Neue Untersuchungen des BiB
Wie sich die Demografiefalle umgehen ließe
Heerscharen pensionierter Ärzte, kollabierende Sozialsysteme: Der Blick auf den demografischen Wandel verheißt wenig Gutes. Forscher haben nun einen Perspektivwechsel angemahnt.
Veröffentlicht:Berlin. Oben dick, unten schmal: Die Bevölkerung-Pyramide für Deutschland wird in der Regel so gezeichnet. Dabei steht – bedingt durch den demografischen Wandel – einer wachsenden Zahl älterer Menschen eine sinkende Zahl Jüngerer gegenüber.
Das hat, so wird prognostiziert, Folgen für Arbeitsmarkt, Sozialsysteme und auch für Medizin und Pflege: So werden in Deutschland laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung im Jahr 2030 rund 10.500 weniger Hausärzte tätig sein als heute. Und der Deutsche Pflegerat rechnet damit, dass in den nächsten zehn Jahren bis zu 500.000 Pflegeprofis in Rente gehen.
Demografischer Wandel – vielfältig gestaltbar
Wissenschaftler des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) haben jetzt dazu aufgerufen, die Alterung nicht bloß als Bedrohung einzuordnen. Demografischer Wandel sei kein grau-düsteres Schicksal, sondern vielfältig und somit auch vielfältig gestaltbar, sagte BiB-Direktorin Professorin C. Katharina Spieß anlässlich der Veröffentlichung neuer Zahlen zur Demografie für den Zeitraum 1991 bis 2021 am Montag.
Die Bevölkerung in Deutschland sei seit der Wiedervereinigung nicht nur älter, sondern auch bunter und individueller geworden. So habe sich etwa die Phase der Familiengründung ins höhere Alter verschoben. Eltern seien bei der Geburt ihrer Kinder heute fast drei Jahre älter als noch vor 25 Jahren. Die „Bildungsexpansion“ mit einem starken Ausbau des Bildungswesens wiederum habe dazu geführt, dass heute mehr Menschen über höhere Schul- und Berufsabschlüsse verfügten.
Mehr Bildung und bessere Integration als Stellschrauben
Die Untersuchungen weisen zudem auf eine steigende Erwerbsbeteiligung von Frauen und Älteren hin. Gerade bei Frauen im Alter zwischen 15 und 65 hat es demnach erhebliche Veränderungen gegeben: Gingen 1991 nur 57 Prozent aller Frauen einer bezahlten Tätigkeit nach, sind es heute 72 Prozent. Besonders dynamisch haben sich dabei Beschäftigtenverhältnisse fernab der 40-Stunden-Woche entwickelt. So arbeitet laut BiB mittlerweile mehr als jede zweite Frau ab Mitte 30 in Teilzeit. Dies hänge vor allem mit steigender Müttererwerbstätigkeit zusammen, hieß es dazu.
Als „große Gretchenfrage“ bezeichnete Spieß die Bewältigung der Folgen des demografischen Wandels für den Arbeitsmarkt. Schlüsselelemente seien hier mehr Investitionen in Bildung, die Ausschöpfung des Erwerbstätigenpotenzials und die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund ins Bildungswesen.
Diese Integration habe schon mit einer frühen Kita-Nutzung zu beginnen, um den Spracherwerb zu erleichtern. 2021 hätten etwa 40 Prozent aller Fünfjährigen in Deutschland einen Migrationshintergrund gehabt. (hom)