„Ehrliche Diskussion führen“

Pflegebevollmächtigte drängt auf klaren Fahrplan für Reform

Steigender Bedarf, Corona-Kosten, Personalmangel und ein Urteil aus Karlsruhe: Bei der Pflegeversicherung sieht sich die Ampelkoalition erheblichen Herausforderungen gegenüber. Rufe nach Reformen werden lauter.

Veröffentlicht:
„Pflegebedürftige und Angehörige fühlen sich zunehmend alleine gelassen“: Pflegebevollmächtigte Claudia Moll (SPD).

„Pflegebedürftige und Angehörige fühlen sich zunehmend alleine gelassen“: Pflegebevollmächtigte Claudia Moll (SPD).

© Jens Krick / Flashpic / picture alliance

Berlin. Einen „klaren Zeitplan“ für eine Reform der Sozialen Pflegeversicherung (SPV) hat die Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Claudia Moll, gefordert.

Pflegebedürftige Menschen und pflegende Angehörige fühlten sich zunehmend allein gelassen, sagte die SPD-Politikerin in ihrem wöchentlichen Online-Statement am Mittwoch. „Immer mehr Kosten, immer mehr Bürokratie, alles komplizierter und keine Entlastung in Sicht. So erleben sie ihre Welt.“ Es brauche daher „jetzt eine ehrliche Diskussion über die Pflegereform“, betonte Moll.

Anfang der Woche hatte bereits die Vorständin Sozialpolitik der Diakonie, Maria Loheide, die Einberufung eines Pflegegipfels angemahnt. Dort seien „dringende Probleme“ zu beraten und die Bundesregierung zum Handeln zu bewegen. „Wenn nicht endlich eine grundlegende Pflegereform kommt, fährt das Pflegesystem absehbar vor die Wand.“

Lesen sie auch

Diakonie fordert raschen Pflegegipfel

Die Pflegeversicherung sei auch aufgrund von Sonderaufwendungen während der Corona-Pandemie in eine finanzielle Schieflage geraten, sagte Loheide.

Gleichzeitig trieben höhere Energie- und Lebensmittelpreise und tarifliche Lohnsteigerungen die Eigenanteile für Pflegebedürftige in den Einrichtungen weiter in die Höhe. Viele pflegende Angehörige gerieten angesichts von Preissteigerungen ebenfalls in Not. Besorgniserregend stufte Loheide auch den Personalmangel in der Pflege ein.

Experten prognostizieren für das laufende Jahr ein Defizit von voraussichtlich 2,4 bis 2,5 Milliarden Euro für die Pflegeversicherung. Vor allem Pandemiekosten, eine älter werdende Gesellschaft und die seit September geltende Tarifpflicht in Altenpflegeeinrichtungen schlagen zu Buche.

Lesen sie auch

Auftrag des Bundesverfassungsgerichts

Zuletzt hatte der Bund für den Ausgleichsfonds der SPV eine Milliarde Euro bereitgestellt, um Ausgaben der Pflegekassen für Hygieneutensilien, Personal und weitere Pandemiemaßnahmen in den Einrichtungen auszugleichen.

Konfrontiert sieht sich die Ampel zudem mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Mai 2022. Darin tragen die Karlsruher Richter dem Gesetzgeber auf, bis zum Sommer 2023 Regelungen zu treffen, um kinderreiche Familien beim Pflegebeitrag zu entlasten.

Laut einer kürzlich vorgelegten Studie des Bremer Gesundheitsökonomen Professor Heinz Rothgang für die DAK Gesundheit könnte die entsprechende Reform Kosten von bis zu 2,9 Milliarden Euro für die SPV nach sich ziehen. Die Krankenkasse hatte sich dafür ausgesprochen, die Mehrkosten über Steuern zu finanzieren.

Lesen sie auch

Eigenanteile im Heim steigen weiter

Im Koalitionsvertrag ist eine „moderat“ ausfallende Erhöhung der Pflegebeiträge angekündigt. Aktuellen Plänen zufolge sollen die Einzahlungen in den Pflegevorsorgefonds zur „kurzfristigen Sicherung der Finanzstabilität“ der SPV im Jahr 2023 in einer Rate im Dezember erfolgen. Normalerweise wird das Geld monatlich überwiesen.

Außerdem soll geprüft werden, wie sich die steigenden Eigenanteile weiter begrenzen lassen. Laut Berechnungen des Wissenschaftlichen Instituts der AOK müssen Pflegeheimbewohner derzeit im Schnitt 2001 Euro monatlich aus eigener Tasche für Pflege, Unterkunft und Verpflegungen berappen. (hom)

Lesen sie auch
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Alarmierender Anstieg: Hautpilz aus dem Barbershop

© David Pereiras | iStock (Symboldbild mit Fotomodell)

Dermatomykosen

Alarmierender Anstieg: Hautpilz aus dem Barbershop

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Effektive Therapie von Nagelpilz: Canesten® EXTRA Nagelset

© Irina Tiumentseva | iStock

Onychomykosen

Effektive Therapie von Nagelpilz: Canesten® EXTRA Nagelset

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Maximale Vitamin-C-Blutspiegel nach oraler (blau) und parenteraler (orange) Tagesdosis-Gabe.

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Infusion

Parenterale Gabe erzielt hohe Plasmakonzentrationen an Vitamin C

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema

Ist das AMNOG bereit für HIV-Innovationen?

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Gilead Sciences GmbH, Martinsried
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Manchmal kommt Künstliche Intelligenz ziemlich abstrakt daher. Doch es gibt zunehmend auch konkrete Anwendungen, sogar für Arztpraxen.

© 3dkombinat - stock.adobe.com

Praxisorganisation

Mit KI zu mehr Entlastung fürs Praxisteam

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Doctolib GmbH
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Lesetipps
Sieht lecker aus und schmeckt — doch die in Fertigprodukten oft enthaltenen Emulgatoren wirken proinflammatorisch. Ein No-Go für Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.

© mit KI generiert / manazil / stock.adobe.com

Emulgatoren in Fertigprodukten

Hilfreich bei Morbus Crohn: Speiseeis & Co. raus aus dem Speiseplan!

Checkliste Symbolbild

© Dilok / stock.adobe.com

Auswertung über Onlinetool

Vorhaltepauschale: So viele Kriterien erfüllen Praxen laut Honorarvorschau