Affen, Mäuse, Frösche und Kraken

Krebsforscher halten Tierversuche für unverzichtbar

Tierversuche sind in der Öffentlichkeit umstritten. Krebsforscher argumentieren, ohne sie komme man nicht aus. Kritiker widersprechen und setzen auf alternative Methoden.

Von Oliver Schmale Veröffentlicht:
Eine Mitarbeiterin steht im Zentralen Tierlabor des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) neben einem Transportwagen mit Tierkäfigen.

Eine Mitarbeiterin steht im Zentralen Tierlabor des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) neben einem Transportwagen mit Tierkäfigen.

© Uwe Anspach / dpa

Heidelberg. Labormäuse im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) leben manchmal nur wenige Tage oder bis zu zwei Jahre lang. Aktuell beheimatet das DKFZ etwa 44.300 Mäuse, wie Tierärztin Annalena Riedasch berichtete. Sie kümmert sich mit ihren Kollegen um das Wohlergehen der Tiere, an denen die Wissenschaftler ihre Forschung betreiben. Anlässlich des Internationalen Tags des Versuchstiers jüngst warb die Einrichtung in Heidelberg um Verständnis für Tierversuche.

DKFZ: Nötig für Krebsforschung

Solche Experimente seien für die Krebsforschung notwendig, sagte DKFZ-Wissenschaftler Professor Kurt Reifenberg. Er und seine Kolleginnen und Kollegen sind der Überzeugung, dass sich nur so wirksame Mittel gegen Tumore entwickeln lassen können. Ganz anderer Meinung hingegen sind natürlich die Gegner. Veterinärin Dr. Gaby Neumann von „Ärzte gegen Tierversuche“ sagte auf Anfrage: „95 Prozent der Krebsmedikamente, die im Tierversuch wirksam und gut verträglich sind, scheitern in den anschließenden Studien am Menschen. Vor allem, weil sie nicht wirken oder hochgradige Nebenwirkungen verursachen.“

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Die Wissenschaftler am DKFZ betreiben Grundlagenforschung und befassen sich damit, wie die Ergebnisse in eine mögliche Anwendung umgesetzt werden können. Dr. Angelika Riemer, die Leiterin der Abteilung Immuntherapie- und -prävention, forscht an einem therapeutischen Impfstoff zur Behandlung von HPV-bedingten Krebsarten. Neue Vakzine könnten nur in kompletten Organismen, deren Immunsystem dem des Menschen ähnele, ausprobiert werden. Die Tests erfolgten an speziellen Mäusen.

Einsatz für HPV-Vakzine

Am DKFZ in Heidelberg wird schon seit Jahren an dem Thema geforscht. Infektionen mit humanen Papillomaviren (HPV) können nach Angaben von Riemer nicht nur Gebärmutterhalskrebs verursachen, sondern auch Mund-Rachen-Krebs oder Analkrebs. In Deutschland gingen pro Jahr etwa 7700 Krebsfälle auf das Konto von HPV. Seit 2007 gibt es in Deutschland eine Schutzimpfung dagegen. „Leider haben die derzeit gegen HPV verfügbaren Impfstoffe keinen therapeutischen Effekt.“ Sie wirkten also nicht, wenn bereits eine HPV-Infektion, Krebsvorstufen oder Krebs vorliege.

Im DKFZ kümmern sich sieben Tierärzte und etwa 60 Pfleger um die Mäuse, Ratten, Krallenfrösche und Meerschweinchen. 2021 seien 55.514 Tiere für wissenschaftliche Zwecke genutzt worden. Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) sagte auf Anfrage in Stuttgart: „Die Forschenden weisen auf die Bedeutung von Tierversuchen hin, arbeiten aber auch aktiv an neuen Möglichkeiten und weisen besonders dem Tierschutz und der Tierhaltung eine zentrale Rolle zu.“ Tierversuche werden nach Einschätzung des Ministeriums auf absehbare Zeit wesentlich für die biomedizinische Forschung bleiben. Auch in der Grundlagenforschung.

Skepsis bei Tierversuchsgegnern

Nach Angaben von Tierversuchsgegnerin Neumann fließen über 99 Prozent der öffentlichen Gelder in tierexperimentelle Forschung – und nur unter ein Prozent in tierversuchsfreie Technologien. „Dies gilt es zu ändern, denn moderne Medizin braucht moderne Forschungsmodelle – und die sind humanbasiert und tierversuchsfrei.“

In Deutschland ist die Zahl der verwendeten Versuchstiere 2020 gesunken. Es wurden knapp 1,9 Millionen Wirbeltiere und Kopffüßer – etwa Kraken – eingesetzt, wie das Bundesinstitut für Risikobewertung mitteilte. Im Vergleich zu 2019 ist das den Angaben zufolge ein Minus von 14 Prozent. Außerdem wurden im Jahr 2020 insgesamt 2031 Affen und Halbaffen für Tierversuche verwendet – ein Rückgang von rund 38 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. (dpa)

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