Gesundheitswesen in Spanien

EuGH rügt Dauervertretung im Gesundheitsdienst

Vertretungen und Anstellungen für eine Übergangszeit sind im spanischen Gesundheitswesen üblich. Laut Europäischem Gerichtshof unzulässig: Ein Urteil mit Signalwirkung?

Von Martin Wortmann Veröffentlicht:

Luxemburg. Eine befristete Vertretung, bis eine Stelle neu besetzt werden kann – das ist eigentlich nicht ungewöhnlich. Im spanischen Gesundheitswesen wurde dies allerdings zum System, Stellen werden über Jahre einfach nicht neu besetzt. Teils bekommen Ärzte immer neue Posten, die schlicht als „ordnungsgemäß“ definiert werden. Der Europäische Gerichtshof urteilte nun: Dies steht unzulässigen Kettenbefristungen gleich.

Konkret geht es um Beschäftigte des Gesundheitsdienstes der Provinz Madrid: Ein in der Verwaltung tätiger Informatiker war Ende 1999 als Interimskraft „für eine Übergangszeit befristet“ eingestellt worden, ohne dass seine Stelle neu ausgeschrieben wurde, mehrere Zahnärzte bekamen über zwölf bis 17 Jahre ab und an zwar neue, aber stets befristete „statutarische“ Verträge. Vor zwei Madrider Verwaltungsgerichten verlangten die Beschäftigten eine Festanstellung. Beide Gerichte fragten beim EuGH an, ob es sich um nach EU-Recht verbotene Kettenbefristungen handelt.

Zustimmung macht’s nicht besser

Dies hat der EuGH nun bejaht. Das Verbot mehrfach „aufeinanderfolgender“ Arbeitsverträge solle die Arbeitnehmer vor Missbrauch schützen. Dauervertretungen wie bei dem Informatiker liefen faktisch auf ständige Verlängerungen und damit auf eine Kette befristeter Arbeitsverträge hinaus. Würden solche Arbeitsverhältnisse ausgenommen, würde das Schutzziel des Ketten-Verbots „weitgehend ausgehöhlt“. Arbeitgeber könnten solche Dauervertretungen dann „in missbräuchlicher Weise zur Deckung eines ständigen und permanenten Arbeitskräftebedarfs nutzen“. Auch bei den Zahnärzten sei entscheidend, dass sie offenbar Daueraufgaben wahrnehmen. An der missbräuchlichen Kettenbefristung ändere weder die „freiwillige“ Zustimmung der Betroffenen etwas, noch dass die Arbeitsverträge nach spanischem Recht als „statutarisch“ gelten.

Hier hätten die vorlegenden Gerichte festgestellt, dass im öffentlichen Gesundheitswesen Spaniens „ein strukturelles Problem“ mit vielen Arbeitnehmern ohne Festanstellung besteht, obwohl diese staatlich Daueraufgaben wahrnehmen. Bei vergleichbaren Jobs wie dem des Informatikers seien in der Region Madrid 75 Prozent ohne Festanstellung, bei Zahnärzten und Kieferorthopäden 61 Prozent. Nationale Regelungen, die einen solchen Missbrauch ermöglichen, seien mit EU-Recht nicht vereinbar, urteilte der EuGH.

Nationalen Spielraum ausloten

In den Streitfällen müssen die spanischen Gerichte nun versuchen, das nationale Recht nach den Maßgaben des EuGH auszulegen. , dass Arbeitnehmer sich unmittelbar darauf berufen können, räumten die Luxemburger Richter ein Wenn sie im nationalen Recht keinen entsprechenden Spielraum sehen, könnte der Weg durch die Instanzen lang werden, bis das spanische Gesundheitswesen sein System der Dauervertretungen tatsächlich ändert.

Europäischer Gerichtshof

Az.: C-103/18 und C-429/18

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