Verbändeanhörung zu Lauterbachs Digital-Gesetz

Videosprechstunden: Therapeuten und AOK warnen vor Folgen des geplanten Digital-Gesetzes

Eventuelle Versorgungsdefizite in strukturschwachen Regionen durch rein videogestützte Behandlungen aus den Ballungszentren heraus kompensieren zu müssen, entspricht nicht dem Ethos des bvvp.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Frau mit Headset vor einem Laptop, der zeigt, wie sich eine andere Dame an die Schläfen fasst.

Müssen Psychotherapeuten aus Ballungsgebieten künftig Patienten aus strukturschwachen Regionen mitversorgen? Diese Befürchtung äußern Therapeuten mit Blick auf Lauterbachs Pläne, die Videosprechstunden zu entdeckeln.

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Berlin. Die Kritik an dem von Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) für die derzeit laufende Verbändenanhörung vorgelegten Referentenentwurf für ein Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (Digital-Gesetz/DigiG) ebbt nicht ab.

Sind Kassen wie der AOK großzügige Regelungen zu Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) ein Dorn im Auge, so stößt sich der Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten (bvvp) an den für die Videosprechstunden vorgesehenen Regelungen. Lauterbach will dieses Online-Tool noch breiter eingesetzt und leichter nutzbar sehen.

Die Begrenzung auf aktuell 30 Prozent Leistungsanteil eines Vertragsarztes soll „weiter flexibilisiert“ werden. Der bvvp „sieht die im Referentenentwurf zum Digitalisierungsgesetz angedachte Aufhebung der Begrenzung der Videosprechstunden kritisch und mahnt eine sorgfältige Prüfung dieses Gesetzesvorhabens an“, heißt es in einer Verbandsmitteilung vom Donnerstag.

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Die Therapeuten wollen sich keineswegs als Totalverweigerer gesehen sehen. Videogestützte Behandlungen könnten in gut begründeten Ausnahmefällen, wie bei eingeschränkter Mobilität von Patienten, bei Fortführung einer Behandlung während eines Auslandsaufenthaltes von Patienten oder bei einem für immunschwache Menschen gefährlichem Infektionsgeschehen eine wertvolle Option sein, betonen sie.

Gleichzeitig müsse aber, so lautet das bvvp-Credo, in der Psychotherapie die Face-to-Face-Behandlung vor Ort weiterhin der Goldstandard sein. Die in der Musterberufsordnung der Bundespsychotherapeutenkammer formulierte Forderung, dass Eingangsdiagnostik, Indikationsstellung und Aufklärung die Anwesenheit der Patienten erfordern, unterstreiche die Wichtigkeit, diese in der persönlichen und leibhaftigen Begegnung kennenzulernen.

Waldherr: Praxen in allen Planungsbereichen bereits ausgelastet

„Wir sprechen uns deutlich dagegen aus, dass eventuelle Versorgungsdefizite in strukturschwachen Regionen durch ausschließlich videogestützte Behandlungen aus den Ballungszentren heraus kompensiert werden sollen“, so bvvp-Bundesvorsitzender Benedikt Waldherr.

Seine Begründung liefert er gleich mit: Zum einen seien die Praxen in allen Planungsbereichen voll ausgelastet und könnten keine zusätzlichen Kapazitäten zur Verfügung stellen. Zum anderen sei es inakzeptabel, dass Menschen in solchen strukturschwachen Gebieten mit dieser Notlösung abgespeist werden sollten. Erforderlich sei hier stattdessen, dass ausreichend Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten vor Ort zugelassen würden.

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In diesem wichtigen Punkt stimme der bvvp dem AOK-Bundesverband zu. Werde der Anteil der Videosprechstunden nicht begrenzt, könne sich in strukturschwachen Regionen die Versorgung vor Ort für nicht digital affine und besonders vulnerable Versicherte verschlechtern, hatte dieser gemahnt.

„Der bvvp dankt der Vorstandsvorsitzenden des AOK-Bundesverbands, Frau Dr. Carola Reimann, für diese klaren Worte!“, so Waldherr. Auch bestehe bei der unbegrenzten Möglichkeit von videogestützter Behandlung immer die Gefahr der Entwertung der Behandlung im Goldstandard, und die Kommerzialisierung von Behandlungen in Video-Call-Centern ohne Praxis im Hintergrund werde ermöglicht.

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