoraren. Es brauche daher eine bessere Vergütung der Teamleistungen von Arztpraxen.

Anhaltender Trend zur Anstellung

Wenn Ärztinnen und Ärzte in den Ruhestand gehen, wird Zahlen der KV Sachsen-Anhalt zufolge die Nachfolgersuche für die Praxen zunehmend schwierig. Nachbesetzungen gelängen häufiger nicht, teilte die KV in Magdeburg mit. Vor allem die hausärztliche Versorgung sei betroffen, aber auch Dermatologen und Augenärzte fehlten. Gut ein Drittel der Vertragsärzte sei 60 Jahre oder älter und gehe in absehbarer Zeit in den Ruhestand.

Die Zahl der Ärzte steige zwar, aber auch die der Teilzeitbeschäftigten. Zudem gebe es den anhaltenden Trend zur Anstellung statt zu einer eigenen Praxis. „Um den jetzigen Versorgungsstand im Land halten zu können, müssen in den kommenden Jahren peu à peu mehr als 1100 Arztstellen nachbesetzt werden“, so die KV. Schon jetzt seien aber mehr als 250 Hausarzt-Stellen im Land offen. KV-Chef Jörg Böhme erklärte: „Es braucht einfach mehr Ärzte, dazu bedarf es mehr Medizinstudienplätze.“ Zudem müssten die Rahmenbedingungen für eine eigene Niederlassung attraktiver werden.

„Schon heute gibt es in Hessen Praxen, die tageweise schließen, weil sie nicht mehr über ausreichend Personal verfügen“, sagte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der KV Hessen, Armin Beck. Das zeige sich auch im von der KVH organisierten Bereitschaftsdienst. Das sei ein dramatischer Trend, der sich insbesondere dann fortsetzen werde, wenn die Politik ihren Kurs der Geringschätzung der ambulanten Versorgung so konsequent fortsetze wie bisher.

(lass/di/bar/dpa)

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