Arzt trifft auf Zukunftsforscher

Mensch versus Technik – zwei Plädoyers

Zum Auftakt des "Hartmann Zukunftsforums 2018" stritten Arzt Dr. Eckart von Hirschhausen und Trendforscher Sven Gábor Jánszky über die Medizin der Zukunft.

Anke ThomasVon Anke Thomas Veröffentlicht:
Um die Digitalisierung wird ganz schön viel Hype gemacht, findet Dr. Eckart von Hirschhausen.

Um die Digitalisierung wird ganz schön viel Hype gemacht, findet Dr. Eckart von Hirschhausen.

© Paul Hartmann AG

HEIDENHEIM. Der eine ist Arzt, der andere Zukunftsforscher. Der eine plädiert für mehr menschliche Zuwendung und deren Heilkraft, der andere glaubt fest an die positiven Effekte der Digitalisierung und der Künstlichen Intelligenz für das Gesundheitswesen. Der eine ist Dr. Eckart von Hirschhausen, der andere der Trendforscher Sven Gábor Jánszky. Die beiden vertraten auf dem "Hartmann Zukunftsforum 2018" Standpunkte, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

Zu der Veranstaltung anlässlich ihres 200-jährigen Bestehens hatte die Paul Hartmann AG rund 400 Vertreter aus Apotheken, Kliniken, Pflege, Ärzteschaft und Politik nach Heidenheim eingeladen, um über Herausforderungen im Gesundheitswesen mit Experten zu diskutieren und sich auszutauschen.

Mehr reden statt zu röntgen

Es wird ganz schön viel Hype um die Digitalisierung gemacht, findet Dr. Eckart von Hirschhausen. Der bekannte Arzt, Moderator und Gründer der Stiftung "Humor hilft heilen" plädierte dafür, die heilende Kraft der Zuwendung nicht aus den Augen zu verlieren. In den letzten zweihundert Jahren sei immer mehr Distanz zum Menschen aufgebaut worden. Es begann bereits mit der Erfindung des Stethoskops.

Während früher Heiler ihr Ohr an den Brustkorb des Menschen gelegt, um Herzschlag oder Atemgeräusche abzuhören, wurde mit dem Stethoskop – auch wenn es die Sinne der Ärzte schärft – Abstand zum Patienten geschaffen, so von Hirschhausen. Diese Entwicklung zur Technisierung hin hat sich bis heute immer mehr verschärft.

Aber ist das wirklich der richtige Weg? Wer möchte schon von der digitalen Hand eines Roboters angefasst werden?, verdeutlichte Hirschhausen seine Bedenken.

Plädoyer für die Zuwendung

Der Kern der Medizin – die Zuwendung – sei mehr und mehr verloren gegangen. Die antiwissenschaftliche Alternativmedizin werde immer weniger oder überhaupt nicht ernst genommen, aber auch das Vertrauen in wissenschaftliche Daten sei in den letzten Jahrzehnten massiv erodiert.

Warum, so von Hirschhausen weiter, wird die Demografie eigentlich immer als eine furchtbare Entwicklung dargestellt? Schließlich sei es doch gut, wenn Menschen älter würden. Humanmedizin, so der Arzt weiter, brauche den Menschen. Und Gesundheit entstehe im Miteinander.

"Verordnen Sie Tanzen oder Singen", lautet Hirschhausens Plädoyer, statt immer mehr auf Distanz, Digitalisierung und Technik zu setzen. Statt immer mehr zu röntgen, sollte viel mehr geredet werden. Sprache wirke dabei wie ein Medikament.

Der Trendforscher Sven Gábor Jánszky Gründer und Chairman vom ThinkTank Trendinstitut 2b AHEAD, der gemeinsam mit rund 300 deutschen CEO und Innovationschefs jährlich die aktuellen Entwicklungen analysiert, glaubt gar nicht, dass Digital Health in Zukunft das richtig große Ding ist. Die eigentlichen Themen, die große Veränderungen bringen, seien die Gen-Analyse, das Gen- Editing, Spare Parts (Ersatzteile) und Künstliche Intelligenz bzw. "Brain Upload".

Herzen nach Bedarf ausdrucken?

Pflege-, Gesundheits-, Ernährungsprobleme – das sind alles keine Themen für den Zukunftsforscher, der fest daran glaubt, dass es Lösungen dafür geben wird. Und Menschen werden in Zukunft noch älter werden und dabei ein angenehmeres Leben als heute führen. Die rosigen Aussichten erklärt der Trendforscher damit, dass es möglich sein wird, defekte Gene auszumachen und die Defekte zu heilen, sodass später erst gar keine Krankheit ausbrechen kann.

Jemand braucht ein neues Herz? Banges Warten muss in Zukunft nicht mehr sein. Forscher arbeiten bereits daran, aus menschlichem Gewebe nach Bedarf ein passendes Herz in 3D auszudrucken, so Gábor Jánszky. Und wenn das noch etwas dauert, erzählt er von einer Forscherin, die einen Stoff entdeckt hat, der aus dem Meer stammt und der dafür sorgen soll, dass Wassermoleküle in gefrorenem Zustand nicht mehr kristallisieren. Wenn diese Methode funktioniert, könnten Herzen einfach eingefroren und bei Bedarf aufgetaut werden, schwärmt der Zukunftsforscher vor dem staunenden Publikum.

Elende Staus auf Autobahnen oder in Städten – kein Thema mehr, wenn Echtzeitdaten ausgewertet und Autofahrer so gelenkt werden, dass erst gar kein Stau entsteht und das System somit einen Blick in die Zukunft vornimmt. Dies sei zum Beispiel bereits in Peking gelungen.

Auch dass es irgendwann gelingen wird, dem Computer eine Seele einzuhauchen oder selbstlernende System zu entwickeln, die weitaus besser funktionieren als der Mensch, auch davon ist der Zukunftsforscher überzeugt.

An zweiter Stelle der Schöpfung

Dann wird die Herausforderung darin bestehen, dass der Mensch damit umgehen muss, dass er nicht mehr an erster Stelle der Schöpfung stehe, sondern den zweiten Rang einnehme. Der Mensch wird nicht mehr als Experte eines speziellen Wissens gefragt sein, sondern mehr als Coach.

Aufzuhalten sei das alles nicht mehr, zeigt sich Gábor Jánszky mit merkelscher Alternativlosigkeit überzeugt. Und bei allem komme es auf den Blickwinkel an. Die Gábor Jánszky-Formel könnte lauten: Besser sich über das halb volle Glas freuen, als die fehlende Hälfte zu beklagen.

Beide Redner – der eine mit dem Auge in der Gegenwart, der andere mit dem Blick in die Zukunft – überzeugen und faszinieren das Publikum. Die unterschiedlichen Sichtweisen der beiden bieten sicher viel Stoff für Diskussionen in der Gegenwart und für die Zukunft.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Medizinischer Stand der Dinge

Neue Herausgeber der Nationalen Versorgungsleitlinien melden Vollzug

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

© Springer Medizin Verlag

Unternehmen im Fokus

Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Advanz Pharma GmbH, München
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Manchmal kommt Künstliche Intelligenz ziemlich abstrakt daher. Doch es gibt zunehmend auch konkrete Anwendungen, sogar für Arztpraxen.

© 3dkombinat - stock.adobe.com

Praxisorganisation

Mit KI zu mehr Entlastung fürs Praxisteam

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Doctolib GmbH
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Lungensurfactant

Warum Seufzen der Atmung gut tut

Lesetipps
Der Rücken eines Mannes mit Gürtelrose zeigt Vesikel.

© Chinamon / stock.adobe.com

Alter für Indikationsimpfung herabgesetzt

STIKO ändert Empfehlung zur Herpes zoster-Impfung

Mammografie-Screening bei einer Patientin

© pixelfit / Getty Images / iStock

Prävention

Mammografie-Screening: Das sind Hindernisse und Motivatoren