Bundesversicherungsamt entlastet TK im Fall Atrio-Med: Verträge mit MVZ-Betreiber korrekt

Die Techniker Krankenkasse (TK) sichert dem Atrio-Med-Betreiber HCM insgesamt 50 Millionen Euro pro Jahr zu - zusätzlich zu den Behandlungskosten. Das Bundesversicherungsamt hält die Zahlungen für "angemessen".

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Das Atrio-Med in Hamburg. Die KV wirft dem MVZ vor, Vertragsarztsitze in attraktiven Innenstadtlagen zu konzentrieren. © di (Archiv)

Das Atrio-Med in Hamburg. Die KV wirft dem MVZ vor, Vertragsarztsitze in attraktiven Innenstadtlagen zu konzentrieren. © di (Archiv)

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Mehrere Wochen nach einer ZDF-Sendung über die Vertragsbeziehungen zwischen der Techniker Krankenkasse (TK) und dem Atrio-Med-Betreiber HCM entlastet das Bundesversicherungsamt (BVA) die Kasse. "Die Überprüfung hat ergeben, dass die Verträge aufsichtsrechtlich nicht zu beanstanden sind. Dies gilt insbesondere auch für die in den Verträgen vereinbarten Vergütungen", teilte das BVA auf Anfrage der "Ärzte Zeitung" mit.

Die Aufsichtsbehörde hatte aufgrund eines Berichts von "Frontal 21" die TK um Stellungnahmen zu den dort erhobenen Vorwürfen gebeten und diese geprüft (wir berichteten). Die TK selbst kritisiert den Beitrag im ZDF: "Er enthält Fehler und verschweigt den Zuschauern wichtige Aspekte", teilte die Kasse mit.

In der Sendung unter dem Titel "Fragwürdige Geschäfte - und die Techniker Krankenkasse" ging es um die Summen, die die Kasse ihrem Geschäftspartner HCM für den Betrieb der Atrio-Med-Standorte zusichert. Dies sind laut Kooperationsvertrag für jeden Atrio-Med-Standort im Jahr eine Million Euro - zuzüglich zu den separat anfallenden Behandlungskosten. Weil die Vereinbarung für einen Zeitraum von fünf Jahren gilt und bundesweit zehn Standorte geplant sind, summieren sich die Mittel auf insgesamt 50 Millionen Euro -Geld, das nach Meinung von Kritikern des Modells in der Versorgung besser angelegt sein könnte. DerWissenschaftler Professor Rolf Rosenbrock aus Berlin sprach in Zusammenhang mit den Gegenleistungen in der Sendung von "Mätzchen".

HCM-Mehrheitsbesitzer Andreas Heyer dagegen hatte in der Sendung auf längere Öffnungszeiten, Behandlungspfade und abgestimmte Therapien verwiesen. Eine Anfrage der "Ärzte Zeitung" wurde vom Unternehmen nicht beantwortet. Mit der Wahrnehmung der Interessen ist ein Anwaltsbüro beauftragt, das inhaltlich keine Auskünfte gibt.

Die Techniker Krankenkasse war in der Vergangenheit mehrfach wegen ihrer Verbindung zu den Atrio-Med-Zentren in die Schlagzeilen geraten. Für Verwirrung hatten zunächst die schwer zu überblickenden Besitzverhältnisse des Atrio-Med-Betreibers gesorgt. Zugleich hatte es in Hamburg zum Start des MVZ scharfe Kritik der KV gegeben, weil einige Kassenarztsitze in Stadtteilen aufgekauft worden waren, in denen anschließend Versorgungslücken befürchtet wurden. In Berlin war dem Atrio-Med kurzzeitig wegen Verdachts auf Abrechnungsbetrug die Zulassung entzogen worden. HCM hatte dann aber beim Bundesverfassungsgericht bewirkt, dass das MVZ seine Zulassung vorerst behält. Weitere Atrio-Med-Standorte sind Köln und Leipzig.

Für TK-Versicherte wirbt der Betreiber auf der Atrio-Med-Homepage mit "exklusiven Services und besonders effektiven Behandlung - ohne zusätzliche Kosten". An diesem Mehrwert hatten Kritiker in der Vergangenheit Zweifel angemeldet. Das Bundesversicherungsamt listet jetzt genau auf, wofür die TK jährlich eine Million Euro an die Atrio-Med-Standorte zahlt. Dafür gewährleisten die MVZ den TK-Versicherten:

  • eine interdisziplinäre Ausstattung von 13 Fachärzten unter einem Dach mit  einem gemeinsamen Servicepoint, an dem mehrere Facharzttermine gleichzeitig vereinbart werden können
  • den Aufbau einer einheitlichen Patientenakte zur Vermeidung von Doppeluntersuchungen und zur Vorbereitung von abgestimmten Behandlungspfaden
  • Kooperationen mit anderen Leistungssektoren wie Krankenhäusern, Rehakliniken sowie die Durchführung von Qualitätszirkeln, die die Versorgungsqualität verbessern
  • deutlich längere Öffnungszeiten, auch an Samstagen
  • kurze Wartezeiten von regelmäßig maximal 30 Minuten
  • weitere Serviceleistungen (unter anderem Bereitstellen von Getränken und Obst).

"Aus Sicht des BVA ist es wirtschaftlich angemessen, für diese Leistungen die in den Verträgen vereinbarten Zahlungen zu leisten", lautet das Fazit der Aufsicht. Damit wird die TK deutlich von dem unterschwellig aus der Sendung herauszuhörenden Vorwurf, dass ihr Atrio-Med-Engagement Versichertengelder verschleudern könnte, entlastet. "Die Vergütung steht also explizit für Versorgungsleistungen zur Verfügung", betonte die TK.

Allerdings wurde die Kasse vom BVA auch darauf hingewiesen, dass strikt darauf zu achten sei, dass der Vertragspartner die im Vertrag vereinbarten Pflichten erfüllt und - soweit vertraglich vereinbarte Leistungen nicht erfüllt werden - die Vergütung angemessen zu kürzen, vereinbarte Vertragsstrafen zu realisieren und bei massiven Vertragsverletzungen eine Kündigung der Kooperation zu prüfen sei.

Ob es dazu kommen wird, ist derzeit reine Spekulation. "Über ihre weiteren Planungen wird die TK zu gegebener Zeit informieren", teilte die Kasse mit. Fest steht, dass das BVA die Vertragserfüllung weiterhin aufsichtsrechtlich überwacht. Es hat die TK aufgefordert, regelmäßig über den Sachstand zur Kooperation mit Atrio-Med zu berichten.

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