Kommentar zur Praxisgebühr
Patienten steuern: Eine vertane Chance
Die Praxisgebühr hat einen starken Effekt bei der Patientensteuerung gehabt. Instrumente, die das ebenfalls könnten, hat die Ampel bisher nicht.
Veröffentlicht:Niemand hat ihr nachgetrauert, die Ärzte schon gleich gar nicht. Dass die ungeliebte Praxisgebühr jedoch einen solch gewaltigen Steuerungseffekt hatte, überrascht doch und rückt sie wieder in ein neues Licht.
Denn nach ihrer Abschaffung ist der Anteil von rein hausärztlich gesteuerten Patienten auf knapp 16 Prozent zusammengeschmolzen. Zuvor war es rund 50 Prozent, im internationalen Vergleich auch kein berauschender Wert, aber immerhin dreimal so viele wie nun in Zeiten nach der Praxisgebühr. Mit gravierenden Folgen. So hat sich zum Beispiel die Morbidität bei ungesteuerten Patienten mit psychischen Erkrankungen um 4,4 Prozent erhöht, während sie bei den gesteuerten Patienten zurückgegangen ist.
Analyse von Abrechnungsdaten
Praxisgebühr war Turbo für die hausärztliche Patientensteuerung
Diese und weitere Erkenntnisse, die das Institut für Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung am Klinikum rechts der Isar der TU München mit seiner über sechs Jahre laufenden Routinedatenanalyse aus Bayern zusammengetragen hat, sind gesundheitspolitisch brisant. Für die neue Regierung und ihren Koalitionsvertrag hätten sie eine Steilvorlage sein können. Denn eine gezieltere Steuerung von Patienten würde nicht nur den Kostendruck reduzieren, sondern auch die Versorgung verbessern und vor allem die Überversorgung abbauen.
Es ist daher nicht nachzuvollziehen, warum zum Beispiel die Hausarztzentrierte Versorgung (HzV) nicht ein einziges Mal im Koalitionspapier auftaucht. Das kann sich noch rächen. Spätestens dann, wenn der Ausgabendruck in der GKV so stark wird, dass neben der HzV auch alle anderen denkbaren Steuerungsinstrumente wieder aus der Mottenkiste hervorgeholt werden müssen.
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