Chefarzt Nikos Stergiou
"Weiterbildung kostet auch"
Die fachärztliche Weiterbildung ist fundamental. Das muss auch jungen Ärzten klar sein, betont Dr. Nikos Stergiou. Denn Weiterbildung kostet – und die Ärzte in Weiterbildung von heute sind eines Tages selbst die Weiterbilder, die ihre Ressourcen investieren müssen. Ein Blick auf diesen "Generationenvertrag".
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Weiterbildung nach Dr. Nikos Stergiou: Oberarzt Andreas Grein (li.) trainiert am Dummy mit Weiterbildungsassistent Dr. Christian Keller die Gastroskopie.
© Höhl
SELIGENSTADT. Ist die ärztliche Weiterbildung eine generationenübergreifende Verpflichtung? Will man sich der Beantwortung dieser Frage nähern, dann wollen wir uns zunächst einmal vorstellen, man beantworte sie mit: NEIN.
Die Tragweite würde uns schlagartig bewusst, wenn man sich folgendes Szenario vor Augen führte: eine vom heutigen Tag an abrupt wegfallende fachärztliche Weiterbildung!
Dabei würde Essenzielles verloren gehen: Fachwissen, Ausbildung und Förderung manueller Fertigkeiten in der Anwendung von technischen Untersuchungen, Durchführung von Operationen, jahrelang im Alltag von Klinik und Praxis gesammelte Erfahrungen einer Ärztegeneration mit hohem medizinischen Know-how, aber auch die Kompetenz im Umgang mit Patienten, der Aufbau einer vertrauensvollen Arzt-Patienten-Beziehung und die Möglichkeit der Übung im empathischen Umgang in den "Spannungsfeldern" Klinik und Praxis.
Die fachärztliche Weiterbildung der Ärzte, das heißt die medizinische Qualifikation der jeweils folgenden Ärztegeneration, ist demnach also eine wichtige, ja fundamentale Aufgabe.
Wenn mit dem Ende des Studiums eine Fortsetzung fachspezifischer Lehre unterbliebe, wäre ein Fortbestand unserer gesellschaftlichen Gesundheitsfürsorge nicht nur gefährdet, er wäre unmöglich.
Innerhalb kürzester Zeit würde sich nachhaltig die Behandlungsqualität der sich uns anvertrauenden Patienten minimieren, einhergehend mit einer drastischen Verschlechterung der Gesundheitsfürsorge folgender Generationen.
Generationenvertrag im Blick
Damit wird deutlich, dass ärztliche Weiterbildung ein selbstverständlicher Bestandteil des Generationenvertrages ist und als solcher auch verstanden werden sollte. Dies muss allen Weiterbildenden, aber auch den Ärzten in Weiterbildung, die zukünftig zu Weiterbildenden werden, und letztlich auch den im deutschen Gesundheitswesen politisch und ökonomisch handelnden Verantwortungsträgern bewusst werden.
Denn fachärztliche Weiterbildung kostet: Sie kostet Zeit, sie braucht Engagement und sie erfordert im Alltag den Einsatz von Ressourcen, die bei der Festlegung von dem Wirtschaftlichkeitspostulat untergeordneten Benchmarks kaum Berücksichtigung finden.
Will ich also einer generationenübergreifenden Verpflichtung nachkommen, die sich aus unserem gesellschaftlichen Wertekanon zwingend ergibt, kann ich ärztliche Weiterbildung nicht als eine "im Bypass" zu erbringende Selbstverständlichkeit voraussetzen.
Umdenken nötig
Dieses zu fordernde Umdenken, das politisch angestoßen werden muss, stellt allerdings nur eine Seite der Medaille dar. Der jungen Ärztegeneration ist frühestmöglich die Tatsache klarzumachen, dass sie, die sie für sich selbst eine exzellente Weiterbildung voraussetzt und für selbstverständlich erachtet, zukünftig selbst Jungmedizinern als Weiterbildende zur Verfügung stehen muss.
Für mich bedeutet dies, dass, wenngleich ich von meinen Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung Respekt und Dankbarkeit für mein Engagement erwarte, ich doch insgeheim erhoffe, dass sie motiviert sein werden, in gleicher Situation mit der bei uns erhaltenen Qualität an Weiterbildung die nächste Generation von Ärzten in Weiterbildung mit gleichfalls hohem Enthusiasmus und hohem Engagement unterstützen.
Einerseits ist mir Leonardo da Vincis Leitspruch "Schändlich ist ein Schüler, der nicht versucht, seinen Meister zu übertreffen" eine Motivation, wenngleich ich in Anlehnung hieran bemerken will: "Noch schändlicher ist ein Meister, der seinen Schüler hierbei nicht bestmöglich unterstützt." Schüler werden zu Lehrern, weil die Frage, ob ärztliche Weiterbildung eine generationenübergreifende Verpflichtung ist, selbstverständlich nur mit JA beantwortet werden kann.
Dr. Nikos Stergiou im Video
Alter: 50
Aktuelle Position: Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin und Ärztlicher Direktor in den Asklepios Kliniken Langen-Seligenstadt
Werdegang: Studium in Würzburg und Frankfurt; 1992 Approbation; seit 2004 Oberarzt in den Asklepios Kliniken, zuvor Klinikum Hanau
Veröffentlicht: 20.12.2016 © Springer Medizin
Wie vermittelt Dr. Nikos Stergiou im Alltag Kompetenzen? Ein Besuch vor Ort in der Klinik: