Betriebsärzte warnen

Homeoffice kann seine Schattenseiten haben

Mitarbeiter ins Homeoffice zu schicken sollte kein Automatismus sein, warnt Dr. Anette Wahl-Wachendorf vom Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte. Oft spreche die Psyche gegen solche Pläne.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Homeoffice kann auch seine Schattenseiten haben – gerade, wenn der betreffende Arbeitnehmer depressiv ist.

Homeoffice kann auch seine Schattenseiten haben – gerade, wenn der betreffende Arbeitnehmer depressiv ist.

© PheelingsMedia/stock.adobe.com

Berlin. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und die Grünen-Bundestagsfraktion wollen den Druck auf die Arbeitgeber erhöhen, ihre Beschäftigten – wo möglich – ins Homeoffice zu schicken, um so effektiver gegen die Coronavirus-Pandemie kämpfen zu können.

Aus Sicht von Dr. Anette Wahl-Wachendorf, Vizepräsidentin des Verbandes Deutscher Betriebs- und Werksärzte (VDBW), ist dieser Schritt allerdings mit Vorsicht zu genießen. „Es sollte immer geprüft werden, wer ins Homeoffice gehen kann, nicht, wer gehen muss“, betonte Wahl-Wachendorf am Mittwoch im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“.

Zwar befürworte der VDBW grundsätzlich die Homeoffice-Option, im Einzelfall könne dies aber durchaus eine „Entscheidung zwischen Baum und Borke“ sein, wie die Arbeitsmedizinerin mit Blick auf ihren Arbeitsalltag berichtet. Generell sei „Homeoffice daher eine Führungsaufgabe“.

Werksärzte können Gefahren einschätzen

Konkret gelte es immer, nicht nur abzuwägen, ob der betreffende Mitarbeiter zum Beispiel aus arbeitsprozessualer Sicht dem Betrieb fernbleiben könne – das habe nicht der Arbeitsmediziner zu beurteilen. Vielmehr müsse der Arbeitgeber auch immer abwägen, ob dem intendierten Infektionsschutz nicht eine psychische Komponente des jeweiligen Arbeitnehmers widerspricht.

„Es nützt niemandem etwas, mit einer Depression allein im Homeoffice zu sitzen. Dasselbe gilt, wenn jemand in Scheidung lebt und im Büro besser aufgehoben ist als zu Hause“, verdeutlicht Wahl-Wachendorf.

Wie die VDBW-Vize weiter ausführt, suchten Mitarbeiter auch aktiv das Gespräch mit Betriebsärzten, um auf solche Umstände aufmerksam zu machen. Hier könnten die Arbeitsmediziner dann eine Gefahrenabwägung vornehmen, gegenüber dem Arbeitgeber als Anwalt des Arbeitnehmers auftreten und für dessen Verbleib im Betrieb plädieren.

Arbeitsmediziner zeigen größtenteils Präsenz in Betrieben

„Wenn dann ein paar Leute in Großraumbüros sitzen und sich an die Vorsichtsregeln halten, spricht da aus Infektionsschutzgründen in der Regel nichts dagegen“, so Wahl-Wachendorf.

Und wie halten es die Arbeitsmediziner selbst mit dem Homeoffice? „Wir sind zum überwiegenden Teil vor Ort in den Betrieben oder Praxen, die Arbeitnehmer brauchen uns gerade in der Pandemie als Ansprechpartner“, resümiert Wahl-Wachendorf.

Bei den Betriebs- und Werksärzten kämen meist nur diejenigen aus dem Homeoffice heraus via Telemedizin ihrer arbeitsmedizinischen Aufgabenstellung nach, die an entsprechenden Vorerkrankungen litten, die sie einer Risikogruppe zugehörig machten.

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