Grobe Fahrlässigkeit: Gericht begrenzt Arbeitnehmerhaftung auf Jahresgehalt

Eine Reinigungskraft einer Praxis löste bei einem MRT die Notabschaltung aus und verursachte einen Schaden von über 30.000 Euro. Das Bundesarbeitsgericht begrenzte jedoch ihre Haftung für den Schaden.

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Urteil des BAG Erfurt: Entlastung für eine Reinigungskraft für ein von ihr beschädigtes MRT.

Urteil des BAG Erfurt: Entlastung für eine Reinigungskraft für ein von ihr beschädigtes MRT.

© dpa

ERFURT (mwo). Selbst bei grober Fahrlässigkeit haften Praxisangestellte nicht immer voll für von ihnen verursachte Schäden. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem jetzt schriftlich veröffentlichten Urteil entschieden. Konkret begrenzten die Erfurter Richter die Haftung einer Reinigungskraft für ein beschädigtes MRT auf ein Jahresgehalt in Höhe von 3840 Euro.

Die Frau arbeitete bereitsseit mehreren Jahren als Minijoberin in einer radiologischen Gemeinschaftspraxis in Niedersachsen. Ihr Monatslohn betrug 320 Euro. Die Praxis erwirtschaftete zwei Drittel ihres Umsatzes mit einem MRT. An einem Sonntag im Januar 2006 besuchte die Reinigungsfrau eine befreundeteKollegin, die über der Praxis wohnte.

Nach ihrem Besuch hörte sie auf dem Weg zur Haustür einen Alarmton aus der Praxis. Sie ging in die nicht verschlossenen Praxisräume und stellte fest, dass der Alarm vom MRT ausging. Statt den blauen Knopf "alarm silence" drückte sie den roten, durch eine Plexiglasklappe geschützten Knopf "magnet stop".

Dadurch löste sie einen sogenannten MRT-Quench aus. Bei dieser Notstopp-Funktion wird das als Kühlmittel eingesetzte Helium aus dem Gerät abgelassen, wodurch das elektromagnetische Feld zusammenbricht. Neben den Reparaturkosten von 30.800 Euro machten die Ärzte von der Betriebsunterbrechungsversicherung nicht gedeckte Umsatzeinbußen von 18.400 Euro geltend.

Doch die Reinigungskraft haftet nur in begrenztem Umfang. "Denn", so heißt es in dem Erfurter Urteil, "auch bei ‚gröbster‘ Fahrlässigkeit scheiden Haftungserleichterungen für den Arbeitnehmer nicht grundsätzlich aus." Indem sie "wahllos" den roten Knopf drückte, habe die Mitarbeiterin die erforderliche Sorgfalt zwar "in ungewöhnlich hohem Maß verletzt".

Doch dass sie damit "eine Notabschaltung auslöst, die einer partiellen Selbstzerstörung des Geräts gleichkommt", habe sie nicht absehen können. Zu berücksichtigen seien zudem die Möglichkeit der Praxis, derlei Schäden besser zu versichern sowie der geringe Lohn der Reinigungsfrau, so das BAG weiter.

Der geltend gemachte Schaden betrage nahezu das Zehnfache ihres Jahresgehalts. Eine Haftung im Umfang von zwölf Monatsgehältern bedeute für sie bereits "eine sehr große finanzielle Belastung".

Az.: 8 AZR 418/09

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