Präzisionsonkologie

Diagnostika-Industrie fordert: Mehr Spielraum für Personalisierte Medizin!

Um das Potenzial der Personalisierten Medizin zum Beispiel bei Krebspatienten besser ausschöpfen zu können, mahnt die Diagnostika-Industrie bessere Rahmenbedingungen für sich und die ambulanten sowie stationären Versorger an.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Personalisierte Medizin soll in der Onkologie künftig eine noch größere Rolle spielen.

Personalisierte Medizin soll in der Onkologie künftig eine noch größere Rolle spielen.

© vege / stock.adobe.com

Berlin.. Anlässlich des am 17. September stattfindenden Welttags der Patientensicherheit, der unter dem Motto „Sichere Medikation“ steht, fordert der Verband der Diagnostica-Industrie (VDGH) mehr Aufmerksamkeit für die Personalisierte Medizin ein.

„Der Schlüssel zur Personalisierten Medizin liegt in der gezielten Diagnostik. Vor allem bei der Behandlung von Krebserkrankungen ist der Einsatz molekularer Labordiagnostik für die Therapieentscheidung ein unverzichtbares Kernstück“, postuliert VDGH-Geschäftsführer Dr. Martin Walger angesichts der Veröffentlichung eines entsprechenden Positionspapiers seines Verbandes.

In dem Papier erinnert der Verband daran, dass eine Voraussetzung für die richtige Behandlung die Identifikation der Krankheitsursache sei. Da die klinischen Symptome in einigen Fällen keine genaue Aussage zu einem bekannten Krankheitsbild erlaubten, unterstütze der Einsatz von Biomarkern Ärztinnen und Ärzte bei der Diagnose vieler Erkrankungen.

So würden moderne Krebstherapien heute unter Verwendung prädiktiver Diagnostika entwickelt, die die krebsauslösende Mutation genau ermitteln und den gezielten Einsatz der dazu passenden Therapie gestatten. Der effiziente Einsatz oft teurer Medikamente werde dadurch realisierbar, da diese nur bei den Patientinnen und Patienten eingesetzt werden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf den Wirkstoff ansprechen.

Versagerquote sinkt

Im Ergebnis sinke die Versagerquote, aber auch schwere und sogar lebensgefährliche Nebenwirkungen könnten minimiert werden. So lieferten biomarkerbasierte Tests die Grundlage zur Wahl der richtigen Therapie. Ein solches Vorgehen sei dem Prinzip „Trial and Error“, das heute oftmals noch Anwendung findet, in jeder Hinsicht überlegen.

Vor allem Therapien, die sich über einen längeren Zeitraum erstreckten, könnten ihre Wirkung einbüßen oder verlieren. Auch hier entfalte personalisierte Diagnostik einen Nutzen für die Patienten. So helfe die Untersuchung von Anti-Drug-Antikörpern beim Einsatz von Biologika bei Rheumaerkrankten dabei, den Wirkverlust teurer Therapien zu erkennen und rechtzeitig auf ein wirksames Medikament umzustellen bzw. die Dosierung anzupassen. Ein Therapiemonitoring mittels Biomarkern gebe den Patienten die Sicherheit, dass die Therapie wirke und verbessere damit die Compliance. Rückfälle und ein weiteres irreversibles Fortschreiten der Erkrankung könnten so verhindert werden.

Mit prognostischen Markern könnten Informationen über den Krankheitsverlauf, wie die Rezidivwahrscheinlichkeit bei Krebserkrankungen, gewonnen werden. Würden nach der kurativen Behandlung minimale Mengen an verbleibendem Tumormaterial im Blut nachgewiesen, steigt die Gefahr eines Tumorrückfalls. Ein bildgebender Nachweis könne in diesem frühen Stadium nach einer Operation häufig keine validen Ergebnisse liefern.

Um das Potenzial der Personalisierten Medizin nicht nur in der Onkologie oder Rheumatologie besser ausschöpfen zu können, mahnt der VDGH an, anfolgenden Stellschrauben zu drehen:

Erstattungssystem weiterentwickeln: In Deutschland dürften Arzneimittel mit ihrer Zulassung zu Lasten der GKV verordenbar. Dazugehörige Begleitdiagnostika (Companion Diagnostics) benötigten hingegen nach Inverkehrbringen eine EBM-Ziffer, um in der vertragsärztlichen Versorgung eingesetzt werden zu können. „In der Vergangenheit lagen lange Zeiträume zwischen der Erstattungsfähigkeit des Arzneimittels und des dazugehörigen Diagnostikums“, heißt es im Positionspapier. Der Zeitraum habe sich zwar auf in der Regel sechs Monate verkürzt. „Für Patienten ist wichtig, auch in der Zeitphase zwischen Zulassung des Arzneimittels und Beschluss des Bewertungsausschusses die Begleitdiagnostik in Anspruch nehmen zu können. Daher sollte für diese Phase eine vorläufige Erstattungsmöglichkeit geschaffen werden“, fordert der VDGH unter anderem.

Besserer Zugang zu Gesundheitsdaten: Die Branche legt große Hoffnung auf das im Koalitionsvertrag der Bundesregierung angekündigte Gesundheitsdatennutzungsgesetz, um für die Unternehmen immens hohe Datenschutzhürden zu überwinden. „Es muss zeitnah angegangen werden und sollte auch der Industrie den Zugang zu Gesundheits(versorgungs)daten ermöglichen, selbstverständlich unter Berücksichtigung eines angemessenen Datenschutzes. Andere Gesundheitssysteme sind Deutschland an dieser Stelle klar voraus“, heißt es im Papier.

Klinische Studien anpassen: Die Arzneimittelzulassung ist ein aufwändiger Prozess, in dem der Arzneimittelkandidat unterschiedliche klinische Phasen durchläuft. Bewertungen des Arzneimittels werden häufig mithilfe prospektiver randomisierter kontrollierter Studien (RCT) durchgeführt. In Zusammenhang mit der Personalisierten Medizin und der Entwicklung innovativer Diagnostika sei dieser alleinige Ansatz nicht zielführend, auch weil die Patientenpopulation klein ist. „Insofern sollten zur Generierung von Evidenz in diesem Bereich auch retrospektive Untersuchungen von Probenmaterial aus Biobanken berücksichtigt werden“ so der VDGH mit Verweis darauf, dass andere europäische Länder wie Dänemark, Schweden oder Großbritannien zudem den Weg der direkten Finanzierung gesundheitsökonomischer Studien durch „staatliche“ Institute gewählt hätten.

Forschungsförderung ausbauen: Der Personalisierten Medizin sollte bei der Ausrichtung der Forschungspolitik über die bereits bestehenden Fördermöglichkeiten hinaus ein herausragender Stellenwert beigemessen werden. Dabei sollte nicht nur onkologische Erkrankungen im Fokus stehen. „Entscheidend ist insgesamt die Unterstützung bei der Translation, damit Forschungsergebnisse zu neuen therapeutischen Zielen auch ihre Anwendung in der Gesundheitsversorgung finden“, fordert die Branche. Dies unterstütze gerade klein- und mittelständische Diagnostikunternehmen als Innovationsträger. Sinnvoll sei auch die verstärkte Unterstützung von Public Private Partnerships und Kooperationen von Akademia und Industrie.

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