Förderung der Weiterbildung

Neue Ärzte braucht das Land

Das VSG hat sich auch die Förderung der Weiterbildung auf die Fahne geschrieben. Ob diese durch das Gesetz tatsächlich einen Auftrieb bekommt, ist fraglich - doch vereinzelt sind bereits Leuchtturmprojekte zu finden.

Von Jana Kötter Veröffentlicht:
4902 Ärzte in Weiterbildung erhielten der KBV zufolge im vergangenen Jahr eine Förderung, 14 Prozent mehr als 2013.

4902 Ärzte in Weiterbildung erhielten der KBV zufolge im vergangenen Jahr eine Förderung, 14 Prozent mehr als 2013.

© Andrey Popov / iStock / Thinkstock

NEU-ISENBURG. "Dem deutschen Gesundheitswesen gehen die Ärzte aus!" Die Studie der Bundesärztekammer mit dem alarmierenden Titel bringt das Problem auf den Punkt: Die deutsche Ärzteschaft überaltert, im ambulanten Bereich ergibt sich bis zum Jahre 2020 "ein Ersatzbedarf von 51.774 Ärzten".

Die Analyse stammt aus dem Jahr 2010, das Problem ist nicht neu. Viel Zeit wurde vertan, Medizinstudierende für die Allgemeinmedizin zu begeistern, in ihrer Weiterbildung blieben junge Ärzte oft auf sich allein gestellt. Das Ergebnis: Die durchschnittliche Weiterbildungszeit zum Allgemeinarzt kletterte bis auf 9,5 Jahre.

Die rechtliche Grundlage zur Förderung der Weiterbildung wurde mit Inkrafttreten des GKV-Solidaritätsstärkungsgesetzes 1999 geschaffen; die gegenwärtige Fördervereinbarung, die unter anderem Koordinierungsstellen vorsieht und die zuvor getrennten Ansätze für den ambulanten und stationären Bereich vereint hat, ist seit 2010 wirksam.

Die "Vereinbarung zur Förderung der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin" stockte die finanzielle Förderung von Praxis-Chefs als Arbeitgeber auf: Für ihre Assistenten im ambulanten Weiterbildungsabschnitt erhalten sie seither 3500 statt wie zuvor 2040 Euro im Monat.

Evaluationsbericht der KBV

Der jüngst vorgelegte Evaluationsbericht der KBV zeigt erste Früchte dieser Bemühungen (die "Ärzte Zeitung" berichtete): 4902 Ärzte in Weiterbildung erhielten im vergangenen Jahr eine Förderung, 14 Prozent mehr als 2013.

Ein Blick auf die Entwicklung bei den Facharztanerkennungen zeigt jedoch, dass in der Allgemeinmedizin Luft nach oben ist: Der Anteil der Fachärzte für Allgemeinmedizin oder für Innere und Allgemeinmedizin an den Neu-Anerkennungen hat nur um 106 auf 1218 zugelegt. Statt 9,97 (2013) sind es nun 10,4 Prozent - ein geringfügiger Fortschritt.

Das Versorgungsstärkungsgesetz soll den bisherigen Bemühungen einen Schub verpassen. Die Zahl der Förderstellen in der Allgemeinmedizin wird von 5000 auf 7500 erhöht - KVen dürfen die Zahl der Weiterbildungsstellen nicht begrenzen -, außerdem sollen bundesweit bis zu 1000 Stellen in der "allgemein-fachärztlichen Versorgung" gefördert werden.

Pädiatrie, Gynäkologie und Augenärzte im Blick

Welche Gruppen aus dem Bereich der "allgemein-fachärztlichen Versorgung" zu den "grundversorgenden Fachärzten" gehören, das sollen die Vertragspartner selbst definieren.

"Dazu sollen sich die Vertragspartner auf Grundversorger aus der Gruppe der allgemeinfachärztlichen Versorgung nach Paragraf 12 der Bedarfsplanungsrichtlinie einigen", heißt es in der Begründung. Der Gesetzgeber hat dabei vor allem Pädiatrie, Gynäkologie sowie Augenärzte im Blick.

Bis zu fünf Prozent der Fördersumme der Selbstverwaltung sollen an universitär angebundene Kompetenzzentren gehen, für die die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) Kriterien formuliert hat. Bisher handelt es sich bei diesen Kompetenzzentren jedoch um einzelne Leuchtturmprojekte (siehe unten).

Inwiefern die Maßnahmen tatsächlich helfen, die Weiterbildung zu stärken, bleibt abzuwarten. Gemäß Paragraf 75a Abs. 4 SGB V hätte die KBV mit GKV-Spitzenverband und Deutscher Krankenhausgesellschaft bis zum 23. Oktober 2015 eine Vereinbarung zu Umfang und Durchführung der finanziellen Förderung beschließen müssen - doch die Verhandlungen laufen noch, wie KBV-Sprecher Roland Stahl der "Ärzte Zeitung" bestätigt. "Die Atmosphäre ist konstruktiv, die Materie sehr komplex."

Hessen: "Allgemeinmedizin genießt hohe Akzeptanz"

Mit 250.000 Euro im Jahr will das Land Hessen die Weiterbildung vorantreiben. Zwei Zentren bündeln Kompetenz.

In Hessen ist das Thema Weiterbildung in der Allgemeinmedizin auf der politischen Agenda angekommen: 2012 wurden zwei Kompetenzzentren an den Universitäten Marburg und Frankfurt am Main gegründet.

Der 1. Hessische Gesundheitspakt sah damals 150.000 Euro jährlich vor, um "die Organisation der Weiterbildung so besser zu koordinieren, die Dauer der Weiterbildung zu verkürzen sowie die inhaltliche Ausgestaltung zu verbessern und somit das Fach Allgemeinmedizin (...) attraktiver zu gestalten".

Im Hessischen Gesundheitspakt 2.0, der im März verabschiedet wurde, hat das Land diese Summe für den Zeitraum 2015 bis 2018 auf 250.000 Euro pro Jahr aufgestockt.

Durch die Einbindung der beiden Lehrstühle in Frankfurt und Gießen erhalten Studenten schon früh Gelegenheit, die hausärztliche Tätigkeit an den akademischen Lehrpraxen aus nächster Nähe kennenzulernen.

Mit speziellen Landarztprogrammen - etwa im Landkreis Fulda und dem Vogelsbergkreis - wird versucht, bereits im Studium den Nachwuchs für eine spätere hausärztliche Tätigkeit im ländlichen Raum zu motivieren.

Das Weiterbildungskolleg Allgemeinmedizin besteht aus einem Seminar- und einem Mentoring-Programm. Viermal jährlich treffen sich 25 Ärzte in Weiterbildung in Frankfurt und Gießen zu Seminartagen, um die bereits erworbenen Kompetenzen praxisnah zu vertiefen.

Themen wie Praxisübernahme oder -gründung, ärztliche Gesprächsführung, aber auch Multimedikation und andere spezifische Beratungsanlässe stehen auf dem Stundenplan.

Die Mentoringgruppe, bestehend aus zehn Mentees und einem Mentor, ist "offen für alle Themen rund um die Weiterbildung". Ziel sei die Begleitung während der gesamten Weiterbildungszeit sowie die Förderung der persönlichen und beruflichen Entwicklung.

Der Zuspruch für das Programm sei sehr gut, befindet Professor Ferdinand Gerlach, DEGAM-Vorsitzender und Chef des Instituts für Allgemeinmedizin an der Uni Frankfurt.

"In Frankfurt genießt die Allgemeinmedizin bereits große Akzeptanz", sagte er im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung". Ein einheitliches Konzept könne helfen, das einst schwache Image auch in der Fläche weiter aufzubessern. (jk)

Mehr Infos unter www.weiterbildung-allgemeinmedizin-hessen.de

Baden-Württemberg will mit Landarzt-Mythen aufräumen

Vorbild Baden-Württemberg: Mit der Verbundweiterbildung hat man hier schon früh gute Erfahrungen gemacht.

Kommt es zum Thema Weiterbildung in der Allgemeinmedizin, zählt Baden-Württemberg bundesweit zu den Vorreitern: Bereits vor 13 Jahren wurde hier das Modell der akademischen Lehrpraxen eingeführt, um Studenten möglichst früh in die Praxen zu bringen - heute gibt es 190 an der Zahl.

Vor zehn Jahren dann der erste "Tag der Allgemeinmedizin" Deutschlands. Und auch die Erfahrungen mit der Verbundweiterbildung gehen im Südwesten bis ins Jahr 2008 zurück.

Heute ist die "Verbundweiterbildung plus", ein Programm des Kompetenzzentrums Allgemeinmedizin Baden-Württemberg, nach eigenen Angaben das größte regionale Weiterbildungsprogramm Europas. 43 Verbünde gibt es aktuell - der jüngste davon in Tübingen -, über 375 Praxen und fast 600 Ärzte in Weiterbildung nehmen daran teil.

Die Verbundweiterbildung bietet ihnen eine Weiterbildung "aus einem Guss": In der Region durchlaufen sie - ohne mehrfaches Bewerben, Umziehen und damit auch immer wieder neue Probezeiten - ihre Weiterbildung durch nahtlose, festgelegte Rotationen. Die Weiterbildungszeit kann dadurch laut eigenen Angaben deutlich verkürzt werden.

Das Schulungsprogramm beinhaltet ein kompetenzbasiertes Curriculum Allgemeinmedizin, auch häufige Beratungsanlässe in der Praxis sind Thema. Jedes Jahr findet ein sogenannter "Landtag" - im wahrsten Sinne ein Tag auf dem Land - statt. In ländlichen Regionen kommen die Ärzte in spe dabei mit Landärzten ins Gespräch und lernen die Gegend kennen. Die Tätigkeit des Landarztes wird so regelrecht "entmystifiziert".

Um die Weiterbildung in Deutschland flächendeckend zu stärken, so Professor Joachim Szecsenyi, Leiter der Abteilung Allgemeinmedizin am Uniklinikum Heidelberg, ist jedoch ein einheitliches Konzept nötig.

"Wenn sich ein Konzept wie die ,Verbundweiterbildung plus‘ flächendeckend durchsetzt", ist er sich sicher, "werden wir in Zukunft mehr junge Ärzte für die Allgemeinmedizin gewinnen können."

In Baden-Württemberg trage die "Verbundweiterbildung plus" bereits erste Früchte. Szecsenyi und sein Team arbeiten aktuell an einer Evaluation, die im Frühjahr 2016 konkrete Zahlen liefern soll. (jk)

Mehr Infos unter www.weiterbildung-allgemeinmedizin.de

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