Jahreskongress der KVWL

Erfahrungsbericht: Ein vielfältiges Team kann Hausärztinnen und Hausärzte entlasten

Teampraxen bieten Niedergelassenen die Chance, wieder mehr Zeit für die Patientenversorgung zu haben. Für die konkrete Umsetzung gibt es keine Standardlösungen – aber noch einigen Klärungsbedarf.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Arbeiten iim Team: Das ist für eine Praxis in Schmallenberg im Hochsauerlandkreis längst gelebte Realität.

Arbeiten iim Team: Das ist für eine Praxis in Schmallenberg im Hochsauerlandkreis längst gelebte Realität.

© mmphoto / stock.adobe.com

Dortmund. In Arztpraxen kann nach der Erfahrung von Dr. Martin Riffelmann der Einsatz von Mitarbeitenden aus den unterschiedlichsten Berufen Sinn machen. Er selbst beschäftigt eine Hotelfachfrau für den Telefondienst, die für den Erstkontakt mit den Patientinnen und Patienten geschult wurde. „Das läuft wie am Schnürchen“, berichtete der Allgemeinmediziner am Freitag auf dem Jahreskongress 2025 der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL).

„Warum soll ich auf eine MFA warten, die ich sowieso nicht finde?“ Dadurch würde der Beruf für die MFA, die in der Praxis beschäftigt sind, noch unattraktiver. An der Rezeption beschäftigt die Praxis einen Altenpfleger. „Da gibt es keine Probleme mehr.“ Er mache auch die Sprechstunden-Assistenz. Für die Vorbereitung der Patienten hat der Mitarbeiter eine 30-Punkte-Liste. „Ich kann meine Kräfte fokussieren“, berichtete Riffelmann.

Einzugsgebiet mit 84 Ortschaften

Für ihn ist die Teampraxis gelebte Realität. Der Hausarzt ist Inhaber der Praxis „360° Mensch“ in Schmallenberg im Hochsauerland. An zwei Standorten sind insgesamt fünf Ärztinnen und Ärzte beschäftigt. Die Praxis hat insgesamt 30 Mitarbeiter. Darunter ist ein Praxismanager, der einen Bachelor in Wirtschaft hat. „Wir brauchen jemand, der sich um Organisatorisches kümmert“, sagte er. „Ich weiß nicht, wie es sonst gehen sollte.“ Der Praxismanager verschaffe den Hausärzten eine große Beinfreiheit.

Zum Einzugsgebiet der Praxis gehören 84 Ortschaften, die Praxis macht dort Haus- und Heimbesuche. Dabei werden die Ärztinnen und Ärzte unterstützt von einer Gesundheits- und Krankenpflegerin, die sich zur Primary Care Managerin weiterqualifiziert hat. Sie kann beispielsweise die Blutabnahme übernehmen.

„Was bin ich ohne mein Team?“, fragte der Allgemeinmediziner. „Ich habe zwar einen tollen akademischen Grad, aber wenn mir niemand zuarbeitet, wie soll ich da meine Patienten versorgen?“ Die Delegation von Leistungen erfordere Mut, räumte er ein. Gleichzeitig sei sie ein Zeichen der Wertschätzung für die Mitarbeitenden und mache ihre Arbeit interessanter.

Der Nachwuchs möchte Leistungen delegieren

„Man kann abgeben, aber man muss auch dazu bereit sein“, sagte KVWL-Vize Anke Richter-Scheer. Das sei gerade für den ärztlichen Nachwuchs wichtig. In ihrer Praxis fange demnächst ein junger Arzt an, erzählte sie. „Er hat gesagt: Ich komme nur, wenn sie eine Physician Assistant oder eine Primary Care Managerin haben.“

Standardlösungen für die Unterstützung der ärztlichen Tätigkeit in den Praxen gibt es ihrer Meinung nach nicht. Das hänge von der Praxisgröße, der Praxisstruktur und dem Standort ab. Bei allen Vorteilen des Einsatzes akademisierter Gesundheitsberufe sieht Richter-Scheer aber auch Gefahren. „Es darf nicht passieren, dass die MFA plötzlich eine bestimmte Tätigkeit nicht mehr machen darf, weil sie nicht akademisiert ist.“

Beim Einsatz der akademisierten Kräfte gehe es um die Sicherstellung der Versorgungssicherheit, sagte Dr. Nadja Mayer-Wingert, Professorin für Gesundheits- und Sozialmanagement an der FOM Hochschule in Münster. „Das wird ohne gut ausgebildetes Personal nicht mehr gehen“, glaubt die Internistin und Palliativmedizinerin. Die Aufgabe des Personals sei es, den Ärzten die Zeit zu verschaffen, die sie benötigen, um ihre Patienten gut zu versorgen.

Viele Einsatzmöglichkeiten für PCM

An der FOM Hochschule werden Primary Care Managerinnen in einem berufsbegleitenden Studium ausgebildet. Anders als Physician Assistants seien sie auf den ambulanten Bereich ausgerichtet, berichtete Mayer-Wingert. „Für sie gibt es ein großes Feld an Einsatzmöglichkeiten in der ambulanten Versorgung.“

Die Ersatzkassen erproben zurzeit verschiedene neue Delegationskonzepte in Brandenburg, Niedersachsen und Westfalen-Lippe. „Es geht dabei um die Frage, was konkret in ländlichen Regionen hilft, in denen wir handfeste Versorgungsprobleme haben“, erläuterte Dirk Ruiss, Leiter des Ersatzkassenverbands vdek in Nordrhein-Westfalen.

Notwendig ist ein Delegationskatalog

Dass die Delegation ärztlicher Leistungen notwendig ist, steht für Ruiss außer Frage. Jetzt gehe es darum, die zukunftsfähigen Ansätze in die Versorgung zu bekommen. Dafür müssten noch verschiedene Dinge geklärt und die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden, sagte er. So müsse die akademische Ausbildung in den Gesundheitsberufen vereinheitlicht werden, etwa bei den Physician Assistants. „Wir müssen für die Hausärzte und Hausärztinnen sichtbar machen, was sich hinter den Berufen verbirgt.“

Zudem müsse es klare Finanzierungsregeln für die Delegation geben, betonte Ruiss. Mit der Umsetzung könne man eventuell in strukturschwachen Regionen beginnen und dazu Mittel aus dem Strukturfonds nutzen. Der Ersatzkassen-Vertreter plädierte auch für die Erstellung eines Delegationskataloges, aus dem klar hervorgeht, welche Leistungen die verschiedenen Gesundheitsberufe übernehmen können. Das stieß bei Hausarzt Riffelmann auf Zustimmung. „Ein Delegationskatalog wäre für mich als Hausarzt ein ganz zentrales Instrument“, sagte er.

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