Bericht zur Tabakkontrolle
WHO: Raucherprävalenz geht zurück, dafür wird immer mehr gedampft
Die WHO appelliert an die Regierungen weltweit, mehr Anstrengungen in puncto Tabakkontrolle zu unternehmen. Kopfzerbrechen bereiten ihr neue Rauchalternativen, wie Vapes, die immer beliebter werden.
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Weder den Griff zur Tabakzigarette noch zu Vapes oder anderen Rauchalternativen – so hätte es die WHO gerne. In der Realität sieht es derweil anders aus. E-Dampf, Tabakerhitzer und Nikotinbeutel erfreuen sich einer immer größeren Beliebtheit.
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Genf. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) verzeichnet für den Zeitraum 2000 bis 2024 einen weltweiten Rückgang der Raucher konventioneller Tabakverbrennungszigaretten um insgesamt 180 Millionen auf nun 1,2 Milliarden Menschen.
Diese und weitere Zahlen präsentierte WHO-Generaldirektor Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus am Montag in Genf im Rahmen einer virtuellen Pressekonferenz zur Vorstellung des Berichts „WHO global report on trends in prevalence of tobacco use 2000–2024 and projections 2025–2030“.
In ihrem 2013 verabschiedeten und 2019 bis auf das Jahr 2030 ausgedehnten Zeitrahmen strebt die WHO unter dem Regime ihres globalen Aktionsplans zur Bekämpfung nicht-übertragbarer Krankheiten bis 2025 eine um 30 Prozent verringerte Raucherprävalenz an – Ausgangsbasis ist die Quote von 2010.
Nikotinabhängigkeit
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Nach dieser Lesart hat die Weltgemeinschaft eine Verringerung der Raucherprävalenz um 27 Prozent erreicht – 50 Millionen über 15-Jährige Nutzer hängen demnach rund um den Globus noch zu viel an der Kippe.
Tabakindustrie erschließt sich neue Kundschaft – mit Rauchalternativen
Für Tedros ist der Kampf gegen den Qualm zunehmend ein zweischneidiges Schwert. Denn: „Dank der Maßnahmen zur Tabakkontrolle, die weltweit von verschiedenen Ländern ergriffen wurden, hören Millionen von Menschen mit dem Tabakkonsum auf oder beginnen gar nicht erst damit.“
Aber: „Als Reaktion auf diese deutlichen Fortschritte wehrt sich die Tabakindustrie mit neuen Nikotinprodukten, die aggressiv auf junge Menschen abzielen. Die Regierungen müssen schneller und entschlossener handeln, um bewährte Maßnahmen zur Tabakkontrolle umzusetzen“, forderte er am Montag in Genf.
Die WHO appelliere daher an alle Regierungen weltweit, die Tabakkontrolle zu verstärken. Das bedeutet, das sogenannte MPOWER-Paket und das WHO-Rahmenübereinkommen zur Eindämmung des Tabakkonsums (FCTC) vollständig umzusetzen und durchzusetzen, Schlupflöcher zu schließen, die es der Tabak- und Nikotinindustrie ermöglichen, Kinder anzusprechen, und neue Nikotinprodukte wie E-Zigaretten zu regulieren.
Das bedeute auch, die Tabaksteuern zu erhöhen, Werbung zu verbieten und Entwöhnungsangebote auszuweiten, damit Millionen weiterer Menschen mit dem Rauchen aufhören können.
EU will an der Steuerschraube drehen
An der Steuerschraube will unterdessen auch die EU drehen, damit die Mitgliedstaaten jährlich zusätzliche 15 Milliarden Euro generieren können.
Als Vehikel soll hier die Novellierung der EU-Tabakbesteuerungsrichtlinie (2011/64/EU, Tobacco Excise Tax Directive/TED) dienen. Die EU verfehlt nach derzeitigem Stand wahrscheinlich ihr im Krebsplan intergriertes Ziel, bis zum Jahr 2040 rauchfrei zu werden, also eine Raucherquote in der Erwachsenen-Bevölkerung von nur noch fünf Prozent aufzuweisen. EU-weit beträgt die Raucherprävalenz derzeit nach 24 Prozent.
Schwierige Nutzen-Risiko-Abwägung
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Jeremy Farrar, stellvertretender Generaldirektor der WHO für Gesundheitsförderung, Krankheitsprävention und Gesundheitsversorgung, mahnt, bei der Tabakkontrolle weltweit aufs Tempo zu drücken: „Fast 20 Prozent der Erwachsenen konsumieren immer noch Tabak- und Nikotinprodukte. Wir dürfen jetzt nicht nachlassen. Die Welt hat Fortschritte gemacht, aber nur mit entschlosseneren und schnelleren Maßnahmen kann die Tabakepidemie besiegt werden.“
Je wohlhabender das Land, desto eher wird gedampft
Zum ersten Mal hat die WHO auch versucht, den weltweiten Konsum von E-Zigaretten abzubilden. Demnach vapen derzeit schon mehr als 100 Millionen Menschen weltweit – neben mindestens 86 Millionen Erwachsenen auch schon mehr als 15 Millionen Kinder und Jugendliche ab 13 Jahre.
E-Dampf sei vor allem in Ländern mit hohem Einkommen beliebt. Und: In Ländern, für die Daten vorliegen, nutzten Kinder im Durchschnitt neunmal häufiger als Erwachsene die seitens der Tabakindustrie im Sinne des Harm-Reduction-Ansatzes als weniger gesundheitsschädigende Rauchalternative propagierten E-Zigaretten.
Neue Welle der Nikotinsucht
„E-Zigaretten schüren eine neue Welle der Nikotinsucht“, sagte Etienne Krug, Arzt aus Belgien und Direktor der Abteilung für Gesundheitsfaktoren, Gesundheitsförderung und Prävention der WHO.
„Sie werden als Mittel zur Schadensminderung vermarktet, aber in Wirklichkeit machen sie Kinder früher nikotinabhängig und gefährden damit jahrzehntelange Fortschritte.“ Die WHO hält seit Jahren kategorisch an ihrem Ansatz „Quit or Die“ fest, der der Schadensminimierung eine klare Absage erteilt.
Mit Sorge verfolge die WHO auch, wie es im Bericht heißt, dass die Tabakindustrie kontinuierlich neue Produkte und Technologien auf den Markt bringe, um die Tabakabhängigkeit nicht nur mit Zigaretten, sondern auch mit E-Zigaretten, Nikotinbeuteln, Tabakerhitzern und anderen Produkten zu fördern.
Sie generalisiert dabei allerdings zuweilen, denn Produkte wie White Snus – unter diesem Namen werden Nikotinbeutel vermarktet – enthalten genauso wenig Tabak wie E-Zigaretten oder E-Shishas. Viele E-Dampf-Lösungen beinhalten darüber hinaus noch nicht einmal Nikotin, dafür aber andere, potenziell gesundheitsschädliche Inhaltsstoffe. Diesen Markt will die EU ebenfalls mit der novellierten TED stärker regulieren.