Corona-Pandemie
SARS-CoV-2-Mutationen bestimmen die weitere Corona-Agenda
Eine Aufhebung des Lockdowns Mitte Februar steht noch nicht fest. Grund dafür dürfte die Ausbreitung der Corona-Mutationen sein. Dafür soll sogar von geltenden Impfempfehlungen abgewichen werden.
Veröffentlicht:Berlin. Ob Bund und Länder in der kommenden Woche Lockerungen des Lockdowns beschließen werden, steht offenbar noch nicht fest. „Das müssen wir besprechen“, sagte Gesundheitsminister Jens Spahn am Freitag vor der Bundespressekonferenz.
Ein Grund gegen weitreichende Öffnungen dürften die sich ausbreitenden Mutationen sein. „Die Mutanten des Coronavirus sind in Deutschland angekommen“, warnte der Präsident des Robert-Koch-Instituts, (RKI) Professor Lothar Wieler. „SARS-CoV-2 ist noch gefährlicher geworden“.
Die Varianten würden das Geschen nicht dominieren, so Wieler. Ausweislich der Ergebnisse der Genomsequenzierung liege ihr Anteil in Deutschland aktuell bei sechs Prozent. Die britische Variante B.1.1.7 sei aber um ein Vielfaches ansteckender als die Grundform des Virus. Ihr R-Wert liege um 0,5 höher. Bei jeder Öffnung der Lockerungen seien daher weiter die Schutzkonzepte zu beachten.
Spahn wirbt für mehr Tempo bei COVID-Erstimpfungen
In den Kontext der Mutationen kann auch die Empfehlung Spahns an die Länder eingeordnet werden, die Erstimpfungen zu beschleunigen. Spahn hatte in einem Schreiben an die Länder angeregt, Tempo zu machen, um die Zahl der Erstimpfungen nach oben zu treiben. Er empfehle, die für den 6., 12. und 19. Februar angekündigten Impfdosen „vollständig“ zu verimpfen, heißt es in dem Brief, der der „Ärzte Zeitung“ vorliegt.
Auf diesem Weg könnten nach der Zulassung von AstraZeneca in den ersten drei Februarwochen mehr als 1,7 Millionen Bürger ihre Erstimpfung erhalten, warb der Minister für seinen Vorschlag.
Erste Lieferungen des Impfstoffs von AstraZeneca würden heute und morgen an die Länder geliefert, kündigte Spahn an. Die Empfehlung des Gesundheitsministers an die Länder, alle Dosen des britisch-schwedischen Unternehmens AstraZeneca schnell zu verimpfen, ohne die Hälfte für die Zweitimpfung zurückzuhalten, kritisierte der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) Professor Klaus Cichutek zumindest nicht, verwies aber auf den Zulassungsstand.
Die Zulassung beruhe auf einer zweiten Impfung zwischen vier und zwölf Wochen nach der ersten, so der PEI-Chef. Es gebe Hinweise der Ständigen Impfkommission, dass eine Zweitimpfung erst ab neun Wochen nach der ersten die Wirksamkeit der Vakzine erhöhen könne. Wenn es neuere Daten gebe, könne die Zulassung dementsprechend anpasst werden.
PEI verteidigt neuen Corona-Impfstoff
Cichutek verteidigte den Impfstoff aus Großbritannien gegen grundsätzliche Kritik: Alle zugelassenen Impfstoffe hätten ein „günstiges Nutzen-Risiko-Profil“ und erfüllten mit einer Wirksamkeit von 60 Prozent und einem sehr guten Sicherheitsprofil sämtliche Kriterien. Nach ersten Ergebnissen sei er im Vergleich zu den mRNA-Wirkstoffen möglicherweise verträglicher.
Für die künftige Impfstoffversorgung spannte der Gesundheitsminister einen breiten Rahmen auf. Die Europäische Union werde weiter mit allen aussichtsreichen Impfstoffentwicklern Verträge abschließen. Es wisse Stand jetzt niemand, ob gegen COVID-19-Geimpfte eine Auffrischimpfung brauchten. Vorsorge werde daher auch für 2022 und darüber hinaus getroffen.
Impfverordnung gilt ab Montag
Mit Blick auf die laufende Impfkampagne stellte Spahn vorsichtig in Aussicht, dass die Angehörigen der Gruppe mit höchster Impfpriorität bis zum 31. März durchgeimpft sein könnten.
Der Minister kündigte an, die neue, sich an den unterschiedlichen Eigenschaften der verfügbaren Impfstoffe orientierende Impfverordnung noch am Freitag zu unterzeichnen. In Kraft treten soll sie voraussichtlich am Montag. „Es bleiben harte Wochen der Knappheit bis ins zweite Quartal.“
„No“ zu „No-Covid“
Der im Raum stehenden No-Covid-Strategie erteilte Spahn erneut eine Absage: „Der Preis ist zu hoch“, sagte der Minister. Das Ziel der Bundesregierung sei derzeit, eine Überbelastung des Gesundheitswesens zu vermeiden. Das sei ein anderes Ziel als die Infektionen auf Null zu drücken. „Als dicht besiedeltes Land in der Mitte eines Kontinents gelegen, ohne Outback“, stelle sich zudem die Frage, „ob eine solche Strategie eins zu eins auf Deutschland übertragbar ist“, sagte Spahn.