Bundestag

Masern-Impfpflicht ist beschlossen

Deutschland führt die Masern-Impfpflicht ein: Der Bundestag gab grünes Licht für das Masernschutzgesetz. Bei der letzten Beratung stand die Frage im Mittelpunkt, inwieweit der Staat die freie Entscheidung der Bürger bestimmen dürfe.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht: | aktualisiert:
Schluss mit Masern, das wünscht sich Gesundheitsminister Spahn. Die Impfpflicht soll helfen.

Schluss mit Masern, das wünscht sich Gesundheitsminister Spahn. Die Impfpflicht soll helfen.

© fotohansel / stock.adobe.com

Berlin. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es erstmals seit den 1970er Jahren wieder eine Impfpflicht.

Der Bundestag hat am Donnerstag mit den Stimmen von Union, FDP, SPD und einiger Linker eine weitreichende Pflicht zur Impfung gegen Masern beschlossen. Grüne und weitere Teile der Linke-Fraktion enthielten sich eines Votums, die AfD stimmte dagegen.

Die DDR hatte 1970 eine Masernimpfpflicht eingeführt. Eine erste Impfpflicht hatte 1884 das Kaiserreich im Kampf gegen die Pocken ausgerufen.

Wo hört die individuelle Freiheit auf?

In der abschließenden Debatte spielte die Verhältnismäßigkeit von staatlichem Zwang gegenüber der individuellen Freiheit eine herausragende Rolle. „Die Freiheit des Einzelnen bedeute auch Verantwortung“, mahnte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU).

Impfgegner stellten ihr persönliches Interesse über den Schutz der Allgemeinheit, sprang die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion dem Minister bei. „Die individuelle Freiheit hört da auf, wo die Gesundheit anderer gefährdet wird“, sagte Sabine Dittmar. Weder Globuli, Klangschalen noch Handauflegen könnten die durch Masern ausgelösten Gefahren relativieren.

Die Gesundheitspolitikerin der FDP, Kathrin Hellig-Plahr, bezeichnete Menschen, die die tatsächlich bestehenden Risiken einer Maserninfektion bis hin zu tödlichen Komplikationen verharmlosten, im besten Fall als naiv, in jedem Fall aber als „Impfschmarotzer“.

Der Staat greife mit dem Masernschutzgesetz nicht nur in die persönliche Freiheit ein, sondern auch in die Freiheit der Berufsausübung, sagte Georg Nüsslein (CSU). Ärzte in Praxen und Kliniken sowie Angehörige medizinischer Fachberufe, Erzieher und Lehrer zur Masernimpfung zu verpflichten bedeute einen „geeigneten, erforderlichen und angemessenen Schritt“ in Richtung auf den Schutz der Öffentlichkeit.

Masernschutz per Impfpflicht

  • Alle Kinder älter als ein Jahr müssen vor der Aufnahme in Kitas, Schulen und anderen Gemeinschaftseinrichtungen eine Masernimpfung nachweisen.
  • Erzieher, Lehrer, Ärzte und medizinisches Personal müssen ebenfalls die Masernimmunisierung nachweisen. Ausgenommen sind vor 1971 Geborene und Menschen mit medizinischen Kontraindikationen.
  • Eltern, die ihre betreuten Kinder nicht impfen lassen, müssen mit Bußgeld bis zu 2500 Euro rechnen.
  • Alle Ärzte dürfen künftig impfen. Reihenimpfungen werden erleichtert. Das Gesetz tritt zum 1. März 2020 in Kraft.

Vielen Erwachsenen fehlt die zweite Impfung

Mehrere Redner warnten davor, dass Impflücken vor allem Erwachsene im Alter von 20 bis 50 Jahren beträfen, denen die zweite Masernimpfung fehle. Es müsse auch bei Erwachsenen das Bewusstsein für die von Masern ausgehenden Risiken geweckt werden, so SPD-Gesundheitspolitikerin Martina Stamm-Fiebich.

Diese Gruppen sollen mit dem Gesetz gezielt angesprochen werden. Wenn die Impfsurveillance des Robert-Koch-Instituts aus den Abrechnungsdaten künftig Impflücken herauslese, könne die BZgA an diesen Stellen gezielt Aufklärung betreiben, sagte der Berichterstatter für das Gesetz Rudolf Henke am Vorabend der Abstimmung der „Ärzte Zeitung“.

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Ausnahmen klar definiert

Um Impfgegnern keine Möglichkeit zu geben, Umgehungstatbestände in den Ländern zu schaffen, hat der Bundestag die Ausnahme von der Impfpflicht hart definiert. Ein Aussetzen sei nur in Fällen von Lieferengpässen bei Masernimpfstoffen möglich, sagte Henke. Als Lieferengpass gelte nicht, wenn ausschließlich mit Röteln, Mumps und Windpocken kombinierte Masernimpfstoffe vorlägen, sagte Henke.

Die mit dem Gesetz geschaffenen Möglichkeiten, in Modellvorhaben Impfungen von Apothekern vornehmen zu lassen, stoßen bis tief in die Regierungsfraktionen auf Zweifel.

„Ich glaube nicht, dass das eine Regelung ist, die wirklich fliegen wird“, sagte Henke der „Ärzte Zeitung“. Man müsse auf allergische Reaktionen vorbereitet sein. Ob die Apotheker sich das zutrauten, müsse man abwarten.

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