Lockdown aufheben oder nicht?

Montgomery warnt vor bundesweiten Corona-Lockerungen

Viele Menschen wünschen sich Lockerungen der Corona-Beschränkungen. Mediziner und Politiker sehen aber vorschnelle Aktionen aus Sorge vor ansteckenderen Virusmutationen eher kritisch.

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Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery (hier in der Talkshow bei Annette Will) warnt vor zur früher Lockdown-Öffnung .

Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery (hier in der Talkshow bei Annette Will) warnt vor zur früher bundesweiter Lockdown-Öffnung.

© picture alliance / Eventpress

Berlin. Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, hat sich vor den Bund-Länder-Beratungen am Mittwoch gegen bundesweite Lockerungen ausgesprochen. „Ich warne davor, gleich auf Bundesebene eine Öffnung oder Lockerung ins Auge zu fassen“, sagte Montgomery der „Passauer Neuen Presse“ (Online/Samstag). „Klug wäre es, gemäß einem hoffentlich inzwischen vorliegenden Plan lokal und regional ab Unterschreiten der magischen Inzidenzgrenze von 50 Lockerungen vorzunehmen. Das hieße, dass man sich in einer Stadt oder einem Landkreis, in dem die Inzidenz schon bei 25 liegt, freier bewegen können sollte als in anderen mit höchsten Infektionsraten.“

Aus Sicht von Montgomery wäre es rein medizinisch am klügsten, zu warten, bis die Sieben-Tages-Inzidenzen überall bei unter 10 lägen. Diesen Wert hatte zuletzt auch die Virologin Melanie Brinkmann als sinnvoll bezeichnet.

Montgomery warf aber ein: „Das ist nicht realistisch in einem föderalen Staat, und das würde eine coronamüde Bevölkerung nicht hinnehmen. Deswegen darf man die Geduld der Menschen nicht überstrapazieren, muss ihnen aber auch sagen, welches Risiko sie eingehen.“

Gebremste Lockdown-Pläne

Vor den Bund-Länder-Beratungen am Mittwoch warnten am Wochenende auch etliche Politiker vor vorschnellen Lockerungen in der Corona-Pandemie. Mit ein Grund sind Sorgen vor der Ausbreitung ansteckenderer Virusmutationen, die für ansteigende Infektionszahlen sorgen könnten. So sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Samstag auf dem weitestgehend online organisierten CDU-Landesparteitag im niedersächsischen Hildesheim: „Wenn die Zahlen sinken, und das tun sie, dann haben wir mehr Perspektiven (...)“. Doch sollte man nichts überstürzen. „Sicherheit ist – glaube ich – am Ende der beste Ratgeber.“ Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) äußerte sich ebenfalls dagegen, vorschnell Termine für ein Lockdown-Ende oder erste Öffnungsschritte festzulegen. „Die Infektionszahlen sinken weiter, und ich hoffe sehr, dass sich dieser Trend fortsetzen wird. Dennoch bleibt da momentan eine große Unsicherheit“, sagte der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK).

CDU-Bundeschef Armin Laschet betonte wiederum, dass bei der Lockerungs-Debatte Kitas und Schulen im Mittelpunkt stehen müssten. Ähnlich sieht es Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer: „Sobald es das Infektionsgeschehen zulässt, sollen zunächst die Kindergärten öffnen und die Grundschulkinder wieder in die Schulen gehen können. So werden wir es in Sachsen organisieren und so halte ich es auch für ganz Deutschland für richtig.“

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Thüringens rot-rot-grüne Landesregierung hat derweil einen Fahrplan entwickelt, wie der Ausstieg aus dem Corona-Lockdown in den kommenden Wochen erfolgen soll. Vorgesehen sind nach dem Konzept, fünf Stufen mit einem unterschiedlichen Grad an Öffnungen abhängig vor allem vom Infektionsgeschehen. Demnachkönnten Friseure und Kosmetiker in Thüringen bei strengen Infektionsschutzauflagen bereits bei einer Sieben-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohnern zwischen 100 und unter 200 wieder öffnen. Große Teile des Einzelhandels sowie Gaststätten könnten bei Werten zwischen 50 und 100 wieder mit Auflagen starten.

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Unterdessen sind in den ersten Bundesländern, so in Hessen, Nordrhein-Westfalen, Berlin und Thüringen, sind am Samstag Lieferungen des Corona-Impfstoffs des Herstellers Astrazeneca eingetroffen. Die Bundesregierung zeigt sich offen dafür, Impfstoffherstellern stärker unter die Arme zu greifen.

Finanzielle Hilfen für Corona-Impfstoff-Hersteller

In einem Bericht des „Spiegel“ hatte der Mainzer Corona-Impfstoffhersteller BionTech erläutert, dass zum geplanten Ausbau der Produktionskapazitäten auch finanzielle Unterstützung vom Staat nötig sei. „Im vergangenen Jahr hätte uns mehr Geld nicht geholfen, weil wir den Produktionsprozess im großen Maßstab erst sicher aufstellen mussten“, wird Finanzvorstand Sierk Poetting zitiert. „Jetzt aber würde Geld helfen. Erst recht, wenn wir für nächstes Jahr eine Kapazität von drei Milliarden Dosen antizipieren sollen, wie es diese Woche bereits angefragt wurde.“

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) räumte gegenüber der dpa ein: „BionTech hat auf dem Impfgipfel einen möglichen Finanzbedarf von bis zu 400 Millionen Euro für die Reservierung von Kapazitäten und Rohstoffen bis in das nächste Jahr hinein dargelegt. Wir sind im Austausch mit dem Unternehmen, um dies weiter zu konkretisieren.“ Darüber spreche man auch mit anderen Herstellern von Impfstoff. „Wir wollen für den Fall problematischer Mutationen oder notwendiger Auffrisch-Impfungen auch für 2022 ausreichend Kapazität für Deutschland, Europa und die Welt sichern.“ (dpa/run)

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