Als Folgen eines harten Brexit

Spahn befürchtet Medizinprodukte-Engpass

Bei einem harten Brexit drohen Versorgungsengpässe bei Medizinprodukten, warnt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn die EU-Kommission. Neben orthopädischen Implantaten und Produkten für die Kardiologie sind auch Hoch-Risiko-In-vitro-Diagnostika betroffen.

Von Detlef Drewes Veröffentlicht:
Großbritanniens Zeit in der EU läuft ab: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sorgt sich jetzt um die Versorgung mit Medizinprodukten, sollte es einen ungeregelten Brexit geben.

Großbritanniens Zeit in der EU läuft ab: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sorgt sich jetzt um die Versorgung mit Medizinprodukten, sollte es einen ungeregelten Brexit geben.

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BRÜSSEL. Seit Monaten betonen die Brüsseler EU-Kommission und die Mitgliedstaaten, dass sie sich auf einen harten Brexit gut vorbereitet haben. Doch offenbar nicht gründlich genug.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn schlug jetzt Alarm. „Bei einem ungeregelten Brexit ist ohne die Verständigung auf praktikable Verhaltensweisen davon auszugehen, dass zehntausende Medizinprodukte ihre formelle Verkehrsfähigkeit in der EU-27 verlieren“, heißt es in einem Schreiben vom März 2019 an Industrie-Kommissarin Elsbieta Bienkowska und ihren für Gesundheitsthemen zuständigen Kollegen Vytenis Andriukaitis.

Diese Entwicklung werde fatale Folgen haben. Denn: „Die Produkte stehen auf dem europäischen Markt nicht mehr zur Verfügung. Versorgungsengpässe sind zu erwarten.“ Spätestens „ab Mitte April“ werde auch Deutschland mit Schwierigkeiten rechnen müssen.

Schonfrist könnte vor Ostern ablaufen

Der Zeitpunkt dürfte inzwischen überholt sein, nachdem die europäischen Staats- und Regierungschefs der britischen Premierministerin Theresa May noch bis zum 12. April Zeit gegeben haben, das bereits fertige Austrittsabkommen durch ihr Parlament zu bringen.

Sollte das nicht gelingen, stünde ein No-Deal-Brexit bevor – vermutlich wenige Tage später. Die Schonfrist für den Medizinprodukte-Markt könnte noch vor Ostern ablaufen.

Laut Spahn wurde bereits Ende Februar eine Liste mit 2500 Zertifikaten britischer Benannter Stellen für Medizinprodukte übermittelt, die nicht mehr bis zu einem ungeregelten Brexit transferiert werden können.

Betroffen wären, so der CDU-Politiker in seinem Schreiben weiter, „neben wichtigen orthopädischen Implantaten und Produkten für die Kardiologie auch Hoch-Risiko-In-vitro-Diagnostika im Blutspendewesen.“ Dabei geht es beispielsweise um jene Materialien, die nötig sind, um Blutspenden auf Krankheiten wie HIV zu testen.

Das Problem ist nicht neu

Auch im Europäischen Parlament ist man alarmiert. „Jens Spahn hat zu Recht auf ein gravierendes Problem hingewiesen“, erklärte der Mediziner und CDU-Europa-Abgeordnete Peter Liese am Donnerstag gegenüber der "Ärzte Zeitung".

„Wir brauchen eine pragmatische Lösung. Das Beispiel zeigt welche dramatischen Auswirkungen der Brexit, und insbesondere ein harter Bruch, hat. Wenn die Zusammenarbeit in der EU nicht mehr funktioniert, kann das Menschenleben kosten.“

Das Problem ist nicht neu. Auch das Paul-Ehrlich-Institut hatte bereits vor Wochen darauf hingewiesen, dass Zertifikate, die in diesen Wochen erstellt wurden, nach dem Brexit nicht mehr gültig sein würden.

Das Institut verwies auf eine Stellungnahme der EU-Kommission, der zufolge „diese Zertifikate von den zuständigen britischen Behörden NIBSC (für Human-Arzneimittel, Anm. d. Red.) und der VMD (für Tiermedizin, Anm. d. Red.) nicht mehr originär die Verkehrsfähigkeit begründen können.“

Unter Umständen werde man jedoch die Laborprüfungen dieser Häuser anerkennen. Spahn sprach sich in seinem Brief für ein „vereinfachtes Verfahren zum schnellen Transfer von Zertifikaten von britischen Benannten Stellen zu EU-27-Benannten Stellen“ aus.

Außerdem sollten die Hersteller ihre Produkte maximal zwölf Monate auch ohne formelle Bescheinigung in der Europäischen Union vertreiben dürfen – vorausgesetzt, die Unternehmen arbeiten mit der Behörde in einem EU-Land zusammen und können einen Plan für die erneute Zulassung vorlegen.

Wir haben den Beitrag aktualisiert am 28.03.2019 um 15:35 Uhr.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Gesundheitsrisiko Brexit

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Dirk Bürger 28.03.201914:25 Uhr

Brexit kommt ja nicht überraschend

Ich bin wirklich überrascht, dass das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) über das Brexit-Drama so überrascht ist. Überrascht darüber, dass die britischen Zertifizierungen für Medizinprodukte überraschenderweise bei einem Brexit nicht mehr zur Anwendung kommen können?? Mich überrascht dies nicht wirklich, denn anders als bei Medikamenten entscheidet bei Medizinprodukten, zu denen auch Herzschrittmacher und Prothesen gehören, keine europäischen Behörden über die Zulassung, sondern sogenannte Benannte Stellen. Die Hersteller von Medizinprodukten können sich diese "Benannten Stellen" europaweit aussuchen und daher haben viele ihre Medizinprodukte in Großbritannien zulassen lassen. Dieses Procedere war auch dem BMG bekannt und hätte spätestens 2018 Aktivitäten auslösen können, als Journalisten die Zulassungspraktiken für Medizinprodukt aufdeckten, Stichwort „Implant Files“.

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