Urteil des Europäischen Gerichtshofs

Drohende unmenschliche Schmerzen sind Abschiebungshindernis

Können illegal Eingereiste im Herkunftsland nicht ausreichend versorgt werden, dürfen sie nicht abgeschoben werden, urteilt der EuGH. Geklagt hatte ein krebskranker Russe.

Martin WortmannVon Martin Wortmann Veröffentlicht:
Vor einer Abschiebung müssen Behörden immer auch den Gesundheitszustand des Asylbewerbers prüfen.

Vor einer Abschiebung müssen Behörden immer auch den Gesundheitszustand des Asylbewerbers prüfen.

© VRD / stock.adobe.com

Luxemburg. Kranke Ausländer dürfen nicht abgeschoben werden, wenn ihnen im Herkunftsland wegen einer unzureichenden medizinischen Versorgung eine erhebliche und letztlich unmenschliche Zunahme ihrer Schmerzen droht. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg im Fall eines krebskranken Russen entschieden.

Der heute 34-Jährige war mit 16 an Blutkrebs erkrankt. Seit 2013 hält er sich illegal in den Niederlanden auf und befindet sich dort in Behandlung. Gegen seine Schmerzen erhält er medizinisches Cannabis. In Russland ist die Verwendung von Cannabis in der Medizin verboten. Mehrere Asylanträge des Mannes blieben ohne Erfolg, und 2020 wurde er ausgewiesen. Seine gegen die „Rückkehrentscheidung“ eingereichte Klage legte das Bezirksgericht Den Haag dem EuGH vor.

Auch illegal Eingereiste haben ein Recht auf Privatleben

Der betonte nun, dass illegal eingereiste Ausländer sich neben der Menschenwürde auch auf das Grundrecht der Achtung des Privatlebens berufen können. Hierzu gehörten auch medizinische Behandlungen. Vor Erlass bei einer Rückreiseentscheidung müsse die Ausländerbehörde daher den Gesundheitszustand prüfen.

Nach dem Luxemburger Urteil lässt dabei EU-Recht die Ausweisung eines kranken Ausländers nicht zu, wenn „seine Rückkehr ihn aufgrund der Nichtverfügbarkeit einer angemessenen Versorgung im Zielland der tatsächlichen Gefahr einer raschen, erheblichen und unumkehrbaren Zunahme der durch seine Krankheit verursachten Schmerzen aussetzen würde“.

Voraussetzung ist danach, „dass das Ausbleiben einer solchen Behandlung ihn Schmerzen von einer solchen Intensität aussetzen würde, dass es gegen die Menschenwürde verstieße“. So könnten die Schmerzen schwere und unumkehrbare psychische Störungen verursachen oder Kranke sogar zum Selbstmord veranlassen.

Erkrankung kann soziale Beziehungen beeinträchtigen

Dass im Herkunftsland nicht mehr die gleiche Behandlung zur Verfügung steht, steht für sich genommen einer Ausweisung aber noch nicht entgegen, betonte der EuGH. Auch müssen illegal eingereiste Ausländer es hinnehmen, dass ihre Erkrankung ihre sozialen Beziehungen beeinträchtigen kann.

Über die Klage des krebskranken Russen muss nach diesen Maßgaben nun das Bezirksgericht Den Haag entscheiden.

Europäischer Gerichtshof, Az.: C-69/21

Jetzt abonnieren
Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Modernisierung angemahnt

KV Westfalen-Lippe will Reform der Zulassungsverordnung

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: Behandlungsalgorithmus der aktualisierten S3-Leitlinie für das SCLC im Stadium T3−4 und/oder N2−3, M0 („Limited Disease“, LD)

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [1]

Kleinzelliges Lungenkarzinom im Stadium Limited Disease (LD-SCLC)

Neuer Standard: Durvalumab beim LD-SCLC in S3-Leitlinie empfohlen

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Abb. 1: LUMINANCE-Studie: Gesamtüberleben (OS) unter Behandlung mit EP (Etoposid + Platin) plus Durvalumab

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [4]

Kleinzelliges Lungenkarzinom

ED-SCLC: Real-World ähnliche Studie unterstreicht Effektivität von Durvalumab

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Aktualisierte Ergebnisse der Phase-III-Studie AEGEAN

© Budi / stock.adobe.com (generiert mit KI)

Perioperatives Durvalumab beim resezierbaren NSCLC im Stadium IIA–IIIB [N2]

Aktualisierte Ergebnisse der Phase-III-Studie AEGEAN

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Kommunikationsexperte Sven Blumenrath

© Michaela Schneider

Gegen unerwartete Gesprächssituationen gewappnet

Tipps für MFA: Schlagfertigkeit im Praxisalltag