Erster grüner Gesundheitsminister

Österreich soll Facharzt für Allgemeinmedizin bekommen

Österreich hat eine neue Regierung. Der alte Kanzler Sebastian Kurz ist auch der neue. Nur sind diesmal – erstmals – die Grünen mit in der Regierung. Für die Allgemeinmedizin könnte sie viel Gutes bewirken.

Denis NößlerVon Denis Nößler Veröffentlicht:
Grün und neuer Minister: Rudolf Anschober.

Grün und neuer Minister: Rudolf Anschober.

© Barbara Gindl / dpa

Wien. In Österreich ist die erste Bundesregierung aus konservativer ÖVP und Grünen nun offiziell im Amt. Das Kabinett mit dem 33 Jahre alten Sebastian Kurz als Kanzler an der Spitze ist so jung und so weiblich wie noch nie. Erstmals in der Alpenrepublik stellen die Grünen den Gesundheits- und Sozialminister.

Bundespräsident Alexander van der Bellen, ebenfalls Grüner, vereidigte am Dienstag in der Wiener Hofburg das Regierungsteam mit insgesamt 17 Mitgliedern. Das Staatsoberhaupt mahnte die Regierung, auch mit ihren Kritikern im Gespräch zu bleiben.

Erster grüner Gesundheitsminister

Die Regierung solle „zügig, ruhig und gewissenhaft“ an die Arbeit gehen und sich besonders um das Vertrauen der Bürger kümmern. „Dieses Vertrauen der Bürger ist nicht selbstverständlich“, meinte van der Bellen.

Für Kurz ist es bereits die zweite Kanzlerschaft. Knapp 18 Monate war er an der Spitze einer Koalition mit der rechten FPÖ, die im Mai 2019 an der Ibiza-Affäre zerbrach.

Die erste Amtszeit als Bundesminister ist es für Rudi Anschober. Der Oberösterreicher, zuvor Landesrat (Minister) in dem Bundesland, ist neuer Minister für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz.

Der 59-Jährige aus Wels zog erstmals 1990 in den Nationalrat ein. Seit 2015 war er in der Oberösterreichischen Landesregierung für die Themen Integration, Umwelt, Klima- und Konsumentenschutz zuständig. Anschober ist Volksschullehrer und hat als Journalist gearbeitet.

Der Facharzt für Allgemeinmedizin könnte kommen

Auf insgesamt 13 Seiten im Koalitionsvertrag haben sich ÖVP und Grüne auf mehr oder weniger große Reformen im Gesundheitswesen und der Pflege verständigt. Während viele Passagen sich eher als vage Absichtsbekundungen lesen, wird es in Sachen Allgemeinmedizin sehr konkret.

So soll erstmals der Facharzt für Allgemeinmedizin in der Alpenrepublik eingeführt werden. Trotz wiederholter Forderungen in den letzten Jahren konnte sich die Österreichische Gesellschaft für Allgemeinmedizin (ÖGAM) mit diesem Ansinnen bis dato nicht gegen andere Fachgruppen durchsetzen.

Für die Bundespolitik, die das Ärztegesetz zu verantworten hat, stand ein Facharzt Allgemeinmedizin nicht hoch auf der Prioritätenliste. Hausärzte in Österreich gelten bis heute „nur“ als „Ärzte für Allgemeinmedizin“. Eine dezidierte Weiterbildung, die in Österreich „Ausbildung“ genannt wird, gibt es nach wie vor nicht.

Die Ausbildung von Allgemeinmedizinern will die neue Regierung denn auch attraktivieren. Der Fokus soll künftig auf der Allgemeinmedizin liegen. Das klinisch-praktische Jahr (KPJ) soll finanziert werden.

Auch in anderen unterversorgten Fächern will „Türkis-Grün“ eine „Facharztoffensive“ starten. Besonders im Blick stehen Ophthalmologen, Pädiater und Kinder- und Jugendpsychiater.

Bessere Primärversorgung, mehr Digitalisierung

Die hausärztliche Primärversorgung soll gestärkt werden. Noch mehr als in Deutschland klagen Österreichs Spitäler über überfüllte Notaufnahmen mit Patienten, die an Bagatellen leiden. Ähnlich der Portalpraxen hierzulande sollen in oder vor den Krankenhäusern „allgemeinmedizinische Akutordinationen“ etabliert werden.

Auch sollen die sogenannten Primärversorgungseinheiten (PVE) ausgebaut werden, die am ehesten noch mit Hausarzt-MVZ hierzulande vergleichbar sind. Auch Facharztzentren sollen künftig in Österreich möglich sein, ebenso wie „flexible Kooperationsmodelle“.

In Sachen Digitalisierung soll auch die österreichische E-Card ausgebaut werden. Deren System ist mit der ELGA, der elektronischen Gesundheitsakte, ohnehin längst weiter als die eGK in Deutschland. „Türkis-Grün“ will E-Impfpass, E-Rezept, E-Befund, E-Transportschein und E-Medikation einführen.

In der Pflege soll es künftig einen „Daheim-Bonus“ für pflegende Angehörige geben. „Community Nurses“ sollen in 500 Gemeinden etabliert werden. Sie sollen die zentralen Ansprechpartner für Pflegebedürftige und deren Angehörige sein.

Neben diversen Förderungen der Berufsausbildung soll das Berufsbild Pfleger außerdem in die Mangelberufsliste aufgenommen werden. Auch ist ein „Migrants-Care-Programme“ geplant, um ausländische Fachkräfte anzuwerben.

Wie lange hält die Koalition?

ÖVP und Grüne hatten bei der Nationalratswahl Ende September jeweils deutliche Zugewinne erzielt. Die Grünen schafften mit einem Stimmenzuwachs von rund zehn Prozentpunkten den Wiedereinzug in das österreichische Parlament und kamen auf 13,9 Prozent. Die ÖVP kletterte auf 37,5 Prozent.

In mehrwöchigen Verhandlungen verständigten sich die Parteien auf ein rund 300-seitiges Regierungsprogramm mit dem Titel „Aus Verantwortung für Österreich“. Zu den wesentlichen Zielen der Koalition zählen der Klimaschutz mit Milliarden-Investitionen, der Kampf gegen die illegale Migration, die Senkung von Steuern und ein ausgeglichener Haushalt.

Wie lange die neue konservativ-grüne Koalition hält, ist derweil ungewiss. Kurz jedenfalls hat Erfahrung im Beenden von Koalitionen. Als neuer ÖVP-Chef zog er 2017 einen Schlussstrich unter das damalige SPÖ-ÖVP-Bündnis. 2019 rief er nach der Ibiza-Affäre von Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache Neuwahlen aus. (Mit Material von dpa)

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