Kohle ade - die Gesundheitsbranche gibt im Ruhrgebiet den Takt vor

Die Montanindustrie schwindet, die Gesundheitswirtschaft kommt. Auf diese Formel lässt sich der Strukturwandel bringen, der sich seit einigen Jahren im Ruhrgebiet vollzieht. Nicht mehr unter Tage spielt die Musik. Medizin und Gesundheit geben den Ton in der Region an. Das sieht auch das Bundesforschungsministerium so und hat das Ruhrgebiet als eine von 20 Gesundheitsregionen ausgezeichnet. Wir stellen sechs dieser Regionen in einer Serie vor.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:

Die Menschen im Ruhrgebiet gelten als herzlich, tolerant und alles andere als anmaßend. "Manchmal", sagt Dr. Uwe Kremer, Geschäftsführer des Gesundheitsclusters MedEcon Ruhr GmbH in Bochum, "neigen wir jedoch dazu, unser Licht unter den Scheffel zu stellen." Nicht so beim Thema Gesundheitswirtschaft. Hier lassen die Botschaften auf ein gesundes Selbstbewusstsein schließen. "Das Ruhrgebiet ist eine der größten Gesundheitsregionen Deutschlands", sagt Josef Hilbert, Forschungsdirektor am Institut für Arbeit und Technik (IAT) in Gelsenkirchen und Mitglied im MedEcon-Vorstand.

"Im Ruhrgebiet leben über fünf Millionen Menschen. Wenn Sie medizinische Dienstleistungen auf die Straße bringen wollen, dann sind die Chancen, damit schnell eine breite Masse zu erreichen, hier größer als anderswo." Die Gesundheitsmetropole Ruhr setzt aber nicht bloß auf Masse. "Das Ruhrgebiet mausert sich zur Klasse-Forschungslandschaft für Spitzenmedizin", sagt Hilbert.

Herzinfarktverbund sorgt für bessere Abstimmung

Der 7 Tesla-Magnetresonanztomograf am Erwin-Hahn-Institut für Magnetresonanz in Essen oder der Bau des Protonentherapiezentrums am Universitätsklinikum Essen seien nur die "Spitze des Eisbergs". Punkten kann der "Ruhrpott" auch bei der Integrationsversorgung. "Wir haben uns zu einer Modellregion für innovative Konzepte der integrierten Versorgung und der dazugehörigen IT entwickelt", erklärt MedEcon-Geschäftsführer Kremer.

Als Beispiel nennt er den "Herzinfarktverbund Essen" - eine Kooperation von Ärzten und Kassen mit dem Ziel, Behandlungsabläufe zwischen Rettungssanitätern, Notärzten und Klinikärzten zu optimieren. Als wegweisend gilt auch das an der Ruhr entwickelte Prosper-Modell der Bundesknappschaft, bei der rund 1,4 Millionen Menschen versichert sind.

Bei Prosper schließen sich unter dem Dach der Knappschaft niedergelassene Ärzte und Kliniken einer Region zu einem Netz zusammen. "Auf diese Weise entsteht ein integrierter Behandlungsansatz mit gemeinsamen Therapieempfehlungen, durchgehender Qualitätssicherung und ausgeschöpften Effizienzreserven", sagt Hans-Adolf Müller, Abteilungsleiter Gesundheitsmanagement bei der Knappschaft.

Weiteres Erfolgsmodell integrierter Versorgung ist das "Netz Essen Onkologie", das im Frühjahr 2005 zwischen dem Alfried Krupp Krankenhaus, den Kliniken Essen-Mitte, dem Ambulanten Tumorzentrum und mehreren Kassen gesponnen worden ist. Im Mittelpunkt steht der "Patienten-Scout". Er begleitet den an Krebs Erkrankten und koordiniert alle notwendigen Behandlungsschritte.

Sorgt für neue Einblicke: Der 7 Tesla MRT am Erwin L. Hahn Institut für Magnetresonanz in Essen.

Sorgt für neue Einblicke: Der 7 Tesla MRT am Erwin L. Hahn Institut für Magnetresonanz in Essen.

© Foto: Erwin L. Hahn Institute

Bange, dass solche Versorgungsangebote kippen könnten, weil die Anschubfinanzierung Ende 2008 ausläuft, ist den Akteuren im Ruhrgebiet nicht. Die Kassen vor Ort wollen bei der Stange bleiben. Man wolle auch 2009 innovative Konzepte fortführen oder initiieren, "wenn Qualität und Nutzen in hohem Maß gegeben sind und das Preis-Leistungsverhältnis stimmt", sagt etwa Cornelia Prüfer-Storcks, Vorstandsmitglied der AOK Rheinland/Hamburg.

Rückenschmerzen bilden einen Fokus der Arbeit

Vorreiter nennen darf sich das Ruhrgebiet bei der Erforschung von Volkskrankheiten. Den Patienten in der Region stehen viele Angebote in den Bereichen Prävention, Gesundheitsförderung und Rehabilitation zur Auswahl. Ein Fokus liegt dabei bei Versorgung von Menschen mit chronischen Rückenschmerzen. "Bei dieser Indikation kann sich die Region besonders profilieren - nicht zuletzt wegen unserer starken Positionen in Schmerzforschung und Arbeitsmedizin", sagt MedEcon-Chef Kremer.

"Die unterschiedlichen Faktoren des Krankheitsbildes chronische Rückenschmerzen erfordern ein sehr fallspezifisches Herangehen", sagt Birgit Fischer, Vorstandsvize der Barmer Ersatzkasse. Die Kasse habe "ein hohes Interesse, dass der Ansatz der personalisierten Medizin vor allem bei chronischen Erkrankungen Eingang in entsprechende Versorgungskonzepte findet und das Ruhrgebiet hierbei eine Vorreiterrolle spielt".

Lesen Sie dazu auch: Molekularbiologie kann helfen, Prävention effizienter zu machen Zwei Leuchttürme der Forschung in Essen Branche & Handel Wettbewerb des Forschungsministeriums Geografie & Demografie Prävention ist vor allem an der Ruhr "Herzenssache"

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