Chronische Erkrankungen

Coaching-Programm bringt Patienten in Bewegung

Patientenaufklärung kann auch eine intersektorale Aufgabe sein. Hilfreich ist es, wenn Klinik und Praxis dabei dasselbe Therapiebegleitprogramm nutzen. Online-Medien spielen dabei eine wichtige Rolle.

Hauke GerlofVon Hauke Gerlof Veröffentlicht:

WIESBADEN. Bei der Aufklärung über chronische Erkrankungen werden Ärzte immer mehr zum Wegweiser, der Patienten zur richtigen Zeit zu verständlichen und für sie relevanten Informationen führt. Dabei sind Internet- und andere digitale Angebote nichts Besonderes mehr.

„Vorinformierte Patienten sind heute Standard“, sagte Privat-Dozent Dr. Sebastian Kuhn, Universitätsmedizin Mainz, auf dem Internistenkongress in Wiesbaden. 50 Prozent der Ärzte hätten zwar immer noch Probleme, mit online informierten Patienten umzugehen, zeigten Umfragen, und es seien auch nicht alle Patienten gut informiert.

Manche seien sogar falsch informiert. „Aber der Informationsbedarf ist enorm hoch“, und darauf müssten die Ärzte sich einstellen, sagte der Oberarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, der auch Leiter des Reformprojektes „Medizin im digitalen Zeitalter“ ist.

Kuhn sprach bei einem von Berlin-Chemie unterstützten Symposium. „Der Stellenwert von Informationsvermittlung wird steigen, der Kontakt zwischen Arzt und Patient verschiebt sich dadurch in Richtung Partnerschaft und sprechende Medizin.“

Nützliche Coaching-Programme

Es sei mittlerweile aus vielen Umfragen bekannt, dass Ärzte die Digitalisierung durchaus positiv sehen, auch wenn nicht jede Anwendung unkritisch sei, ergänzte Internist Professor Achim Viktor vom Verbundkrankenhaus Linz/Remagen beim Symposium.

Auch Viktor verwies auf aktuelle Studien: So sehen rund 80 Prozent der Ärzte in digitalen Therapiebegleitprogrammen und Coaching-Programmen einen Nutzen oder vielleicht einen Nutzen, hatte zum Beispiel der Digitalisierungsreport von DAK und „Ärzte Zeitung“ gezeigt (wir berichteten).

Viktor hat in seiner Klinik eine kleine Studie 244 Patienten mit dem Therapiebegleitprogramm Therakey® gemacht, das von Berlin-Chemie entwickelt worden ist. Nach Unternehmensangaben ist es das größte deutschsprachige und indikationsübergreifende Arzt-Patienten-Portal, das umfassend, produktneutral und leicht verständlich Patienten und Angehörige über relevante Aspekte ihrer Erkrankung informiert.

134 der befragten Patienten in der Studie TEAM3-Player hätten die Evaluationsbögen ausgefüllt, berichtete Viktor weiter. 83 Prozent davon hätten angegeben, dass sie nach dem Einsatz von Therakey® ihren Arzt besser verstanden haben. Fast 84 Prozent sähen zudem den Einsatz des Programms in der Klinik als innovativen Fortschritt an.

Information per Text und Video

Dabei ist die Nutzungsdauer des Therapiebegleitprogramms sehr hoch: Im Median 240 Minuten hätten Patienten allein damit verbracht, Informationen zum Thema Erkrankung zu lesen oder auch per Video aufzunehmen. 71 Minuten lagt die Dauer der Beschäftigung mit dem Modul Therapie, 61 Minuten nutzten die Teilnehmer Informationen zum Thema Lebensstiländerungen.

Die Patienten waren zwischen 30 und 70 Jahre alt, mehr als 80 Prozent von ihnen verfügten über einen Haupt- und Realschulabschluss. Auch die älteren Patienten hätten keine Probleme gehabt, mit dem Tablet-PC umzugehen, den sie für das Programm bekommen hatten. Und nach einer Gruppenschulung wollten 84 Prozent der Teilnehmer das Programm weiter nutzen.

Viktor sieht in dem Programm auch einen guten Ansatz, in einem Klinikalltag, der durch eine immer stärkere Arbeitsverdichtung bestimmt ist, dennoch „einen edukativen Ansatz zu realisieren“. Er könne die Patienten besser aktivieren und zu Lebensstiländerungen motivieren – und das über Klinikgrenzen hinaus.

Bei der Nutzung von Therakey® durch Patienten würden auch deren Hausärzte informiert. Sie könnten die Patienten dann weiter in der Nutzung des Begleitprogramms unterstützen.

Auch den Wert für eine verbesserte Therapie habe die Studie bestätigt: 80 Prozent der Beteiligten seien signifikant mehr in Bewegung und 98 Prozent nähmen ihre Medikamente regelmäßig, so Viktor.

Vor allem die Adhärenz der Patienten bei der medikamentösen Therapie und die Aktivierung zu mehr Bewegung sahen sowohl Kuhn als auch Viktor als besonders wichtig, aber nur schwer erreichbar an. Auch eine interaktive Umfrage unter den Teilnehmern am Symposium bestätigte, dass Bewegungsmangel (33 Prozent der Teilnehmer) und mangelnde Therapietreue die größten Herausforderungen für die Behandlung in der Praxis seien.

Nicht zuletzt zeigte die Veranstaltung auch, dass viele Ärzte sich längst mit der Digitalisierung beschäftigen: 55 Prozent der Anwesenden antworteten, die Ärzte sollten die Digitalisierung selbst vorantreiben, jeder Dritte sah die Politik hierfür in der Verantwortung und nur elf Prozent die Institutionen, zum Beispiel Verbände.

„Wir brauchen alle drei Akteure“, kommentierte Kuhn das Ergebnis, „jetzt ist auch die Zeit, flächendeckende Standards umzusetzen und sich nicht mehr in Insellösungen zu üben“. Aber es sei gut, wenn viele Ärzte eine hohe Bereitschaft zeigten, sich bei diesem Thema zu engagieren. (ger)

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