Deutsch-Französische Kooperation

PAMINA will Weg für grenzüberschreitende Versorgung freimachen

Medizinische Versorgung über den Schlagbaum hinweg: In der Region zwischen Südpfalz, Nordelsass und mittlerem Oberrhein wird das versucht. Das Projekt PAMINA lotet Allianzen vor allem von Kliniken aus – und will doch mehr.

Von Florian Staeck Veröffentlicht:
Grünes Licht für die grenzüberschreitende Versorgung: PAMINA-Projekt lotet Versorgungsprojekte aus.

Grünes Licht für die grenzüberschreitende Versorgung: PAMINA-Projekt lotet Versorgungsprojekte aus.

© picture alliance / BeckerBredel

Stuttgart/Straßburg. Zu Beginn der Corona-Pandemie gingen die Schlagbäume an den nationalen Grenzen runter. Dann öffneten sie sich wieder – COVID-19-Patienten insbesondere aus den grenznahen Departements wurden in baden-württembergischen Krankenhäusern behandelt.

Doch wie organisiert man jenseits von Katastrophenfällen die strukturierte Zusammenarbeit in der medizinischen Versorgung über die Grenzen hinweg? Das versucht die deutsch-französische Kooperation PAMINA. Die Abkürzung setzt sich aus den drei beteiligten Regionen zusammen: Palatinat du Sud (Südpfalz), Mittlerer Oberrhein und Nord-Alsace (Nordelsass). Das Kooperationsgebiet umfasst auf beiden Seiten rund 1,7 Millionen Menschen, davon 60 Prozent auf deutscher Seite.

Die 22 Kooperationspartner, auf deutscher Seite unter anderem die KVen Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, Kassenverbände, mehrere Krankenhäuser sowie Landratsämter, haben jüngst untersuchen lassen, wo durch eine grenzüberschreitende Versorgung für die Menschen in den beteiligten Regionen ein Mehrwert geschaffen werden kann.

Zustimmung zu Kooperation wächst

„Mein Eindruck ist, dass die Idee einer grenzüberschreitenden Versorgung gegenwärtig an Zustimmung gewinnt. Dazu hat sicher auch die Corona-Pandemie beigetragen“, sagt Niels Herbst vom Eurodestrikt PAMINA der „Ärzte Zeitung“.

Unter Krankenhäusern geht die Kooperation bis auf das Jahr 2013 zurück – zwischen der Klinik in Bad Bergzabern (Klinikverbund Landau – Südliche Weinstraße) und der Klinik in Wissembourg, einer grenznahen Stadt mit rund 7500 Einwohnern im Unterelsass. In beiden Kliniken arbeiten Rettungsdienste zusammen und helfen sich gegenseitig mit Rettungsfahrten aus, erläutert Herbst.

Trotz dieser einzelnen Initiativen stecke die grenzüberschreitende Zusammenarbeit aber noch in den Anfängen, berichtet der Vertreter des PAMINA-Projekts. „Das hat natürlich auch mit den stark unterschiedlich organisierten Gesundheitssystemen beider Länder zu tun“, sagt Herbst.

Mehrheit hat Interesse an Ausbau

Doch das Ergebnis einer neuen Online-Umfrage unter der grenznahen Bevölkerung zeigt das Potenzial für den Ausbau der Kooperation: So bekundeten beispielsweise 94 Prozent der teilnehmenden Franzosen und 88 Prozent der Deutschen grundsätzlich Interesse an der Schaffung eines grenzüberschreitenden Gesundheitszentrums. Rund 26 Prozent der Befragten gaben an, sie wünschten sich in einem solchen Zentrum vor allem Allgemeinärzte.

Das ist erstaunlich, weil die Erfahrungen mit der medizinischen Versorgung im jeweiligen Nachbarland noch begrenzt sind: Nur 19 Prozent der Franzosen gaben an, sie hätten bislang schon einmal einen Arzt auf deutscher Seite aufgesucht. Bei den Deutschen war der Anteil, der Versorgungserfahrung in Frankreich hat, mit 37 Prozent deutlich größer. Das hat vermutlich mit dem höheren Anteil an Grenzgängern im befragten Sample auf deutscher Seite zu tun.

Eine Erhebung der Versorgungsinfrastruktur auf beiden Seiten der Grenze hat bereits im Jahr 2018 deutlich gemacht, dass mehr Kooperation Sinn machen könnte: Im französischen Teilgebiet ist die Hausarztdichte höher als auf der anderen Seite des Rheins. Umgekehrt ist die Dichte an Fachärzten auf deutscher Seite höher als beim Nachbarn. Nachteil dabei: Die Übermittlung der Behandlungsergebnisse ans Nachbarland klappt bisher viel zu selten – bei deutschen Patienten in Frankreich nur in rund zwei von zehn Fällen.

Nichts aus „einem Guss“

Niels Herbst von PAMINA zeigt sich realistisch: Man sei auf dem Stand, dass einzelfallbezogene Kooperationen vertieft werden sollen. „Eine Regelung ‚aus einem Guss‘ beispielsweise für viele Krankenhäuser oder andere Versorgungseinrichtungen ist im Moment schwer vorstellbar“, sagt er. Und doch gehe es schrittweise voran. So wird eine Geburtsklinik in Wissembourg aufgrund der geografischen Nähe gerne auch von Schwangeren aus Deutschland aufgesucht.

Umgekehrt gibt es in Bad Bergzabern Versorgungskapazitäten in der konservativen Orthopädie, die das französische Versorgungsangebot gut ergänzen könnten. Die Verantwortlichen bei PAMINA arbeiten daran, den Weg für krankenhausübergreifende Vereinbarungen frei zu machen.

Praktische Lösungen im Fokus

Es gehe bei PAMINA auch darum, ganz praktische Fragen im Rahmen möglicher Kooperationen zu klären, erklärt Herbst. Man sei aktuell dabei, mit Kassen in Rheinland-Pfalz die Kostenerstattung bei der grenzüberschreitenden Versorgung Schwangerer zu klären. Tatsächlich gaben bei der Umfrage 32 Prozent der Befragten aus Deutschland an, die Kostenerstattung sei bei Arztbesuchen in Frankreich das größte Problem. Zum Vergleich: Nur 15 Prozent nannten eine mögliche Sprachbarriere als Problem.

Die Bevölkerung auf beiden Seiten des Rheins ist aufgeschlossen für mehr Kooperation. Das spiegele die Realitäten eines grenzüberschreitenden Lebensraums wider, so die PAMINA-Verantwortlichen. „Wir kommen voran“, sagt Niels Herbst. „Mit langem Atem und Diplomatie.“

Wer oder was ist PAMINA?

Der sogenannte Eurodestrikt PAMINA (PA = Palatinat du Sud/Südpfalz; MI = Mittlerer Oberrhein; NA = Nord-Alsace) reicht bis ins Jahr 1988 zurück. Damals wurde die „Willenserklärung von Wissembourg für eine grenzüberschreitende Entwicklungskonzeption“ unterzeichnet. Bisher sind mehr als 320 gemeinsame Projekte realisiert worden – sie reichen von Mobilität, Kultur, Wirtschaft bis hin zur Gesundheitsversorgung.

PAMINA hat die Rechtsform eines europäischen Verbunds für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ), die Geschäftsstelle ist im französischen Lauterbourg. Zweck ist laut Satzung, „die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu erleichtern und zu intensivieren zugunsten einer ausgewogenen und nachhaltigen Entwicklung des Raums“.

Der PAMINA-Distrikt umfasst eine Fläche von rund 6000 Quadratkilometern mit rund 1,7 Millionen Einwohnern. Auf deutscher Seite sind dies die Landkreise Südwestpfalz, Südliche Weinstraße, Gemersheim, Karlsruhe und Rastatt sowie die Städte Landau, Rastatt und Karlsruhe. Auf französischer Seite beteiligt sind die Arrondissements Saverne und Haguenau-Wissembourg. (fst)

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