Da kommt nicht nur Neid auf - neue Zahlen zum Einkommen der Ärzte

Die Diskussionen um das Einkommen der niedergelassenen Ärzte ist wieder voll im Gange. Zum Teil werden Zahlen in den Raum gestellt, die den Otto-Normal-Angestellten grün vor Neid und Ärzte rot vor Ärger werden lassen.

Julia FrischVon Julia Frisch Veröffentlicht:

Für großen Unmut unter den Praxischefs sorgte am vergangenen Mittwoch die Barmer Ersatzkasse (BEK). Ausgehend davon, dass sich in diesem Jahr die Gesundheitsausgaben für Arztpraxen auf 42,7 Milliarden Euro summieren werden (davon 29,7 Milliarden Euro für die GKV), rechnete die Kasse vor, dass bei 137 600 abrechnenden Ärzten jeder Arzt demnach Zahlungen von 311 000 Euro erhält. Ziehe man von diesem Betrag Praxiskosten von etwa 116 000 Euro ab, liege der Gewinn vor Steuern für jeden Arzt durchschnittlich bei 195 000 Euro (ohne Abzug der Kosten für die Altersvorsorge).

Für die Barmer war damit klar: Zum Jammern besteht für Ärzte in Deutschland kein Grund. Die Ärzte verdienten im Durchschnitt etwa das Sechs- bis Siebenfache der Kassenmitglieder. BEK-Chef Johannes Vöcking wies deshalb weitergehende Honorarforderungen der Kassenärzte energisch zurück.

Für arge Schönfärberei halten viele Praxischefs die Rechnerei der Barmer. Der Durchschnitt allein stelle die Einkommensverhältnisse nie richtig dar. "Wenn eine Praxis eine Million Euro Gewinn macht, 99 andere aber keinen, dann liegt der Durchschnittsgewinn bei 10 000 Euro", kritisierte eine Ärztin in einem Diskussionsforum die Barmer-Statistik. Und auch Steuerberaterin Dagmar Kayser-Passmann hält die Zahlen der Krankenkasse hinsichtlich des Gewinns und der Kosten-/Erlös-Verhältnisse für gar "nicht nachvollziehbar".

Realistischer scheinen ihr die Zahlen zu sein, die das Statistische Bundesamt jüngst zur Kostenstruktur in Arztpraxen für das Jahr 2007 veröffentlichte. Nach der Erhebung verzeichnen Praxen (ohne MVZ) Einnahmen aus GKV, PKV und sonstigen selbstständigen Tätigkeiten wie etwa Gutachtertätigkeit in Höhe von 399 000 Euro. Nach Abzug von Aufwendungen für Personal, Miete, Heizung, Material, fremde Laborarbeiten und Abschreibungen auf Praxiseinrichtungen in Höhe von 206 000 Euro liegt der Reinertrag je Praxis bei 193 0000 Euro, pro Praxisinhaber bei 142 000 Euro.

Für Allgemeinmediziner in einer Einzelpraxis weist die Untersuchung des Statistischen Bundesamts einen Reinertrag von 110 000 Euro, für Hausärzte in Gemeinschaftspraxen von 125 000 Euro aus. Dieser Reinertrag, darauf weist das Bundesamt hin, stelle aber noch nicht den betriebswirtschaftlichen Gewinn eines Arztes oder einer Praxis dar. Denn von der Summe müssten unter anderem noch die Aufwendungen für die private Altersvorsorge, für die Krankenversicherung auch der Familienangehörigen oder die Beiträge zur berufsständischen Versorgungseinrichtungen bezahlt werden.

Ohne Privateinnahmen, so Steuerberaterin Dagmar Kayser-Passmann, könnten viele Vertragsärzte ohnehin kaum überleben. Reine Kassenarztpraxen würden den Medizinern ein Einkommen generieren, das dem durchschnittlichen Jahreseinkommen eines Bürgers, also 30 000 Euro, entspreche. Darauf weist auch KBV-Sprecher Dr. Roland Stahl hin: "Entscheidend ist doch, was hinten rauskommt." Lege man nur die GKV-Einnahmen zugrunde, hätten Ärzten netto durchschnittlich ein Einkommen von 2300 bis 2400 pro Monat. Wie viel Einnahmen zusätzlich aus Privatleistungen erzielt werden können, hänge stark von der Region ab.

Völlig unbeachtet bleiben nach Angaben von Kayser-Passmann auch andere einkommensrelevante Faktoren wie unternehmerisches Risiko, Verwaltungsaufgaben oder Fortbildungsverpflichtungen. Dafür müssten Ärzte regelmäßig unbezahlte Überstunden leisten, die durch den Praxisgewinn abgegolten sind.

Untersuchung des Statistischen Bundesamts

Für die Erhebung "Kostenstruktur in Arztpraxen 2007" hat das Statistische Bundesamt vor zwei Jahren 5299 Praxen befragt, darunter 953 Allgemein- und 4346 Facharztpraxen. 77 Prozent der beantworteten Fragebögen waren für die Statistik verwertbar.

Ihr zufolge stammen bei Allgemeinärzten knapp 82 Prozent der Einnahmen aus der GKV, 16 Prozent aus PKV und IGeL. Allgemeinärzte in Einzelpraxen geben 48 000 Euro für Personal aus (bei im Schnitt 4,2 Lohn- und Gehaltsempfängern); 2003 waren es 44 000 Euro.

Lesen Sie dazu auch den Gastkommentar: Die alte Leier mit dem Einkommen

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Kommentare
Uwe Schneider 31.08.200917:16 Uhr

Ohne GKV-Einnahmen ...

... könnten die allermeisten Praxen auch nicht überleben. Und diese Einnahmen sind durch die Bedarfsprüfung und die Krankenkassen/KVen als solvente Partner sogar zu einem guten Teil faktisch garantiert.

Dass der Deckungsbeitrag eines durchschnittlichen Privatpatienten höher ist als der eines durchschnittlichen Kassenpatienten dürfte man kaum bestreiten können. Aber die Hauptlast der Finanzierung der medizinischen Infrastruktur in Deutschland trägt doch die GKV.

Christoph Polanski 31.08.200915:41 Uhr

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Eine durchschnittliche Hausarztpraxis in Sachsen bekommt bei 1.000 Patientin im Quartal ca. 36.000,-€ Brutto.
Nach Abzug der Praxiskosten (Miete 1.000, 2 MFA 4.000, PKW 500, weitere Nebenkosten ca. 1.000,-€ pro Monat) verbleiben vor Steuer ca. 16.500,-€ im Quartal also 5.500,- Brutto pro Monat. Davon werden 900,-€ für die Ärzteversorgung abgezogen und ca. 300,-€ Krankenversicherung. Verbleiben als vor Steuer 4.300,-€. nach Abzug von Steuer verbleiben für mich ca. 2.600,-€ im Monat, dafür arbeite ich im Durchschnitt 60 Stunden pro Woche und muß mich stendig fortbilden.

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