Ärztemangel beim Nachbarn

Als Arzt nach Österreich – eine Option für deutsche Mediziner

Österreichs Gesundheitssystem ist in hohem Maße auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen – entsprechend groß sind die Chancen auf dem Arbeitsmarkt für Ärzte und Pfleger. Im ambulanten Bereich arbeitet die Alpenrepublik gerade an einer Entlastung der Praxen.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Attraktiver Arbeitsmarkt für deutsche Ärzte: Österreich.

Attraktiver Arbeitsmarkt für deutsche Ärzte: Österreich.

© Ernst Weingartner / chromorange / picture alliance

WIEN. Ärzte und andere Gesundheitsfachkräfte aus dem Ausland sind inzwischen zum integralen Bestandteil des österreichischen Gesundheitswesens geworden. Wie Statistik Austria für das Jahr 2015 ausweist, arbeiteten zu diesem Zeitpunkt insgesamt 63.600 Migranten im Gesundheitswesen der Alpenrepublik – ein Fünftel gemessen an der Gesamtbeschäftigtenzahl von 318.300 Menschen im Healthcare-Sektor. Innerhalb von nur vier Jahren stieg der Anteil sogar um 55 Prozent, wie es heißt.

Von den insgesamt im Jahr 2015 in Österreich tätigen Ärzten stammten 5200 aus dem Ausland – 14 Prozent. Mehr als ein Drittel davon kamen aus Deutschland. Die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) wies zum April 2016 insgesamt 1823 deutsche Ärzte aus, die in Österreich an der Gesundheitsversorgung teilnahmen. Zweitwichtigster Ärztequellmarkt war demnach mit weitem Abstand Ungarn – 366 Ärzte dieser Provenienz gingen ihrem Beruf in Österreich nach. Italien belegte mit 434 Ärzten – davon allein 91 aus dem deutschsprachigen Südtirol – Rang drei, gefolgt von der Slowakei mit 229 Medizinern, Rumänien (127), Tschechien (116), Kroatien (80), Polen (69), Slowenien (59), Bosnien-Herzegowina (50), Griechenland (48) und Bulgarien mit 46 Ärzten. Die restlichen Ärzte verteilen sich auf viele weitere Staaten.

Pfleger auf Liste der Mangelberufe

Seit 2015 finden sich auf der jährlichen Liste der Mangelberufe, die das österreichische Wirtschaftsministerium in Kooperation mit dem Arbeitsministerium veröffentlicht, bei den Gesundheitsberufen diplomierte Gesundheits- und Krankenpfleger.

Ärzte finden sich zwar – noch – nicht auf dieser Liste. Aber der zukünftige Bedarf wird mit Sicherheit nicht nur mit österreichischen Nachwuchsmedizinern zu decken sein. Das ist Konsens der Gesundheits- und Wissenschaftsministerien Österreichs – auch angesichts der Herausforderungen, vor die die Demografie das Land stellt.

Das geht aus dem 2012 vom Österreichischen Bundesinstitut für Gesundheitswesen (ÖBIG) im Auftrag des österreichischen Gesundheits- und Wissenschaftsministeriums erstellten Bericht "Ärztinnen und Ärzte: Bedarf und Ausbildungsstellen 2010 bis 2030" hervor. Kooperationspartner war die ÖÄK. Dabei gehen die Berechnungen schlimmstenfalls von einer Bedarfsunterdeckung von mehr als 7000 Haus- und Fachärzten aus, die im Ausland angeworben werden müssten (wir berichteten).

Ambulanter Bereich: Ausbau angepeilt

Gegenwärtig arbeitet Österreich mit Hochdruck an einer grundlegenden Gesundheitsreform. Eine ihrer zentralen Zielsetzungen ist laut Gesundheitsministerium die Entlastung des vollstationären Bereichs in den Akut-Krankenanstalten durch die Verlagerung von Leistungen in den tagesklinischen oder in den ambulanten Bereich.

Neben den Spitalsambulanzen sollen vor allem der niedergelassene Bereich und selbstständige Ambulatorien ausgebaut werden, heißt es. Ende April haben sich dazu Sozialversicherung und Länder gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium auf das grundlegende Arbeitsprogramm bis 2021 geeinigt – den Bundeszielsteuerungsvertrag. Der Ausbau des niedergelassenen Bereichs und der selbstständigen Ambulatorien solle vor allem mit der Realisierung von mindestens 75 neuen multiprofessionellen und/oder interdisziplinären Primärversorgungseinheiten bis zum Ende der Laufzeit gewährleistet werden. Dafür stünden 200 Millionen Euro an zweckgebundenen Mitteln zur Verfügung, heißt es.

In dem Zielsteuerungsvertrag wurden nach Ministeriumsangaben zahlreiche Verbesserungen für das Gesundheitssystem festgeschrieben. Neben der raschen Umsetzung der Primärversorgungsmodelle sei auch die Weiterentwicklung der fachärztlichen Versorgung ein wichtiges Thema auf der Agenda. "Besonders wichtig ist mir, dass die Verbesserung der Kinder- und Jugendgesundheit als Umsetzungspunkt aufgenommen wurde, konkret der Ausbau des Angebots an psychischen Versorgung", kommentiert Gesundheits- und Frauenministerin Pamela Rendi-Wagner.

"Immer wichtiger für den Gesundheitsbereich wird auch die Digitalisierung", wie die Gesundheitsministerin ergänzt. In Österreich wird seit Dezember 2015 eine elektronische Patientenakte (ELGA) eingeführt, die Patienten und den sie behandelnden Ärzten medizinische Dokumente dezentral zugänglich macht. Bisher werden Krankenhäuser angebunden, ambulant arbeitende Ärzte sollen im Laufe dieses Jahres folgen. Neben ELGA sei die Umsetzung des E-Impfpasses, der automatisch an Impfungen erinnert, eine wichtige Maßnahme, die in der Zielvereinbarung festgelegt wurde, heißt es weiter.

Wie der Landesrat Bernhard Tilg, Vorsitzender der Landesgesundheitsreferentenkonferenz, anlässlich des Bundeszielsteuerungsvertrages hervorhebt, diene der Pakt auch und gerade der Sicherung des Fachkräftenachwuchses im Gesundheitswesen. "Ein besonderes Anliegen ist mir die gemeinsame Kraftanstrengung aller Partner, auch in Zukunft bedarfsgerecht medizinisches Personal – von den ÄrztInnen über Pflege bis hin zu therapeutischen und sonstigen Gesundheitsberufen – zur Gewährleistung einer qualitätsvollen Versorgung in unseren zahlreichen Gesundheitseinrichtungen sicherstellen zu können", so Tilg.

48 Stunden durchschnittliche Wochenarbeitszeit verzeichneten Spitalärzte in Österreich im April 2016. Das ergab eine Studie der Bundeskurie Angestellte Ärzte der Österreichischen Ärztekammer. Im Jahr 2006 habe die wöchentliche Arbeitszeit noch bei 59 Stunden gelegen.

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